Illegales terrestrisches Glücksspiel in Nordrhein-Westfalen

Kleine Anfrage
vom 28.02.2024

Kleine Anfrage 3399

des Abgeordneten Andreas Keith AfD

Illegales terrestrisches Glücksspiel in Nordrhein-Westfalen

Im Januar dieses Jahres sorgte eine Großrazzia der Kölner Polizei für Aufsehen: Mehr als 200 Polizeibeamte gingen in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar gegen ein illegales Spielcasino vor. In dem Wohn- und Gewerbegebäude in Ehrenfeld befanden sich zu der Zeit 40 Personen, die sich an illegalen Spieltischen und Glücksspielautomaten betätigten. Die Spielautomaten sowie Laptops, Mobiltelefone und Bargeld in Höhe von 150.000 Euro wurden von den Beamten beschlagnahmt. Den sechs Hauptbeschuldigten wird nunmehr die unerlaubte Veranstaltung von Glücksspiel zur Last gelegt. Die Behörden waren zuvor durch Zeugen auf die illegale Spielstätte aufmerksam gemacht worden.1 Auch dem Vorgehen der Polizei gegen ein sogenanntes „Café-Casino“ in Köln-Kalk im vergangenen Jahr waren Hinweise aus der Bevölkerung vorausgegangen.2

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie hat sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen des illegalen Glücksspiels in NRW laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik seit 2018 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Straftaten gemäß § 284 StGB „Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels“, § 285 StGB „Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel“ und § 287 StGB „Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung“)
  2. Welche weiteren Kenntnisse haben die Landesregierung oder die ihr nachgeordneten Behörden über terrestrische Glücksspielangebote in NRW, die illegal sind oder sich – wie die sogenannten „Café-Casinos“ – in einer juristischen Grauzone befinden?
  3. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer der in Frage 1 benannten Straftatbestände?
  4. Wie schätzt die Landesregierung die Verwicklung der organisierten Kriminalität in diesen Bereich in NRW ein?
  5. Sieht die Landesregierung derzeit ein Vollzugsproblem beim Vorgehen gegen illegale Spielstätten und die dort aufgestellten Glücksspielautomaten?

Andreas Keith

 

MMD18-8273

 

1 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/koeln-razzia-illegales-spiel-casino-ehrenfeld-100.html

2 https://www.rheinische-anzeigenblaetter.de/kalk/c-blaulicht/aussen-caf-innen-casino_a288743


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3399 mit Schreiben vom 28. März 2024 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Kli­maschutz und Energie und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie hat sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen des illegalen Glücks­spiels in NRW laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik seit 2018 entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Straftaten gemäß § 284 StGB „Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels“, § 285 StGB „Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel“ und § 287 StGB „Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung“)

Datenquelle für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfas­sung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen dem Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nord­rhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssiche-rungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2023 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

Die Anzahl der bekannt gewordenen Fälle von unerlaubtem Glücksspiel (§§ 284, 285, 287 StGB) in Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2018-2022 bitte ich der folgenden Tabelle zu ent­nehmen:

 

Jahr Fälle
2018 70
2019 88
2020 161
2021 636
2022 683

 

  1. Welche weiteren Kenntnisse haben die Landesregierung oder die ihr nachgeord­neten Behörden über terrestrische Glücksspielangebote in NRW, die illegal sind oder sich – wie die sogenannten „Café-Casinos“ – in einer juristischen Grauzone befinden?

Aus glücksspielrechtlicher Sicht existiert keine rechtliche Grauzone hinsichtlich der Vermittlung bzw. Veranstaltung illegaler terrestrischer Glücksspiele, da der Tatbestand des unerlaubten Glücksspiels als sogenannte verwaltungsakzessorische Strafvorschrift erfüllt ist, sobald eine erforderliche behördliche Erlaubnis zum Betrieb eines Glücksspiels nicht vorliegt.

Erscheinungsformen illegalen terrestrischen Glücksspiels stellen insbesondere behördlich nicht genehmigte Karten- oder Würfelspiele sowie in Bezug auf Glückspielgeräte die Manipu­lation zugelassener Geldspielgewinngeräte, der Betrieb von gänzlich illegalen Spielgeräten und sogenannte Fun Games dar. Bei Letzteren handelt es sich um verbotene Geldspielgeräte, die zwar optisch zugelassenen Glücksspielautomaten ähneln, die aber keine Zulassung durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt erhalten und auch sonst nicht den rechtlichen Vor­gaben entsprechen. Mangels Bauartzulassung gibt es beispielsweise keinerlei Begrenzungen bei Spielzeiten, Gewinn und Verlust, so dass ein effektiver Spielerschutz nicht mehr gegeben ist und auf diese Weise die Spielsucht gefördert wird.

Als Veranstaltungsorte der vorgenannten Erscheinungsformen des unerlaubten Glücksspiels dienen vielfach illegal betriebene sogenannte Hinterzimmer-Casinos (z. B. in Gaststätten, Shisha-Bars, Kiosken, Kulturvereinen). Zunehmend werden auch kurzfristig eingerichtete und professionell betriebene sogenannte Pop-Up-Casinos festgestellt. Hierunter sind Lagerhallen oder andere als unverdächtig geltende Örtlichkeiten zu verstehen, in welchen für einen kurzen Zeitraum, oft nur für einen Abend, Spieltische oder Glücksspielgeräte aufgestellt und im Wei­teren durch einen eingeweihten Personenkreis genutzt werden. Ausweislich polizeilicher Er­kenntnisse werden an diesen Örtlichkeiten erhebliche Spielumsätze getätigt.

Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat dem Ministerium der Justiz am 12.03.2024 im We­sentlichen berichtet, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf in der dortigen OK-Schwerpunk­tabteilung ein Verfahren gegen den Betreiber eines Cafés in Solingen und andere Personen wegen der Veranstaltung beziehungsweise Teilnahme an einem illegalen Glücksspiel geführt habe, bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach mehrere Verfahren wegen des Vorwurfs der unerlaubten Veranstaltung eines mehrheitlich terrestrischen Glücksspiels anhängig seien und die Staatsanwaltschaft Duisburg regelmäßig im Zusammenhang mit nicht zugelassenen Geldspielgeräten, hierunter auch Fun-Games-Automaten, die in Spielhallen, Cafés, Bars, Ver­einsgaststätten und sonstigen Schankbetrieben aufgestellt würden, ermittele.

Im Übrigen haben die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf, Hamm und Köln dem Ministerium der Justiz am 12.03.2024 zu der Fragestellung Fehlanzeige erstattet sowie berichtet, dass die zur Beantwortung erforderlichen Erkenntnisse nicht mit vertretbarem Aufwand hätten gewon­nen werden können, weil dafür mangels gesonderter statistischer Erfassung eine händische Auswertung der Akten aller in Betracht kommender Verfahren erforderlich gewesen wäre.

  1. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer der in Frage 1 benannten Straftatbestände?

Dunkelfeldstudien zum Phänomenbereich des unerlaubten Glücksspiels liegen nicht vor, so­dass eine valide Aussage über die Höhe der Dunkelziffer nicht möglich ist. Da es sich bei den §§ 284, 285 und 287 StGB um opferlose Delikte handelt, haben die Beteiligten in der Regel kein Interesse an einer Anzeigenerstattung, so dass grundsätzlich von einem großen Dunkel­feld auszugehen ist. Steigende Fallzahlen im Hellfeld lassen sich auf höhere Kontrolldichten zurückführen und bedingen nicht notwendigerweise auch ein sich vergrößerndes Dunkelfeld.

  1. Wie schätzt die Landesregierung die Verwicklung der organisierten Kriminalität in diesen Bereich in NRW ein?

Ausweislich polizeilicher Erkenntnisse ist das terrestrische illegale Glücksspiel ein fest etab­liertes Deliktsfeld der Organisierten Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben. Denn aufgrund hoher Spiel- und Gewinnsummen sowie vielfältiger Manipulationsmöglichkeiten ist illegales Glücksspiel für die Veranstalter ein lukratives Geschäftsmodell mit hohen Gewinn­margen, guten Abschottungsmöglichkeiten und geringen Entdeckungsgefahren. Innerhalb ei­nes regional klar aufgeteilten und umkämpften Glücksspielmarkts reklamieren relevante Grup­pierungen der Organisierten Kriminalität zudem Gebietsansprüche für sich. Insofern handelt es sich bei dem Phänomen des illegalen Glücksspiels nicht selten auch um eine Ausprägung struktureller Kriminalität, in deren Kontext Konkurrenzen und Machtansprüche milieutypisch durchaus auch gewaltsam durchgesetzt werden.

Im Kontext des terrestrischen illegalen Glücksspiels führte die Polizei Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2012 bis 2022 insgesamt fünf Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität, in denen das legale Angebot von Glücksspiel als Fassade für dessen illegale Veranstaltung in Verbindung mit besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung genutzt wurde. Daten zur Lage der Organisierte Kriminalität für die Jahre 2023 und 2024 liegen noch nicht vor.

Dem Ministerium der Justiz liegen Erkenntnisse zu Fällen im Sinne der Fragestellung nicht vor und können in seinem Geschäftsbereich nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand erhoben werden. Verfahren wegen der erfragten Fälle werden in der Justiz nicht gesondert statistisch erfasst.

  1. Sieht die Landesregierung derzeit ein Vollzugsproblem beim Vorgehen gegen ille­gale Spielstätten und die dort aufgestellten Glücksspielautomaten?

Aktuell sind der Landesregierung keine Vollzugsprobleme bekannt. Die Behörden treffen im Rahmen hinreichender gesetzlicher Regelungen eigeninitiativ sowie aufgrund von Bürgerhin­weisen Maßnahmen gegen illegales Glücksspiel.

 

MMD18-8656

Beteiligte:
Andreas Keith