Intensivtäter in Nordrhein-Westfalen – Wie ist die Entwicklung?

vom 19.04.2024

Kleine Anfrage 3726

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Intensivtäter in Nordrhein-Westfalen Wie ist die Entwicklung?

Die Tötung der ukrainischen Basketballspieler in Oberhausen hat erneut offenbart, dass sich Nordrhein-Westfalen einem massiven Problem von Kinder- und Jugendkriminalität ausgesetzt sieht. Im Falle der getöteten Ukrainer soll der mutmaßliche Täter ein 15-Jähriger sein, der zudem als sogenannter Intensivtäter geführt ist und schon wegen anderer Straftaten polizeibekannt gewesen sein soll.1

Wie die Rheinische Post berichtete, seien Intensivtäter jährlich im Durchschnitt für mehr als ein Viertel aller Kinder- und Jugendstraftaten verantwortlich. So lagen die von dieser Gruppe begangenen Tagen im Jahre 2022 bei 27,6 Prozent. Die meisten Mehrfachstraftäter soll es einer Auswertung des NRW-Innenministeriums zufolge in Köln geben. „Demnach sind dort für das Jahr 2022 349 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 21 Jahren registriert, die mindestens fünf Straftaten in einem Jahr begangen haben. Es folgen die Städte Dortmund (244), Duisburg (204), Essen (176), Wuppertal (169), Düsseldorf (133), Mönchengladbach (118), Bochum (123), Münster (128) und Bonn (83). Insgesamt registrierte die NRW-Polizei im Jahr 2022 landesweit 1596 solcher Mehrfachstraftäter. Im Jahr davor waren 1442.“2

Um die ausufernde Kriminalität einzudämmen, setzen die Sicherheits- und Ordnungsbehörden in Nordrhein-Westfalen auf Prävention. Neben dem in Oberhausen eingerichteten „Haus des Jugendrechts“ gibt es die kriminalpräventive NRW-Initiative „Kurve kriegen“. Gleichzeitig macht Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, deutlich:

„Nicht alle gewaltbereiten Kinder und Jugendlichen könnten mit den Präventionsprogrammen bekehrt werden. Man sieht an den Intensivtätern, die für einen Großteil aller Jugendstraftaten verantwortlich sind, dass Jugendliche weiter schwere Straftaten begehen, weil sie nicht belangt werden können.“3

Denn immer wieder sind Täter jünger als 14 Jahre und somit nicht strafmündig. Deswegen ist Rettinghaus der Ansicht, dass die feste Altersgrenze nicht mehr zeitgemäß sei. Die Fälle müssten vielmehr individuell betrachtet werden. „Für schwerste Straftaten wie Mord, Totschlag und Sexualstraftaten muss bei Tätern unter 14 Jahren ein Gutachten erstellt und die Frage geklärt werden, ob dieses Kind schuldfähig ist. Der starre Rahmen der Altersbegrenzungen darf keine Rolle spielen“, so Rettinghaus.4

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele jugendliche Intensivtäter werden jeweils in den Kreisen und kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens geführt? (Bitte nach Alter und Geschlecht aufschlüsseln.)
  2. Welche Nationalität haben die in Frage 1 abgefragten Intensivtäter?
  3. Wie viele der unter Frage 1 abgefragten deutschen Intensivtäter weisen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit auf?
  4. In welchem Umfang wird von Seiten der Landesregierung darüber nachgedacht, auch strafunmündige Täter in das Intensivtäterkonzept aufzunehmen?
  5. Mit welchen Mitteln wird auf strafunmündige Täter – und besonders auf solche, die eigentlich Intensivtäter sind – eingewirkt?

Markus Wagner

 

MMD18-8993

 

1 Vgl. https://rp-online.de/nrw/panorama/in-diesen-10-nrw-staedten-wohnen-die-meisten-jugendlichen-intensivtaeter_aid-108722049.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3726 mit Schreiben vom 27. Mai 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

  1. Wie viele jugendliche Intensivtäter werden jeweils in den Kreisen und kreisfreien Städten Nordrhein-Westfalens geführt? (Bitte nach Alter und Geschlecht auf­schlüsseln.)

Die polizeiliche Befassung mit jugendlichen Intensivtäterinnen und Intensivtätern erfolgt in den Kreispolizeibehörden. Dort werden mit Stand vom 15. April 2024 insgesamt 495 Jugendliche als Intensivtäterin bzw. Intensivtäter in den örtlichen Mehrfach- und Intensivtäterkonzepten ge­führt. Deren jeweilige Anzahl, aufgeschlüsselt nach zuständiger Kreispolizeibehörde, bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:

Kreispolizeibehörde Anzahl Kreispolizeibehörde Anzahl
Aachen 18 Lippe 7
Bielefeld 15 Märkischer Kreis 0
Bochum 13 Mettmann 18
Bonn 11 Minden-Lübbecke 5
Borken 5 Mönchengladbach 14
Coesfeld 4 Münster 4
Dortmund 17 Oberbergischer Kreis 5
Duisburg 26 Oberhausen 12
Düren 4 Olpe 3
Düsseldorf 37 Paderborn 23
Ennepe-Ruhr-Kreis 0 Recklinghausen 4
Essen 64 Rhein-Erft-Kreis 2
Euskirchen 5 Rheinisch-Bergischer Kreis 6
Gelsenkirchen 7 Rhein-Kreis Neuss 7
Gütersloh 5 Rhein-Sieg-Kreis 8
Hagen 8 Siegen-Wittgenstein 6
Hamm 4 Soest 5
Heinsberg 8 Steinfurt 3
Herford 1 Unna 7
Hochsauerlandkreis 4 Viersen 9
Höxter 1 Warendorf 8
Kleve 5 Wesel 18
Köln 40 Wuppertal 13
Krefeld 6    

 

  1. Welche Nationalität haben die in Frage 1 abgefragten Intensivtäter?

Die Staatsangehörigkeiten der 495 jugendlichen Intensivtäterinnen und Intensivtäter bitte ich der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen:

Staatsangehörigkeit Anzahl Staatsangehörigkeit Anzahl
deutsch 326 nigerianisch 3
syrisch 38 slowenisch 3
rumänisch 13 somalisch 3
serbisch 10 albanisch 2
bulgarisch 8 aserbaidschanisch 2
irakisch 7 ägyptisch 2
polnisch 7 mazedonisch 2
afghanisch 6 montenegrinisch 2
algerisch 6 serbisch-montenegrinisch 2
bosnisch-

herzegowinisch

6 ungarisch 2
ungeklärt 6 beninisch 1
iranisch 5 eritreisch 1
türkisch 5 georgisch 1
marokkanisch 4 kroatisch 1
russisch 4 moldauisch 1
griechisch 3 mongolisch 1
kosovarisch 3 niederländisch 1
libanesisch 3 sudanesisch 1
litauisch 3 tschechisch 1

 

  1. Wie viele der unter Frage 1 abgefragten deutschen Intensivtäter weisen eine Mehrfachstaatsangehörigkeit auf?

Mit Stand vom 15. April 2024 besitzen 88 der deutschen jugendlichen Intensivtäterinnen und Intensivtäter eine Mehrfachstaatsangehörigkeit.

  1. In welchem Umfang wird von Seiten der Landesregierung darüber nachgedacht, auch strafunmündige Täter in das Intensivtäterkonzept aufzunehmen?

In der polizeilichen Befassung mit strafunmündigen Kindern können die Kreispolizeibehörden personenorientiert, auch im Rahmen der örtlichen Mehrfach- und Intensivtäterprogramme, präventive Maßnahmen mit dem Ziel treffen, Kriminalitätsgefährdung frühzeitig zu erkennen und die Verfestigung von Kriminalität zu verhindern. Dabei soll insbesondere auf intervenie­rende Maßnahmen originär zuständiger Behörden hingewirkt werden.

  1. Mit welchen Mitteln wird auf strafunmündige Täter und besonders auf solche, die eigentlich Intensivtäter sind eingewirkt?

Es ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, zum Schutz von Kindern und Jugendlichen den Risiken, die den Prozess des Aufwachsens und der Persönlichkeitsentwicklung gefährden können, präventiv zu begegnen. Die Kinder- und Jugendhilfe stellt die Unterstützung und För­derung junger Menschen in den Mittelpunkt. Sie bietet individuelle Hilfen, gerade auch für schwierige Situationen und besonders intensive pädagogische Bedarfe. Mit dem Kinder- und Jugendförderplan Nordrhein-Westfalen (KJFP) fördert das Land Maßnahmen und Angebote, die die Entwicklung junger Menschen zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zum Ziel haben.

Die aus Mitteln des KJFP institutionell geförderte Arbeitsgemeinschaft „Kinder und Jugend­schutz Nordrhein-Westfalen“ ist die Landesfach- und Servicestelle für den gesetzlichen und erzieherischen Kinder- und Jugendschutz. Sie bietet im Rahmen des Fachbereichs „Gewalt­prävention“ den Fachkräften von Jugendhilfe, Schulen, Polizei, Beratungsstellen etc. praxis­orientierte Fortbildungen an, u.a. zu den Themen Deeskalation, Mobbing/Cyber-Mobbing, Mädchengewalt, Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sowie Gewalt­prävention im Grundschulalter.

Seit dem Jahr 2011 ist in Nordrhein-Westfalen die kriminalpräventive Initiative „Kurve kriegen“ implementiert. Zielgruppe der Initiative sind Personen zwischen 8 und 18 Jahren, die bereits kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten sind und deren Lebensumstände derart risikobe­lastet sind, dass ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität droht. „Kurve kriegen“ verfolgt durch die Verbindung von polizeilicher sowie sozialer und pädagogischer Arbeit einen ganz­heitlichen Ansatz. Strafunmündige Kinder stehen hierbei besonders im Fokus und werden durch die pädagogischen Fachkräfte der Initiative intensiv begleitet.

 

MMD18-9351

Beteiligte:
Markus Wagner