Islamfeindliche Straftaten in NRW im ersten Halbjahr 2021

Kleine Anfrage
vom 30.06.2021

Kleine Anfrage 5648der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 30.06.2021

 

Islamfeindliche Straftaten in NRW im ersten Halbjahr 2021

Eine Anfrage zum Themenkomplex „Islamfeindliche Straftaten“ hat ergeben, dass es im Jahre 2020 im KPMD-PMK 186 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst wurden. Dabei wurden acht Personen verletzt.1

In 107 Fällen konnte kein Täter ermittelt werden. 98 dieser Fälle wurden der PMK-Rechts zugeordnet.

Das Ziel der Anfrage ist es, die weitere Entwicklung zu beleuchten, insbesondere auch die Einstufung der Fälle, bei denen kein Täter ermittelt werden konnte.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im ersten Halbjahr des Jahres 2021 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
  3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
  4. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr des Jahres 2021 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/12641


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5648 mit Schreiben vom 3. August 2021 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörig­keit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äuße­ren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres ge­sellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammen­hang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

  1. Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im ersten Halbjahr des Jahres 2021 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Delikts-gruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)

Im ersten Halbjahr 2021 wurden im KPMD-PMK in Nordrhein-Westfalen 40 Straftaten mit is-lamfeindlichem Hintergrund erfasst.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 ein­zeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht)

Im KPMD-PMK werden Tatorte und keine Festnahmeorte erfasst. Als Festnahme werden hier statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maßnahmen gemäß der §§ 127, 127b StPO erfasst (keine Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz NRW).

Im ersten Halbjahr 2021 konnten bei 13 Straftaten im Sachzusammenhang insgesamt 14 Tatverdächtige ermittelt werden. In keinem der Fälle kam es zu einer Festnahme.

Weitere Informationen bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)

Im ersten Halbjahr 2021 wurden zu dem Unterbegriff „islamfeindlich“ folgende Phänomenbe-reiche erfasst:

Phänomenbereich geklärt ungeklärt
PMK- rechts 7 22
PMK- nicht zuzuordnen 0 2
PMK- ausländische Ideologie 6 3
PMK- links 0 0
PMK- religiöse Ideologie 0 0
Gesamt 13 27

 

Als geklärt sind die Fälle anzusehen, bei denen ein oder mehrere Tatverdächtige ermittelt werden konnten.

  1. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straf­taten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einord­nung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermit­telt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)

Der Unterbegriff „Islamfeindlich“ beschreibt in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters die Motivlage.

Die Zuteilung eines Phänomenbereichs erfolgt gemäß den Richtlinien des KPMD-PMK auf­grund einer Einzelfallprüfung unter Beachtung der tatsächlichen Tatmotivation des Täters. Ist kein Täter ermittelt erfolgt die Zuordnung des Phänomenbereichs unter Würdigung der Um­stände der Tat, insbesondere danach, ob Anhaltspunkte vorliegen, welche die Zuordnung zu einem konkreten Phänomenbereich begründen und einen Kausalzusammenhang erkennen lassen.

Ist die Tatmotivation nicht hinreichend erkennbar, wird die Tat in den Phänomenbereich „Nicht Zuzuordnen“ eingeordnet.

Die Begründung der Zuordnung des Phänomenbereichs im jeweiligen Einzelfall kann inner­halb der für die Beantwortung Kleiner Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht mit einem vertretbaren Aufwand erhoben werden.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstel­lungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im ersten Halbjahr des Jahres 2021 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Im ersten Halbjahr 2021 wurden bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften in 102 Fäl­len Ermittlungsverfahren wegen islamfeindlicher Straftaten eingeleitet. Die Differenz zu den polizeilich eingeleiteten Ermittlungsverfahren erklärt sich durch ein anderes Erfassungssystem der Landesjustiz.

Im ersten Halbjahr 2021 kam es in Nordrhein-Westfalen in 12 Fällen zur Erhebung der öffent­lichen Klage bzw. Beantragung eines Strafbefehls wegen islamfeindlicher Straftaten, in 8 Fäl­len zu einer Verurteilung und in 82 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen. Grund für die Ein­stellung des Verfahrens war in 31 Fällen, dass ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

 

Antwort samt Anlage als PDF