Kleine Anfrage 6372des Abgeordneten Markus Wagner vom 31.01.2022
Islamfeindliche Straftaten in NRW im Jahr 2021
Eine Anfrage zum Themenkomplex „Islamfeindliche Straftaten“ hat ergeben, dass im Jahre 2020 im KPMD-PMK 186 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst wurden. Dabei wurden acht Personen verletzt.1
In 107 Fällen konnte kein Täter ermittelt werden. 98 dieser Fälle wurden der PMK-Rechts zugeordnet.
Das Ziel der Anfrage ist es, die weitere Entwicklung zu beleuchten, insbesondere auch die Einstufung der Fälle, bei denen kein Täter ermittelt werden konnte.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im Jahre 2021 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten? (bitte unterscheiden zwischen den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte und den Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte; bitte einzeln auflisten)
- Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/12641
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6372 mit Schreiben vom 1. März 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.
Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
- den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
- sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
- durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
- gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.
Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.
Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).
Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt (BKA) ist für das Jahr 2021 zwar abgeschlossen, die endgültige Bestätigung des Abschlusses seitens des BKA steht aber noch aus. Die nachfolgend angegebenen Fallzahlen sind trotzdem als vorläufige Zahlen zu betrachten, wenngleich Veränderungen nicht zu erwarten sind.
- Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im Jahre 2021 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
Im Jahr 2021 wurden im KPMD-PMK bislang 110 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst. Zwei Personen wurden durch islamfeindliche Straftaten verletzt.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.
- Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
Im KPMD-PMK werden Tatorte und keine Festnahmeorte erfasst. Als Festnahme werden hier statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maßnahmen gemäß §§ 127, 127b StPO erfasst (keine Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz NRW).
Im Jahr 2021 wurden bislang 54 Tatverdächtige in 46 Fällen islamfeindlicher Straftaten ermittelt.
Es wurde kein Tatverdächtiger festgenommen.
Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.
- In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten? (bitte unterscheiden zwischen den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte und den Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte; bitte einzeln auflisten)
In den 46 Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:
· | PMK-Rechts: | 37 Straftaten |
· | PMK-Religiöse Ideologie: | 7 Straftat |
· | PMK-Nicht zuzuordnen: | 1 Straftat |
· | PMK-Ausländische Ideologie: | 1 Straftat. |
In den Fällen in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:
· | PMK-Rechts: | 53 Straftaten |
· | PMK-Nicht zuzuordnen: | 7 Straftaten |
· | PMK-Religiöse Ideologie: | 3 Straftaten |
- PMK-Ausländische Ideologie: 1 Straftat.
- Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
Die Zuordnung jeder einzelnen Straftat zum Unterbegriff „islamfeindlich“ erfolgt, wenn für die Sachbearbeiterin/den Sachbearbeiter nach Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen des ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen muslimischen Glaubens gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht oder sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Ist die Tatmotivation nicht hinreichend erkennbar, wird die Tat dem Phänomenbereich PMK-Nicht zuzuordnen zugeteilt.
- Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen oder Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahr 2021 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?
Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Im Jahr 2021 kam es bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften – den Berichten der Generalstaatsanwältin und der Generalstaatsanwälte des Landes zufolge – in 195 Fällen wegen islamfeindlicher Straftaten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren, in 35 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift bzw. Beantragung eines Strafbefehls und in 161 Fällen zur Einstellung der Ermittlungen. Grund für die Einstellung des Verfahrens war in 65 Fällen, dass ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte. In 20 Fällen erfolgte eine Verurteilung.
Die Differenz zu den polizeilich eingeleiteten Ermittlungsverfahren erklärt sich durch ein anderes Erfassungssystem der Landesjustiz.