Islamfeindliche Straftaten in NRW im Jahre 2020

Kleine Anfrage
vom 12.01.2021

Kleine Anfrage 4814der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Markus Wagner vom 12.01.2021

 

Islamfeindliche Straftaten in NRW im Jahre 2020

Eine Anfrage zum Themenkomplex „Islamfeindliche Straftaten“ hat ergeben, dass es im Jahre 2018 insgesamt 156 Straftaten in diesem Bereich gegeben hat, davon 14 Gewaltdelikte.1 Auffallend war in diesem Zusammenhang – wie bereits bei vorherigen ähnlichen Anfragen – die überwiegende Einstufung der Straftaten in den Bereich der PMK-rechts (141 Fälle). Laut Antwort der Landesregierung auf Frage 5 der Kleinen Anfrage 17/5340 kam es im zweiten Halbjahr 2018 nämlich nur in zehn Fällen zur Erhebung einer Klage und dabei letztendlich zu drei Verurteilungen. In 28 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

Im Berichtsjahr 2019 waren sowohl die Aufklärungsrate als auch die Anzahl der Verurteilungen ähnlich gering.2 So wurden insgesamt 174 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst. In 108 dieser Fälle konnte kein Tatverdächtiger ermittelt werden. 98 dieser 108 Straftaten wurden trotzdem dem Phänomenbereich PMK-Rechts zugeordnet. Bei 188 eingeleiteten Ermittlungsverfahren kam es im Jahre 2019 in 18 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage bzw. Beantragung eines Strafbefehls, in acht Fällen zu einer Verurteilung und in 120 Fällen zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens.

Die Frage nach der Grundlage für die eindeutige Einstufung einer Handlung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich PMK-Rechts unter Ausschluss aller anderen möglichen und denkbaren Motive, vor allem speziell dann, wenn überhaupt kein Täter ermittelt werden konnte, wurde im Rahmen der Kleinen Anfrage 3319 von der Landesregierung nicht beantwortet. Deshalb stellen wir diese Frage erneut.

Ziel der Anfrage für das Berichtsjahr 2020 ist es u.a. auch, diese immer noch bestehenden Unklarheiten bei der statistischen Erfassung näher zu beleuchten bzw. aufzuklären.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im Jahre 2020 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)
  2. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)
  3. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte, sowie in Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)
  4. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive, wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)
  5. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2020 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/5340

2 Vgl. Lt.-Drucksache 17/8674


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4814 mit Schreiben vom 15. Februar 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten;
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben;
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden;
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt ist für das Jahr 2020 noch nicht abgeschlossen. Der Abschluss erfolgt grundsätzlich jährlich zum Ende des Monats Februar. Demnach kann es noch zu geringfügigen Abweichungen kommen, weshalb die nachfolgend angegebenen Fallzahlen für das Jahr 2020 als vorläufige Zahlen zu betrachten sind.

  1. Wie viele Straftaten mit eindeutig islamfeindlichem Hintergrund wurden im Jahr 2020 in Nordrhein-Westfalen verübt? (Bitte nach Ort, Deliktsgruppen und Anzahl der verletzten Personen auflisten)

Im Jahr 2020 wurden im KPMD-PMK 186 Straftaten mit islamfeindlichem Hintergrund erfasst. Acht Personen wurden durch islamfeindliche Straftaten verletzt.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. Bei wie vielen der unter Frage 1 erfragten Straftaten konnte ein Täter ermittelt bzw. festgenommen werden? (Bitte analog zur Antwort auf die Frage 3319 einzeln nach Straftatbestand, Nationalität, Alter und Geschlecht auflisten)

Im KPMD-PMK werden Tatorte und keine Festnahmeorte erfasst. Als Festnahme werden hier statistisch alle bekanntgewordenen polizeilichen Maßnahmen gemäß §§ 127, 127b StPO erfasst (keine Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz NRW).

Im Jahr 2020 wurden 88 Tatverdächtige in 79 Fällen islamfeindlicher Straftaten ermittelt.

Es wurde kein Tatverdächtiger festgenommen.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage zu entnehmen.

  1. In welche Phänomenbereiche der politisch motivierten Kriminalität fallen die unter Frage 1 erfragten Straftaten in den Fällen, in denen ein Täter ermittelt werden konnte sowie in den Fällen, in denen kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln auflisten)

In den 79 Fällen, in denen ein Tatverdächtiger ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:

 

PMK-Rechts: 75 Straftaten
PMK-Nicht zuzuordnen: 1 Straftat
PMK-Religiöse Ideologie: 1 Straftat
PMK-Ausländische Ideologie: 2 Straftaten.

 

In den Fällen in denen kein Tatverdächtigter ermittelt werden konnte, wurden die Straftaten in den folgenden Phänomenbereichen erfasst:

  • PMK-Rechts: 98 Straftaten
  • PMK-Nicht zuzuordnen: 7 Straftaten
  • PMK-Ausländische Ideologie: 2 Straftaten.
  1. Durch welchen Sachverhalt begründet sich bei den unter Frage 1 erfragten Straftaten die eindeutige Einstufung als „islamfeindliche Straftat“ und deren Einordnung in den Phänomenbereich der PMK-Rechts – unter Ausschluss aller anderen möglichen Tatmotive wenn kein Tatverdächtiger und somit auch kein Täter ermittelt werden konnte? (Bitte einzeln begründen, auf Grund welcher Erkenntnisse und Belege man in diesen Fällen zu dieser Einstufung kam)

Die Zuordnung jeder einzelnen Straftat zum Unterbegriff „islamfeindlich“ erfolgt, wenn für die Sachbearbeiterin/den Sachbearbeiter nach Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen des ihr zugeschriebenen oder tatsächlichen muslimischen Glaubens gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht oder sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

  1. Wie viele eingeleitete Ermittlungsverfahren, Anklagen, Verurteilungen und Einstellungen von Ermittlungen bzw. von Verfahren (bitte jeweils mit Begründung) gab es im Jahre 2020 im Zusammenhang mit islamfeindlichen Straftaten?

Durch die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in allen in der Antwort zu Frage 1 aufgezählten Straftaten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Wegen islamfeindlicher Straftaten kam es im Jahr 2020 bei nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften in 266 Fällen zur Einleitung von Ermittlungsverfahren, in 35 Fällen zur Erhebung der öffentlichen Klage bzw. Beantragung eines Strafbefehls, in zwölf Fällen zu einer Verurteilung und in 177 Fällen zur Einstellung von Ermittlungsverfahren. Grund für die Einstellung war in 79 Fällen, dass ein Tatverdächtiger nicht ermittelt werden konnte.

Die Differenz zu den polizeilich eingeleiteten Ermittlungsverfahren erklärt sich durch ein anderes Erfassungssystem der Landesjustiz.

 

Antwort samt Anlagen als PDF