Kleine Anfrage 2047des Abgeordneten Helmut Seifen vom 22.01.2019
Islamische Religionslehrer bald ein Fall für den Verfassungsschutz?
Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt. Der Artikel 2 des 7. Schulrechtsänderungsgesetzes vom 22. Dezember 2011 sieht bei der Einführung des islamischen Religionsunterrichts (IRU) als ordentliches Unterrichtsfach die wissenschaftliche Begleitung vor. Herr Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan hat hierzu einen Abschlussbericht der Universität Duisburg-Essen als wissenschaftliche Begleitung des IRU vorgelegt.
Der Abschlussbericht liefert trotz der geringen Fallzahl (N) eine quantitative Auswertung für die Gruppe der islamischen Religionslehrer. In der ersten Befragung beläuft sich die Zahl der befragten Lehrer auf sieben.1 Die Hälfte der befragten Lehrer ist in der Türkei geboren.2 Weiter heißt es in dem Abschlussbericht, dass 29 Prozent der Lehrkräfte Mitglied in einem islamischen Verband/ Verein seien.3 Diese erste Befragung bezog sich auf das Schuljahr 2014/2015.
Im Schuljahr 2017/2018 wurde der IRU in 234 nordrhein-westfälischen Schulen erteilt. Über die staatliche Unterrichtserlaubnis und die vom Beirat für den IRU ausgehende Bevollmächtigung zur Erteilung des Unterrichts (Idschaza) verfügen im Schuljahr 2017/2018 241 Lehrkräfte. Die Tendenz ist aufgrund der geschaffenen universitären Infrastruktur steigend.
Der Verfassungsschutz (BfV) prüft zurzeit Medienberichten zufolge eine Beobachtung der Zentrale der Türkisch-Islamischen Union Ditib. Dabei wird eine kontroverse Debatte darüber erwartet, ob Ditib als Verdachtsfall oder sogar als Beobachtungsobjekt eingestuft werden sollte.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Nach welchen Kriterien hat das Schulministerium stellvertretend für die Landesregierung Herrn Prof. Uslucan auserwählt?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die Verträglichkeit der Vorwürfe des Autors, es gebe „anwachsenden antimuslimischen Rassismus“ (S. 3) mit dem Distanzgebot eines Gutachters?
3. Wie schätzt die Landesregierung die Validität, Reliabilität und Objektivität des Gutachtens ein?
4. Plant die Landesregierung Maßnahmen zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit von islamischem Unterricht?
5. Wie viele islamische Religionslehrer sind Mitglied bei einem islamischen Verband/ Verein? (Gebeten wird um Benennung des Verbands/ Vereins.)
Helmut Seifen
1 Abschlussbericht IRU 2018 von Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, S. 59.
2 s. Fußnote 1.
3 ebd. S. 60.
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 19.03.2019
Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2047 mit Schreiben vom 19. März 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister des Innern beantwortet.
1. Nach welchen Kriterien hat das Schulministerium stellvertretend für die Landesregierung Herrn Prof. Uslucan auserwählt?
Das Vergabeverfahren zur wissenschaftlichen Begleitung des islamischen Religionsunterrichts wurde am 14.01.2014 als öffentliche Ausschreibung im Vergabeportal des Landes NRW eingeleitet und veröffentlicht. Bis zum Ablauf der Angebotsfrist am 28.02.2014 waren drei Angebote eingegangen. Der Zuschlag erfolgte am 31.03.2014 auf das wirtschaftlichste Angebot. Den Zuschlag hat jedoch nicht Herr Prof. Dr. Uslucan persönlich, sondern die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, Essen, erhalten.
2. Wie beurteilt die Landesregierung die Verträglichkeit der Vorwürfe des Autors, es gebe „anwachsenden antimuslimischen Rassismus“ (S. 3) mit dem Distanzgebot eines Gutachters?
Dem Autor steht es im Kontext seiner wissenschaftlichen Freiheit zu, Prozesse wissenschaftlich zu analysieren und zu definieren. Dadurch ist seine Distanz nicht gestört. Die Landesregierung wird und darf gesetzlich die akademische Freiheit des Autors nicht antasten.
Im Übrigen teilt die Landesregierung die Sorge, dass europaweit antimuslimische und antisemitische Tendenzen anwachsen. Deshalb fördert die Landesregierung diverse Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und Bekämpfung von rassistischen, demokratiefeindlichen und menschenverachtenden politischen Ideologien.
3. Wie schätzt die Landesregierung die Validität, Reliabilität und Objektivität des Gutachtens ein?
Das Gutachten ist dem Landtag am 29.08.2018 zugeleitet (Vorlage 17/1035) und am 26.09.2018 im Ausschuss für Schule und Bildung vorgestellt worden (s. Ausschussprotokoll APr 17/379). Es hat große Zustimmung erhalten.
Die Ausschreibungskriterien der wissenschaftlichen Begleitung des islamischen Religionsunterrichts, die selbstverständlich auch die in der Frage beschriebenen grundsätzlichen Anforderungen an alle wissenschaftlichen Gutachten umfassen, sind uneingeschränkt erfüllt.
4. Plant die Landesregierung Maßnahmen zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit von islamischem Unterricht?
§132a SchulG regelt die Einführung und Durchführung des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen. Das Gesetz ist am 21.12.2011 vom Landtag NRW verabschiedet worden. Bei der Expertenanhörung zum Gesetzentwurf haben die eingeladenen Expertinnen und Experten für Staatskirchenrecht die Verfassungskonformität des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen als Übergangsmodell unterstrichen.
Auch die Fortführung des islamischen Religionsunterrichts nach dem Auslaufen des § 132a SchulG wird verfassungskonform gesichert.
5. Wie viele islamische Religionslehrer sind Mitglied bei einem islamischen Verband/ Verein? (Gebeten wird um Benennung des Verbands/ Vereins.)
Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht sind angestellte oder verbeamtete Lehrkräfte des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie unterrichten nach Vorgaben und unter Aufsicht der Schulaufsicht. Es ist ihr demokratisches Recht, Mitglied in einer politischen, gesellschaftlichen oder religiösen Vereinigung zu sein. Hierzu darf und wird die Landesregierung keine Erhebungen vornehmen oder Statistiken halten.
Im Übrigen ist es im Kontext der Vergabe der religiösen Lehrerlaubnis mitunter üblich, dass Kirchen und andere Religionsgemeinschaften die Mitgliedschaft der Lehrkraft in der jeweiligen Religionsgemeinschaft wünschen. Über die genauen Kriterien entscheidet die jeweilige Religionsgemeinschaft. Im Falle des islamischen Religionsunterrichts gibt es keine Verpflichtung der Lehrkräfte zur Mitgliedschaft in einer religiösen Organisation zur Erlangung der religiösen Lehrerlaubnis.