Ist der „Erlass zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern“ vom 25.03.2019 wirkungslos verpufft?

Kleine Anfrage
vom 18.02.2020

Kleine Anfrage 3419der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky vom 18.02.2020

 

Ist der „Erlass zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern“ vom 25.03.2019 wirkungslos verpufft?

Wie eine Anfrage im Rat der Stadt Bochum vom 22.01.20201 ergeben hat, ist der Erlass des MKFFI zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern vom 25.03.20192 in Bochum bis zum Stichtag 31.10.2019 lediglich in 4 Fällen zur Anwendung gekommen. Begründet wird die geringe Anzahl damit, dass es überwiegend an den geforderten besonderen Integrationsleistungen fehlte. Zum Stichtag 01.12.2019 lebten in Bochum 1.072 Menschen mit einer Duldung.

Begründet wurde der NRW-Erlass seinerzeit damit, dass die Bleiberechtsregelung des § 25b AufenthG bisher nicht den gewünschten Effekt hatte. Bei der Aufenthaltsgewährung gemäß AufenthG § 25b handelt sich um eine Soll-Vorschrift. Zur Zielgruppe zählen Geduldete nach § 60a AufenthG.

Nachhaltige Integrationsleistungen, die trotz des fehlenden rechtmäßigen Aufenthalts von einem Geduldeten erbracht werden, sollen durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gewürdigt werden. Die rechtlich unverbindlichen Anwendungshinweise des Bundes wurden teilweise übernommen bzw. ergänzt und modifiziert. Für Ausländerbehörden in NRW gelten seit dem 25.03.2019 nur noch die NRW-Anwendungsbestimmungen.

Änderungen gab es u.a. bei den anrechenbaren Voraufenthaltszeiten, bei der formalen Anerkennung der FDGO, bei den erforderlichen Grundkenntnissen der Rechts- und Gesellschaftsordnung (Der Nachweis ist auch möglich durch ein Gespräch bei der Ausländerbehörde auf Grundlage des Sprachniveaus A2.), bei der minimalen Einkommenshöhe, beim Deutschtest sowie bei der Identitätsfeststellung.

Das Mindesteinkommen liegt bei 51% der Regelsätze des SGB II plus Miete (2019 Alleinstehende: 424 Euro, Paare: je 382 Euro). Selbst dieser geringe Wert kann noch unterschritten werden bei Studenten/Azubis, Familien/Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern oder Ausländern mit pflegebedürftigen Angehörigen.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen ist der „Erlass zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern“ vom 25.03.2019 im Zeitraum bis zum 31.12.2019 in Nordrhein-Westfalen zur Anwendung gekommen? (Bitte nach Anzahl, Nationalität und Stadt bzw. Gemeinde aufschlüsseln)

2. In wie vielen Fällen ist der § 25b des Aufenthaltsgesetzes im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (25.03.2018 – 31.12.2018), mit den Anwendungshinweisen des Bundes, zur Anwendung gekommen? (Bitte nach Anzahl, Nationalität und Stadt bzw. Gemeinde aufschlüsseln)

3. Wie beurteilt die Landesregierung (sollten sich die Zahlen aus Bochum in ähnlichem Umfang generell bestätigen) die geringe Anwendungsquote des § 25b AufenthG, trotz der Erleichterungen nach dem NRW-Erlass vom 25.03.2019?

4. Wie beurteilt die Landesregierung die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt für Menschen, die selbst diese relativ niedrigen Hürden nicht bewältigen können?

5. Hält die Landesregierung das geforderte Sprach- und Einkommensniveau gemäß ihrer Definition von „gut integrierten Menschen“ bzw. von „nachhaltiger Integration“ dauerhaft für ausreichend oder ist in diesem Zusammenhang mittelfristig eine Anpassung nach oben vorgesehen?

Gabriele Walger-Demolsky

 

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1 Vgl. Rat der Stadt Bochum, Antwort der Verwaltung, Vorlage Nr. 20193903, 22.01.2020

2 Vgl. https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-1879.pdf


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 24.03.2020

 

Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 3419 mit Schreiben vom 24. März 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

1. In wie vielen Fällen ist der „Erlass zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Ausländern“ vom 25.03.2019 in Nordrhein-Westfalen zur Anwendung gekommen? (Bitte nach Anzahl, Nationalität und Stadt bzw. Gemeinde aufschlüsseln)

Die bundesgesetzliche Vorschrift des § 25b Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ermöglicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen Ausländer, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Zu der Norm veröffentlichte das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration am 25. März 2019 Anwendungshinweise. Nach deren Inkrafttreten konnte bis zum 31. Oktober 2019 in rd. 400 Fällen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG erteilt werden. Da vor Inkrafttreten des Erlasses (Stichtag 28.02.2019) laut Ausländerzentralregister in Nordrhein-Westfalen 660 Personen einen Aufenthaltstitel nach § 25b Abs. 1 AufenthG inne hatten, bedeutet dies einen Anstieg um mehr als 50 % innerhalb von 8 Monaten. Außerdem befinden sich in dem betrachteten Zeitraum fast 700 Anträge in Bearbeitung. Dies zeigt einen ersten positiven Trend, den es weiter zu verstetigen gilt, um gut integrierten ausländischen Personen eine Bleibeperspektive zu ermöglichen.

Weitergehende kommunalscharfe Daten zu der Anwendungspraxis von § 25b AufenthG liegen nicht vor.

2. In wie vielen Fällen ist der § 25b des Aufenthaltsgesetzes im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (25.03.2018 – 31.12.2018), mit den Anwendungshinweisen des Bundes, zur Anwendung gekommen? (Bitte nach Anzahl, Nationalität und Stadt bzw. Gemeinde aufschlüsseln)

Über die Anzahl der Fälle, in denen die Regelung des § 25b AufenthG in dem in der Frage genannten Zeitraum zur Anwendung gekommen ist, liegen der Landesregierung keine Daten vor. Insbesondere lassen sich diese Daten auch nicht aus dem Ausländerzentralregister (AZR) entnehmen, da dort nur stichtagsbezogene Daten pro Monat abgerufen werden können.

3. Wie beurteilt die Landesregierung (sollten sich die Zahlen aus Bochum in ähnlichem Umfang generell bestätigen) die geringe Anwendungsquote des § 25b AufenthG, trotz der Erleichterungen nach dem NRW-Erlass vom 25.03.2019?

Der bei der Rechtsanwendung zu beachtende Rahmen wird durch Bundesrecht vorgegeben. Die Anwendungshinweise des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration vom 25. März 2019 (Az.: 513-39.08-01-17-324) nutzen die im bundesgesetzlichen Rahmen möglichen Spielräume und sollen eine einheitliche Anwendung von § 25b AufenthG in Nordrhein-Westfalen ermöglichen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

4. Wie beurteilt die Landesregierung die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt für Menschen, die selbst diese relativ niedrigen Hürden nicht bewältigen können?

Die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 25b Aufenthaltsgesetzes bzw. des Erlasses „Anwendungshinweise zu § 25b Aufenthaltsgesetz“, die kumulativ vorliegen müssen, lässt für sich genommen keine Rückschlüsse über die Arbeitsmarktperspektiven zu.

Wenngleich die Integration in Ausbildung und Arbeit beispielsweise für Personen mit geringeren Sprachkenntnissen schwieriger ist als für Personen mit guten Sprachkenntnissen, ist für die Arbeitsmarktperspektive die individuelle Situation der Menschen entscheidend.

5. Hält die Landesregierung das geforderte Sprach- und Einkommensniveau gemäß ihrer Definition von „gut integrierten Menschen“ bzw. von „nachhaltiger Integration“ dauerhaft für ausreichend oder ist in diesem Zusammenhang mittelfristig eine Anpassung nach oben vorgesehen?

Die Landesregierung hat stets deutlich gemacht, dass der Erlass bei Bedarf fortentwickelt werden soll. Vor diesem Hintergrund hat sie auch eine Evaluierung des Erlasses durchgeführt. Die sich hieraus ergebenden Erkenntnisse werden im Rahmen einer geplanten Aktualisierung der Anwendungshinweise zu § 25b AufenthG berücksichtigt werden. Spekulationen zu theoretisch möglichen Anpassungen einzelner Erlassregelungen hält die Landesregierung weder für sinnvoll noch geboten. Bis auf Weiteres gelten die Anwendungshinweise vom 25. März 2019.

 

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