Ist die Artenvielfalt heimischer Nutztierrassen in NRW vom Aussterben bedroht?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 906
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 19.12.2022

Ist die Artenvielfalt heimischer Nutztierrassen in NRW vom Aussterben bedroht?

Heimische Nutztierrassen bedeuten Identität und Biodiversität. Gab es vor 100 Jahren noch zahlreiche verschiedene Nutztierrassen in den verschiedenen Regionen Deutschlands und NRWs, machen heute beispielsweise bei den Rindern 4 Rassen rund 97 % des Gesamtbestandes aus. Dagegen stehen alte einheimische Rassen wie Glanrinder und Murnau-Weldenfelser mit jeweils unter 1.000 Kühen und Bullen auf der Roten Liste.

Auch wenn die Landesregierung sich Biodiversität und Artenerhalt auf die Agenda gesetzt hat, scheint der Aspekt der heimischen Artenvielfalt hier unterzugehen. Auf der Seite des Umweltministeriums werden im Rahmen von Programmen wie Natura 2000, ELER oder FöNa in erster Linie Naturschutzgebiete und die „Nachhaltige Agrarindustrie“ in Milliardenhöhe gefördert, während der Artenschutz heimischer Nutztierrassen nur in Millionenhöhe gefördert wird.

Diese Prioritäten werden auch in der aktuellen roten Liste reflektiert. Während die Landesregierung die bestehenden 6,9 % Öko-Landbaufläche in NRW bis 2030 auf 20 % erweitern möchte, befinden sich mittlerweile 56 der 80 einheimischen Nutztierrassen auf der roten Liste, satte 70 %. Der ab 2023 gültige GLÖZ-Standard sieht beispielsweise keine Regelungen für den Erhalt oder die besondere Förderung der Haltung heimischer Nutztierrassen vor, sondern befasst sich stattdessen ausschließlich mit flächenbasierten Verteilungsschlüsseln für Pauschalzuwendungen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Für wie viele GVE bedrohter heimischer Nutztierrassen wurden 2021 im Rahmen der Förderprogramme Fördermittel ausgezahlt?
  2. Wie hat sich die Gesamtpopulation vom Aussterben bedrohter heimischer Nutztierrassen seit 1990/2010 quantitativ/in Summe in NRW entwickelt?
  3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in den letzten 10 Jahren ergriffen, um die Artenvielfalt heimischer Nutztierrassen zu gewährleisten?
  4. Wie hoch war die jährliche Summe aller Aufwendungen inklusive Personalkosten aus dem Landeshaushalt zum Thema Artenschutz heimischer Nutztierrassen seit 2010? (Hier bitte ich um eine Darstellung in Jahresscheiben)

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 906 mit Schreiben vom 17. Januar 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Mi­nister der Finanzen beantwortet.

  1. Für wie viele GVE bedrohter heimischer Nutztierrassen wurden 2021 im Rahmen der Förderprogramme Fördermittel ausgezahlt?

Es wurden im Jahr 2021 im Rahmen der Förderung der Zucht und Haltung bedrohter Haus­und Nutztierrassen Fördermittel für 5.825 GVE ausgezahlt.

  1. Wie hat sich die Gesamtpopulation vom Aussterben bedrohter heimischer Nutz-tierrassen seit 1990/2010 quantitativ/in Summe in NRW entwickelt?

Alte Haus- und Nutztierrassen haben meist ein geografisches Verbreitungsgebiet, in dem sie gut an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sind. Dazu gehören auch Regionen, in die sie verbracht worden sind. Dies bedingt, dass sich die Populationen über mehrere Bundesländer verteilen. Es ist daher nicht sachgemäß, den Erhaltungsstatus von Nutztierpopulationen be­grenzt auf einzelne Bundesländer zu betrachten. Daher agieren auch die Zuchtorganisationen bundeslandübergreifend. Effektive Populationsgrößen können daher nur länderübergreifend bestimmt werden.

Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erhebt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung jährlich die Populationszahlen der bedrohten Haus- Nutztierrassen. Diese wer­den auf der Internetseite „Zentrale Dokumentation Tiergenetischer Ressourcen in Deutschland (TGRDEU)“ unter h t t p s :/ / t g r d e u . g e n re s . de/ veröffentlicht. Eine separate Statistik hierzu existiert in Nordrhein-Westfalen nicht.

  1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in den letzten 10 Jahren ergriffen, um die Artenvielfalt heimischer Nutztierrassen zu gewährleisten?

Für die Beantwortung wird davon ausgegangen, dass nach Maßnahmen bzgl. der Rasseviel-falt einheimischer Nutztierarten gefragt wird. Die Art ist das übergeordnete Taxon, dem der tierzüchterische Begriff der Nutztierrasse untergeordnet ist.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen bietet eine Förderung der bedrohten Haus- und Nutztiere an. Alle bedrohten Haus- und Nutztierrassen, denen auf der TGRDEU ein Bedro­hungsstatus zugeordnet ist, werden in Nordrhein-Westfalen gefördert. Damit fördert die Lan­desregierung Nordrhein-Westfalen erheblich umfassender als viele andere Bundesländer, in denen nur ausgewählte Rassen gefördert werden. So wird berücksichtigt, dass die Verbrei­tungsgebiete von heimischen Nutztierpopulationen nicht durch Landesgrenzen beschränkt sind.

Nordrhein-Westfalen beteiligt sich ferner an der Deutschen Genbank landwirtschaftlicher Nutz­tiere.

  1. Wie hoch war die jährliche Summe aller Aufwendungen inklusive Personalkosten aus dem Landeshaushalt zum Thema Artenschutz heimischer Nutztierrassen seit 2010? (Hier bitte ich um eine Darstellung in Jahresscheiben)

Die nachfolgende Tabelle enthält die jährlich ausgezahlten Fördermittel (incl. Anteil EU-Mittel) zur Förderung der Zucht und Haltung bedrohter Haus- und Nutztierrassen.

Jahr Ausgaben
in Euro
2010 233.622,33
2011 242.926,16
2012 246.841,71
2013 233.253,92
2014 229.005,34
2015 16.892,63
2016 809.070,50
2017 1.040.516,20
2018 1.038.699,60
2019 1.138.932,10
2020 1.197.497,30
2021 1.163.622,04
2022 1.206.465,39

 

Die Höhe der jeweiligen Personalkosten in den einzelnen Jahren konnte kurzfristig nicht er­mittelt werden.

 

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