Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner umgebracht – Wie sehen die Zahlen für NRW aus?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 955
des Abgeordneten Markus Wagner vom 05.01.2022

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner umgebracht Wie sehen die Zahlen für NRW aus?

G., 28 Jahre alt. Mit 41 Messerstichen ermordet.

S., 30 Jahre alt. Mit einem Messer erstochen.

C., 35 Jahre alt. Mit 13 Messerstichen ermordet.

T., 57 Jahre alt. Mit 18 Messerstichen ermordet. Mädchen, 17 Jahre alt. Vergewaltigt und erwürgt.

All diese Frauen haben sich zu Lebzeiten nicht gekannt und dennoch verbindet sie eine Gemeinsamkeit: Sie wurden entweder von ihrem Ehemann, Lebenspartner oder Freund brutal ermordet. Diese Morde reihen sich somit in die traurige Statistik von Fällen von Gewalt in der Partnerschaften ein, die jedes Jahr bundesweit erhoben wird und seit 2017 kontinuierlich ansteigt. Im zurückliegenden Jahr 2021 starben insgesamt 113 Frauen durch Gewalt in der Partnerschaft. Dabei geht es in der Regel immer entweder um sogenannte „Ehrenmorde“, „Beziehungstaten“ oder „Eifersuchtsdramen“.1

Statistisch gesehen wird fast jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland in einer Partnerschaft getötet. Das Bundeskriminalamt zählt für das Jahr 2021 im Hellfeld insgesamt 143.604 Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. Dabei liegt der Anteil der Frauen bei über 80 Prozent. In knapp 40 Prozent der Fälle sind ehemalige Partner, in 30,8 Prozent der Ehepartner und in 29,4 Prozent Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Täter. Knapp 80 Prozent der Tatverdächtigen sind zudem männlich und sie töten in 0,3 Prozent der Fälle.2

Auffällig ist, dass 113 im letzten Jahr getöteten Frauen lediglich 14 getötete Männer gegenüberstehen. Dabei ist das Motiv in fast allen Fällen gleich. Fast immer können Männer eine Trennung oder eine Zurückweisung nicht verwinden und töten. Eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass die Täter häufiger Zuwanderer sind. Darüber hinaus sind bei allen Gewaltverbrechen und Sexualverbrechen Zuwanderer klar überrepräsentiert.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Frauen und Männer wurden seit 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen von ihrem Ehepartner, ehemaligen Partner oder Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft getötet (sogenannte Beziehungstaten)? (Bitte nach Jahr und Geschlecht aufschlüsseln.)
  2. Welche Erkenntnisse liegen hinsichtlich der mutmaßlichen Täter vor, die für die in Frage 1 abgefragten Tötungsdelikte verantwortlich sind? (Bitte nach Geschlecht und Alter aufschlüsseln sowie Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  3. Wie viele Straftaten (sogenannte Beziehungstaten) hat es von 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen gegeben, bei denen der Ehepartner, ehemalige Partner oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Täter war? (Bitte nach Jahr und Geschlecht aufschlüsseln.)
  4. Wann will die Landesregierung Dunkelfeldstudien für die Täter-Opfer-Relation „Frau versus Mann“ in Auftrag geben?
  5. Gibt es validierte Studienergebnisse zur Veränderung (womöglich der Steigerung) des Anzeigeverhaltens von sogenannten Beziehungstaten von 2000 bis heute?

Markus Wagner

 

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1 Vgl. h t t p s : / /w w w . b il d .d e / bi l d – pl u s /n e w s/ i n la n d/ n e ws-inland/jeden-dritten-tag-wird-in-deutschland-eine-frau-von-ihrem-partner-umgebracht-fem-82223152.bild.html.

2 Ebenda.

3 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 955 mit Schreiben vom 8. Februar 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration sowie dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie viele Frauen und Männer wurden seit 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen von ihrem Ehepartner, ehemaligen Partner oder Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft getötet (sogenannte Beziehungstaten)? (Bitte nach Jahr und Geschlecht aufschlüsseln.)
  2. Welche Erkenntnisse liegen hinsichtlich der mutmaßlichen Täter vor, die für die in Frage 1 abgefragten Tötungsdelikte verantwortlich sind? (Bitte nach Ge­schlecht und Alter aufschlüsseln sowie Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftat­bestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Er­kenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  3. Wie viele Straftaten (sogenannte Beziehungstaten) hat es von 2015 bis heute in Nordrhein-Westfalen gegeben, bei denen der Ehepartner, ehemalige Partner oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Täter war? (Bitte nach Jahr und Geschlecht aufschlüsseln.)

Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Beziehungsstatus von Täter und Opfer wird in den Justizstatistiken nicht erfasst. Eine Auswertung aller in Betracht kommenden Vorgänge von Hand ist mit vertretbarem Verwal­tungsaufwand nicht zu leisten.

Polizeiliche Ausführungen zu Tätern sind nicht möglich, da sich eine mögliche Täterschaft regelmäßig erst nach justiziellem Verfahrensabschluss feststellen lässt. Der Polizei NRW lie­gen hingegen Daten zu tatverdächtigen Personen vor.

Als Datenbasis für eine polizeifachliche Beantwortung der Fragen 1 bis 3 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen (PKS NRW). Die Erfassung von Fällen, Tatverdächtigen und Opfern in der PKS NRW erfolgt nach bundeseinheitlich, jährlich abgestimmten Richtlinien. Bei der PKS NRW handelt es sich um eine Ausgangsstatistik. Die statistische Erfassung erfolgt erst bei Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft.

Die PKS erfasst tatverdächtige Personen, die insoweit nach dem polizeilichen Ermittlungs­ergebnis aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte verdächtig sind, eine Straftat be­gangen zu haben. Unabhängig von der Anzahl der begangenen Straftaten, wird eine tatver­dächtige Person in dem jeweiligen Statistikzeitraum je Deliktsart nur einmal gezählt.

Opfer werden in der PKS NRW nur bei strafbaren Handlungen gegen höchstpersönliche Rechtsgüter erfasst. Dazu gehören das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, Ehre und die sexuelle Selbstbestimmung. Der Verletzungsgrad eines Opfers wird seit dem 01.01.2021 erfasst. Für die Erfassung der Beziehung zwischen dem Opfer und der tatverdäch­tigen Person ist die Stellung aus Sicht des Opfers maßgeblich.

Für die Auswertung wurden die folgenden Delikte berücksichtigt:

  • Mord und Totschlag (die Jahre 2015 und 2016 beinhalten zudem das Delikt Tötung auf Verlangen, § 216 StGB)
  • Gefährliche Körperverletzung
  • Schwere Körperverletzung
  • Körperverletzung mit Todesfolge
  • Vorsätzliche einfache Körperverletzung
  • Sexueller Übergriff, Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung (zum 01.01.2018 erfolgte eine An­passung im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung; die Daten ab dem Berichtsjahr 2018 sind daher mit den Vorjahren nur eingeschränkt vergleichbar).

Die angefragten Daten zu den Fragestellungen 1 bis 3 bitte ich der Anlage zu entnehmen. Sie berücksichtigen die Jahre 2015 bis 2021. Für das Jahr 2022 liegen noch keine qualitätsgesi­cherten Daten der PKS NRW vor. Die Daten beziehen unter dem Sammelbegriff der „Partner­schaftsgewalt“ sowohl Ehepartner, ehemalige Partner als auch Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit ein.

  1. Wann will die Landesregierung Dunkelfeldstudien für die Täter-Opfer-Relation „Frau versus Mann“ in Auftrag geben?

Im Rahmen von Dunkelfeldstudien hat die Kriminalistisch-Kriminologische Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen bereits Erkenntnisse zu der Verbreitung von Gewalt in (Ex-)Partnerschaften erhoben.

In der Studie „Sicherheit und Gewalt in Nordrhein-Westfalen“ wurden im Jahr 2019 insgesamt 23 850 nordrhein-westfälische Bürgerinnen und Bürger befragt. Der Studie zufolge haben zum Befragungszeitpunkt rund 25,6 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen in ihrem Leben schon einmal Erfahrungen mit psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt in (Ex-)Partnerschaften erlebt. Frauen waren dabei geringfügig häufiger betroffen als Männer (28,9 % der Frauen und 22,2% der Männer). Bei den am stärksten betroffenen Altersgruppen handelte es sich um die 25- bis 34-Jährigen sowie die 35- bis 44-Jährigen. Zumeist handelte es sich um psychische Gewalt in Form von Beleidigungen oder Bedrohungen sowie – bei phy­sischer Gewalt – um Körperverletzungen.

Der Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist die Aufhellung des Dunkelfeldes von Gewalt ein großes Anliegen. Die Fortschreibung der landesweiten Befragung zu „Sicherheit und Gewalt in NRW“ (Dunkelfeldstudie) ist vorgesehen.

Im Rahmen der über den Sicherheitsfonds der Europäischen Union kofinanzierten Studie „Si­cherheit und Kriminalität in Deutschland“ wurden im Jahr 2020 insgesamt 13 475 nordrhein-westfälische Bürgerinnen und Bürger unter anderem zu ihren Erfahrungen mit körperlicher und sexueller Gewalt in (Ex-)Partnerschaften befragt. Rund 0,6 Prozent der Bürgerinnen und Bür­ger haben dieser Studie zufolge in den der Befragung vorausgegangenen zwölf Monaten (No­vember 2019 bis Oktober 2020) Erfahrungen mit der Androhung von Gewalt, 0,1 Prozent mit Körperverletzungen mit einer Waffe, 0,4 Prozent mit Körperverletzungen ohne Waffe und 0,1 Prozent mit sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigungen gemacht. Frauen waren nach die­sen Ergebnissen häufiger von Gewalt betroffen als Männer. In dieser Studie erwiesen sich die Altersgruppen der 18- bis 24-Jährigen sowie der 25- bis 34-Jährigen als am stärksten betrof­fen.

Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich auch an den folgenden Erhebungswellen der Stu­die „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“. Die nächste Erhebung im Rahmen dieser Stu­die findet im Jahr 2024 statt. Zukünftig sind entsprechend Aussagen zur Entwicklung von Ge­walt in (Ex-)Partnerschaften möglich.

Aus diesen Studien ergeben sich für das Dunkelfeld valide Daten zum Geschlecht des Opfers von Gewalt in (Ex-)Partnerschaften. Zum Geschlecht des Täters oder der Täterin liegen für das Dunkelfeld keine validen Daten vor. Derzeit ist nicht geplant, hierzu Studien zu konzipie­ren.

  1. Gibt es validierte Studienergebnisse zur Veränderung (womöglich der Steigerung) des Anzeigeverhaltens von sogenannten Beziehungstaten von 2000 bis heute?

Gewalterfahrungen in (Ex-)Partnerschaften werden vergleichsweise selten angezeigt. Die in der Antwort zu Frage 4 aufgeführten Studien weisen auf Anzeigequoten zwischen 0,4 und 40,7 Prozent hin, wobei Vorfälle, in denen es zum Einsatz körperlicher Gewalt kam, deutlich häufi­ger angezeigt wurden als psychische Gewalt. Validierte Studienergebnisse zur Veränderung des Anzeigeverhaltens im angegebenen Zeitraum liegen nicht vor. Wie in der Antwort zu Frage 4 dargestellt, wird die Studie „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ jedoch wiederholt, sodass zukünftig Aussagen zur Entwicklung der Anzeigequoten getroffen werden können.

 

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Beteiligte:
Markus Wagner