Kleine Anfrage 6473des Abgeordneten Andreas Keith vom 10.03.2022
Jodtabletten, Bunkeranlagen und Alarmsysteme – Wie ist Nordrhein-Westfalen geschützt?
Der Krieg in der Ukraine sorgt bei vielen Menschen in Nordrhein-Westfalen für neue Unsicherheiten. Die Angst vor einem atomaren Angriff auf Westeuropa und vor einem Unfall in einem der ukrainischen Atomkraftwerke hat dazu geführt, dass Jodtabletten in NRW derzeit nicht mehr lieferbar sind.
Der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein beklagt, dass die Situation derzeit sehr schlimm sei, da Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen aktuell nicht versorgt werden können. Dabei sind die in Apotheken erhältlichen Jodtabletten im Fall eines nuklearen Unfalls oder Angriffs vollkommen nutzlos, da die Menge des Jods in den Tabletten viel zu gering ist. Im Falle einer nuklearen Vorfalls würde die Katastrophenschutzbehörde die Bevölkerung mit Jodtabletten versorgen.
Außerdem stellen sich viele Menschen die Frage, wie es im Land um Bunker, Schutzräume und Sirenen bestellt ist.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Über wie viele Jodtabletten verfügt der nordrhein-westfälische Katastrophenschutz? (Bitte aufschlüsseln nach Haltbarkeitsdatum)
- Inwieweit plant die Landesregierung weitere Jodtabletten anzuschaffen?
- Wie viele funktionierende bzw. einsatzbereite Bunkeranlagen bzw. Schutzräume hat das Land Nordrhein-Westfalen?
- Inwieweit plant bzw. fordert die Landesregierung, neue Bunkeranlagen zu erstellen bzw. alte Bunkeranlagen in Nordrhein-Westfalen zu reaktiveren?
- Bei der Hochwasserkatastrophe 2021 kam es in Nordrhein-Westfalen zu verschiedenen Problemen bei Warnsirenen. Der Warntag für das Jahr 2022 wurde erst kürzlich auf September verschoben. Inwieweit plant die Landesregierung neue Warnsirenen anzuschaffen bzw. veraltete Sirenen zu erneuern?
Andreas Keith
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 6473 mit Schreiben vom 5. April 2022 namens der Landesregierung beantwortet.
- Über wie viele Jodtabletten verfügt der nordrhein-westfälische Katastrophenschutz? (Bitte aufschlüsseln nach Haltbarkeitsdatum)
Nordrhein-Westfalen verfügt über 59,6 Millionen Kaliumiodidtabletten. Das Mindesthaltbarkeitsdatum beträgt für rund
20 Millionen Kaliumiodidtabletten | 31.12.2026 |
10 Millionen Kaliumiodidtabletten | 31.12.2027 |
30 Millionen Kaliumiodidtabletten | 31.12.2030. |
- Inwieweit plant die Landesregierung weitere Jodtabletten anzuschaffen?
Mit dem aktuellen Bestand könnten rund 14,9 Millionen Personen mit Jodtabletten für die Schutzmaßnahme „Jodblockade“ versorgt werden. Bei Differenzierung nach Mittel-, Außen-und Fernzone ergibt sich auf der Grundlage der Bevölkerungszahlen zum 01.01.2017 ein Bedarf an Jodtabletten für insgesamt rund 5.095.000 Personen. Im Ereignisfall könnten damit neben den 5,1 Millionen Bezugsberechtigten weitere 9,8 Millionen Menschen mit Jodtabletten versorgt werden. Die Beschaffung weiterer Jodtabletten ist daher nicht erforderlich.
- Wie viele funktionierende bzw. einsatzbereite Bunkeranlagen bzw. Schutzräume hat das Land Nordrhein-Westfalen?
Das Land Nordrhein-Westfalen verfügt über keine eigenen Bunkeranlagen.
Der Bau und die Bereitstellung von Schutzräumen gehört zum Bereich des Zivilschutzes, für den die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ entschied die Bundesregierung im Jahre 2007, den öffentlichen Schutz-raumbau aufzugeben. Öffentliche Schutzräume wurden seither sukzessive rückabgewickelt.
- Inwieweit plant bzw. fordert die Landesregierung, neue Bunkeranlagen zu erstellen bzw. alte Bunkeranlagen in Nordrhein-Westfalen zu reaktivieren?
Aufgrund der völkerrechtswidrigen russischen Militäraktion gegen die Ukraine wird seitens des Bundes unter anderem das Rückbaukonzept für Schutzräume einer erneuten Überprüfung unterzogen. In diesem Zusammenhang ist eine vollständige Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Schutzräume beabsichtigt.
- Bei der Hochwasserkatastrophe 2021 kam es in Nordrhein-Westfalen zu verschiedenen Problemen bei Warnsirenen. Der Warntag für das Jahr 2022 wurde erst kürzlich auf September verschoben. Inwieweit plant die Landesregierung neue Warnsirenen anzuschaffen bzw. veraltete Sirenen zu erneuern?
Die Landesregierung unterstützt die Aufgabenträger auf der kommunalen Ebene mit einer Reihe von zentralen Maßnahmen und arbeitet gemeinsam mit ihnen an der Fortentwicklung der Warnsysteme. So hat das Land den Kommunen 20 Millionen Euro zum Ausbau der kommunalen Warnsysteme zur Verfügung gestellt. Von diesem Geld wurden zum großen Teil Sirenen gekauft, teilweise auch die Erarbeitung von Warnkonzepten oder die Beschaffung von Warnfahrzeugen finanziert. Nicht zuletzt dank dieses finanziellen Engagements verfügt Nordrhein-Westfalen mit Stand Juli 2021 über insgesamt 5.184 Sirenen gegenüber 4.330 Sirenen im Jahr 2018. Diese Zahlen belegen, dass vielerorts das Sirenennetz aus- und aufgebaut wurde bzw. wird. Diesen längerfristigen Prozess wird die Landesregierung auch weiterhin kontinuierlich begleiten und fördern.
2018 hat Nordrhein-Westfalen erstmalig den landesweiten Warntag eingeführt und damit beim Thema Warnung eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen. Die landesweiten Warntage 2018 und 2019 waren aufgrund ihres Erfolges Vorbild für den 2020 eingeführten bundesweiten Warntag. Ziel der Warntage ist neben der Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema stets auch die Erprobung der technischen Warninfrastruktur. Zusätzlich zum bundesweiten Warntag im September findet in Nordrhein-Westfalen zudem jährlich im März ein landesweiter Sirenenprobealarm statt. Der für den 10.03.2022 geplante diesjährige Warntag in Nordrhein-Westfalen wurde aber wegen der aktuellen Kriegssituation abgesagt, um Fehlinterpretationen und Verunsicherung in der Bevölkerung zu vermeiden.