Jugendamt schickt Kind in Drogen-Hölle seiner Eltern zurück

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1429

der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 17.02.2023

Jugendamt schickt Kind in Drogen-Hölle seiner Eltern zurück

Wie die Bild-Zeitung am Dienstag, den 14.02.2023, berichtete, wurde in Hagen ein fünfjähriger Junge mit einem Fäkalieneimer in seinem Zimmer eingesperrt. Er konnte nur fliehen, indem er auf das Dach des dreigeschossigen Mehrfamilienhauses kletterte, wo er kurze Zeit später wie durch ein Wunder von Nachbarn in der Dachrinne entdeckt wurde. Noch am selben Tag wurde der Junge vom Jugendamt aus seiner Familie herausgenommen.

Schockierend ist allerdings das weitere Handeln der Behörde: So wurde das Kind nach nur einem Tag seiner Rettung wieder der Mutter und dem Stiefvater übergeben. Jedoch bemerkte das Jugendamt schnell, dass es hier einen gewaltigen Fehler begangen hatte und nahm das Kind unverzüglich am Dienstagmorgen, nach fast einem weiteren Tag bei den drogenabhängigen Eltern, wieder mit und übergab es einer Pflegefamilie.

Die Sprecherin der Stadt Hagen sagt dazu: „Diesem Schritt vorausgegangen – so erste verwaltungsinterne Untersuchungen vom heutigen Tag – war eine Fehleinschätzung der Gesamtsituation seitens der die Familie bereits seit längerer Zeit betreuenden Fachkraft des Jugendamtes sowie ihres unmittelbaren Vorgesetzten.“ Weiter heißt es, dass eine verwaltungsinterne Aufarbeitung und dienstrechtliche Überprüfung in Gang gesetzt worden sei.

Gegen die Mutter wird nun wegen Freiheitsberaubung und Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt. Gegen den Stiefvater wird laut Polizei nicht im Zusammenhang mit dem Jungen ermittelt – dafür aber wegen Cannabis-Anbaus.1

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Welche weiteren Erkenntnisse hat die Landesregierung NRW über den oben geschilderten Fall mit Blick auf das Handeln bzw. die verwaltungsinterne Aufarbeitung und dienstrechtliche Überprüfung des Jugendamtes?
  2. Wie begründete das Jugendamt Hagen die Entscheidung, das fünfjährige Kind nach nur einem Tag seiner Rettung der Mutter und dem Stiefvater wieder zu übergeben?
  3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung NRW über die bisherige Begleitung der Familie durch das Jugendamt bzw. anderen Behörden der Stadt Hagen?
  4. Wie ist der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) der Stadt Hagen personell aufgestellt? (Bitte nach Anzahl der Mitarbeiter im Verhältnis zu tatsächlichen Fallzahlen für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)
  5. Wie lange sind die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Hagen bereits in diesem tätig? (Bitte nach Mitarbeiter und Beschäftigungsdauer aufschlüsseln)

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 Htt ps:// m . b i l d . d e / b i l d – p l u s / r e g i onal/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/er-fluechtete-ueber-die-dachrinne-vor-seinen-eltern-jugendamt-bringt-j u n g e n – 5 – z u – 8 2 9 0 4426.bildMobile.html


Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 1429 mit Schreiben vom 9. Mai 2023 namens der Landesregierung im Einver­nehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantwortet.

  1. Welche weiteren Erkenntnisse hat die Landesregierung NRW über den oben ge­schilderten Fall mit Blick auf das Handeln bzw. die verwaltungsinterne Aufarbei­tung und dienstrechtliche Überprüfung des Jugendamtes?

Das Jugendamt der Stadt Hagen wurde um Stellungnahme gebeten und teilte mit, dass derar­tige Geschehnisse beim Fachbereich Jugend und Soziales der Stadt Hagen ein Grund sind, sich mit den verwaltungsinternen Abläufen zu beschäftigen. Die Überprüfung der verwaltungs­internen Verhaltensvorgaben/ Dienstanweisungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hät­ten keinen Anlass für grundlegende strukturelle Veränderungen ergeben.

  1. Wie begründete das Jugendamt Hagen die Entscheidung, das fünfjährige Kind nach nur einem Tag seiner Rettung der Mutter und dem Stiefvater wieder zu über­geben?

Zu der kurzfristigen Rückkehr des Kindes in die Familie teilt das Jugendamt mit, dass eine fachliche Bewertung vor dem Hintergrund der vorherigen verlaufenden Arbeit mit der Familie erfolgte.

  1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung NRW über die bisherige Begleitung der Familie durch das Jugendamt bzw. anderen Behörden der Stadt Hagen?

Die Familie wurde ohne Unterbrechung durch das Jugendamt begleitet. Diese Begleitung en­dete wie geplant am 30.09.2022.

  1. Wie ist der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) der Stadt Hagen personell aufgestellt? (Bitte nach Anzahl der Mitarbeiter im Verhältnis zu tatsächlichen Fallzahlen für die letzten fünf Jahreaufschlüsseln).

Die Personalausstattung des Jugendamtes soll nach interkommunalen Vergleichen den Emp­fehlungen der Fachverbände und der Gemeindeprüfungsanstalt NRW entsprechen. Nach die­sen Empfehlungen bearbeitet jede und jeder Mitarbeitende im ASD 35 Leistungsfälle mit Hilfen zur Erziehung. Diesen Rahmenbedingungen soll die Personalausstattung des Jugendamtes der Stadt Hagen entsprechen. Derzeit sind 37 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesamtum­fang von 36 VZÄ (Vollzeitäquivalenten) eingesetzt (Stand 31.12.2022).

  1. Wie lange sind die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes in Hagen bereits in diesem tätig? (Bitte nach Mitarbeiter und Beschäftigungsdauer aufschlüsseln)

Eine derartige Statistik sei bei der Stadt Hagen nicht geführt, zur Beantwortung der Frage sei eine manuelle Auswertung der Daten erforderlich. Dies sei in der Kürze der für die Beantwor­tung dieser Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

 

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