Käfighaltung für Strafgefangene: Sind die NRW-Justizvollzugsanstalten verfassungswidrig?

Kleine Anfrage
vom 12.04.2018

Kleine Anfrage 959
des Abgeordneten Markus Wagner AfD

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Nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 2015 (AZ: 1 BvR 1127/14) haben Strafhäftlinge im Gefängnis ein Recht auf menschenwürdige Unterbringung – eine Zelle von nur fünf Quadratmetern Bodenfläche verletzte dieses Recht. In der Folge haben Häftlinge, die in einer solchen Zelle eingesperrt sind, grundsätzlich Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Die Betroffenen können den Richtern zufolge sogar dann auf Geld hoffen, wenn sie nur wenige Tage in den zu engen Räumen eingesperrt waren.

In seiner Ausgabe vom 07.03.2018 berichtet u.a. RP-ONLINE, dass wegen des Sanierungsstaus in den NRW-Gefängnissen die Haftanstalten des Landes 292 Notgemeinschaften gebildet haben. Das sind Zellen, in denen die Häftlinge jeweils weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Quadratmeter Platz haben. Und das habe im vergangenen Jahr zu einem Schadenersatz von rund 31.000,00 Euro geführt.

Gemäß dem Bericht von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) für den Justizausschuss des Landtags sind demnach in NRW derzeit 16.493 Menschen inhaftiert, aber nur 11.538 in den eigentlich vorgesehenen Einzelzellen. Nicht alle der übrigen 4955 Häftlinge müssten ihre Haft in Notgemeinschaften verbringen – die meisten lebten auf eigenen Wunsch oder etwa wegen einer Suizid-Gefahr mit anderen in dafür ausgelegten Zellen zusammen.

Dennoch bedeutet die hohe Zahl der Notgemeinschaften für das Land ein finanzielles Risiko: Im Jahr 2014 wurden fast 115.000 Euro an 84 Häftlinge ausgezahlt, die wegen ihrer angeblich menschenunwürdigen Unterbringung Schadenersatz eingefordert hatten. Im abgelaufenen Jahr 2017 betrug die Höhe der Schadenersatzleistungen 31.018,52 Euro, wie das Justizministerium nach Angaben von RP-ONLINE mitteilte.

Demnach gibt es die meisten Notgemeinschaften in der JVA Essen (56), gefolgt von Gelsenkirchen (49), Remscheid (31), Duisburg-Hamborn (25) und Dortmund (23). Die meisten Häftlinge lebten derzeit in der JVA Bielefeld-Senne (1395), gefolgt von Köln (1063) und Werl (1012).

In diesem Zusammenhang versprach Minister Biesenbach, dass sich mittelfristig eine entspanntere Belegungssituation ergeben werde, wenn die für 2018 und 2019 geplanten Grundsanierungen und Neubauten von Gefängnissen abgeschlossen sind.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Strafgefangene (unabhängig von anhängigen Klagen) sind in Zellen untergebracht, in denen der Häftling weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen, fünf Quadratmeter Platz hat? Bitte aufschlüsseln nach Anzahl und JVA.
  2. Wie bewertet die Landesregierung das Versprechen von Minister Biesenbach, dass sich „mittelfristig eine entspanntere Belegungssituation ergeben werde“, wenn die für 2018 und 2019 geplanten Grundsanierungen und Neubauten von Gefängnissen abgeschlossen sind? Bitte aufschlüsseln nach Grundsanierung bestehender JVA und Neubau zu errichtender JVA mit jeweils geplantem Fertigstellungsdatum.
  3. Wie definiert die Landesregierung die aufgeworfene Formulierung des Justizministers einer „entspannten Belegungssituation“?
  4. Toleriert die Landesregierung, bis zum Fertigstellungszeitpunkt nach Grundsanierung und Neubau, Menschenrechtsverletzungen, welche der Menschenwürdegarantie gem. Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG entgegenstehen und leistet lieber jährlichen „Schadensersatz“, anstatt sich um weiter erforderlichen Aus- und Neubau von Justizvollzugsanstalten zu kümmern?
  5. In welcher Höhe prognostiziert die Landesregierung den zu leistenden „Schadenersatz“ für die Folgejahre 2018 bis 2025 auf Grund eingehender Klagen, wegen fehlender Möglichkeiten zu einer menschenwürdigen Unterbringung von Strafgefangenen in NRW Justizvollzugsanstalten?

Markus Wagner

Beteiligte:
Markus Wagner