Kampagne zur Bekämpfung von Zwangsheirat bzw. Kinderehen in NRW

Kleine Anfrage
vom 10.09.2021

Kleine Anfrage 5969der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky und Helmut Seifen vom 10.09.2021

 

Kampagne zur Bekämpfung von Zwangsheirat bzw. Kinderehen in NRW

Mit dem Beginn der Sommerferien startete die Landesregierung die Aufklärungskampagne „Exit“. Diese hatte zum Ziel, auf das Problem von Zwangsheiraten bzw. der Schließung von Kinderehen während eines Auslandsurlaubs aufmerksam zu machen.

Von dieser Form der Verheiratung sind insbesondere junge Mädchen aus patriarchalisch geprägten Familien bzw. Kulturkreisen betroffen. In Deutschland sind Zwangsheiraten gemäß § 237 StGB verboten und werden mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet.

Vor allem die türkische bzw. türkischstämmige Bevölkerung ist nicht nur zahlenmäßig stark in NRW vertreten, es gibt zudem in den Sommermonaten, begünstigt durch speziell darauf zugeschnittene Flugangebote, eine starke Reisetätigkeit zum Zwecke des Erholungs- bzw. Heimaturlaubs.

„Die drei häufigsten Herkunftsländer der Familien der Mädchen und Frauen und jungen Männer, die Kontakt zur Fachberatungsstelle in Bielefeld aufgenommen haben, sind Syrien, die Türkei und der Irak. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche weitere Herkunftsländer, aus denen Anfragen erfolgten.“1

In insgesamt 23 NRW-Städten (darunter Düsseldorf, Duisburg, Bochum, Dortmund, Bonn und Aachen) sollten im Rahmen der Aufklärungskampagne Plakate in Bussen und Bahnen angebracht werden. Daneben sollte dort auf fast 1.000 Monitoren ein Kampagnenspot laufen.2 Zudem wurde den Betroffenen, Angehörigen, Freundinnen und Freunden eine Telefon-Hotline sowie eine Online-Beratung angeboten. Die anonyme und kostenfreie Beratung soll in 17 Sprachen zur Verfügung stehen.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Kontaktaufnahmen gab es seit Beginn der Kampagne über die aufgeführten Meldewege?
  2. Wie viele Ermittlungsverfahren haben sich aus diesen Hinweisen bzw. auf anderem Wege ergeben?
  3. Was ist über die Herkunft bzw. den kulturellen Hintergrund der Opfer bekannt?
  4. Verfügt die Landesregierung über Zahlen von zwangsverheirateten Personen in NRW?
  5. Inwiefern spielt das Thema beim Kontakt der Landesregierung mit muslimischen Gemeinden bzw. mit den muslimischen Dachverbänden eine Rolle?

Gabriele Walger-Demolsky
Helmut Seifen

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/ministerin-scharrenbach-aufklaeren-und-inform ieren-landesregierung-nordrhein

2 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/zwangsheirat-kampagne-100.html

3 Vgl. https://www.mhkbg.nrw/themen/gleichstellung/exitnrw/nordrhein-westfalen-gegen-zwangsheirat


Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 5969 mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie viele Kontaktaufnahmen gab es seit Beginn der Kampagne über die aufge­führten Meldewege?

Die Kampagne der Landesregierung „EXIT.NRW – Schutz vereint – Nordrhein-Westfalen ge­gen Zwangsheirat“ ging am 15. Juni 2021 an den Start. Es wird auf den Bericht der Fachbera­tungsstellen gegen Zwangsheirat Mädchenhaus Bielefeld e.V. und agisra e.V. Köln am 26. Au­gust 2021 vor dem Ausschuss für Gleichstellung und Frauen des Landtags Nordrhein-West­falen hingewiesen. Insbesondere die Leiterin der Fachberatungsstelle Bielefeld führte dort all­gemein aus, dass die Anzahl der Beratungsanfragen mit Beginn der Kampagne gestiegen sei.

  1. Wie viele Ermittlungsverfahren haben sich aus diesen Hinweisen bzw. auf ande­rem Wege ergeben?

Die Generalstaatsanwältin und die Generalstaatsanwälte haben dem Ministerium der Justiz berichtet, dass in der Zeit vom 15. Juni 2021 bis zum 27. September 2021 bei den Staatsan­waltschaften des Landes 14 Ermittlungsverfahren wegen § 237 StGB anhängig geworden sind. Davon richten sich zwei Verfahren gegen „Unbekannt“. Ob die diesen Verfahren zugrun-deliegenden Verdachtsmomente unter Beteiligung der „Meldewege“ der Kampagne oder auf anderem Wege den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis gelangt sind, wird in den justiziellen Datenbanken nicht erfasst.

  1. Was ist über die Herkunft bzw. den kulturellen Hintergrund der Opfer bekannt?

Die Generalstaatsanwältin und die Generalstaatsanwälte haben dem Ministerium der Justiz folgende Angaben zur Staatsangehörigkeit der in der Zeit vom 15. Juni bis zum 27.September 2021 in ihrem Geschäftsbereich anhängig gewordenen Ermittlungsverfahren mitgeteilt:

  • aserbaidschanisch (1)
  • deutsch (3)
  • deutsch-afghanisch (1)
  • deutsch-pakistanisch (1)
  • irakisch (2)
  • libanesisch (1)
  • rumänisch (1)
  • serbisch (1)
  • syrisch (2)
  • unbekannt (1)

Der „kulturelle Hintergrund“ einer Person wird in den Datenbanken der Justiz nicht erfasst.

  1. Verfügt die Landesregierung über Zahlen von zwangsverheirateten Personen in NRW?

Es wird auf die Ausführungen in der Pressemitteilung des Ministeriums für Heimat, Kommu­nales, Bau und Gleichstellung vom 15. Juni 2021 verwiesen.4

  1. Inwiefern spielt das Thema beim Kontakt der Landesregierung mit muslimischen Gemeinden bzw. mit den muslimischen Dachverbänden eine Rolle?

Zwangsheiraten können auf vielfältige Weise und nahezu überall auf der Welt zustande kom­men und sind unabhängig von der Religionszugehörigkeit zu betrachten. Der Aufklärung und Information der breiten Öffentlichkeit kommen deshalb bei der Bekämpfung von Zwangsheirat und dem Schutz der Opfer eine herausragende Bedeutung zu.

 

Antwort als PDF

 

4 https://www.m hkbg.nrw/ministerin-scharrenbach-aufklaeren-und-informieren-landesregierung-nord-rhein-westfalen-startet