Kinder in NRW werden zu Geschlechtsumwandlungen gedrängt

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1556

der Abgeordneten Markus Wagner und Carlo Clemens vom 16.03.2023

Kinder in NRW werden zu Geschlechtsumwandlungen gedrängt

„Zeynep fühlt sich im falschen Körper geboren. Sie*Er möchte sich so rasch wie möglich operieren lassen, um endlich als Mann leben zu können.“1

So steht es beispielsweise auf den Arbeitsblättern für den Sexualkundeunterricht einer Schule in Köln. Zusätzlich informierte die Schulleitung die Eltern darüber, dass sie sich an die Lehrer wenden könnten, wenn sie ein Problem damit hätten. In der Folge gab es viel Aufregung um Schulmaterial für Sechstklässler und zwar in ganz Nordrhein-Westfalen. Denn im Unterricht werden sie dazu genötigt, sich mit Transsexualität und Pansexualität zu beschäftigen. Außerdem wird teils aggressiv dafür geworben, Geschlechtsumwandlungen vernehmen zu lassen. Allerdings sieht die zuständige NRW-Schulministerin, Dorothee Feller (CDU), keinen Handlungsbedarf. Schließlich obliege die Auswahl der Schulmaterialien den Lehrern.2

Zu den Arbeitsschritten der Schüler gehört es beispielweise, Begriffe wie „demisexuell“ zu definieren und sich mit Transsexualität auseinanderzusetzen. Darüber hinaus wird den Schülern geraten, „sich so rasch wie möglich“ umoperieren zu lassen, falls sie sich um falschen Körper fühlten. Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass es angeblich viele Geschlechter gebe und dass man diese jederzeit ändern könne.3

Obwohl der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, dieses Vorgehen als „unsensibel und unpädagogisch“ beschrieb, werden die Risiken dieses massiven und irreversiblen Eingriffs nicht problematisiert.4

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Aus welchen Gründen sieht die Schulministerin keinen Handlungsbedarf, obwohl selbst der Präsident des Lehrerverbandes auf unvorhersehbare Entwicklungen bei den Kindern hinweist?
  2. Wie wird mit Schulkindern umgegangen, deren Eltern oder sie selbst einen derartigen Sexualkundeunterricht nicht wünschen?
  3. Auf die Kleine Anfrage 18/2787 vom 31. Januar 2023 der Fraktion der AfD teilte die Landesregierung mit, dass seit dem Januar 2021 dem Ministerium für Schule und Bildung vier Beschwerden über „Lehrinhalte mit Sexualitätsbezug“ vorliegen.5 Wegen welchen Sachverhalts im Konkreten sind die Beschwerden eingereicht worden? (Bitte einzeln aufschlüsseln.)
  4. Wie viele biologische Geschlechter gibt es aus Sicht der Landesregierung?
  5. Wie viele soziale Geschlechter gibt es aus Sicht der Landesregierung?

Markus Wagner
Carlo Clemens

 

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1 Vgl. h t t ps : / / j un ge f reiheit.de/politik/deutschland/2023/cdu-geschlechtsumwandlung/.

2 Ebenda.

3 Ebenda.

4 Ebenda.

5 Vgl. Drucksache 18/3318, S. 2.


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 1556 mit Schreiben vom 20. April 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die in der Vorbemerkung der Landesregierung dargestellten Aussagen zur Antwort der Klei­nen Anfrage 1226 (LT-Drs. 18/3318) sind nach wie vor aktuell. Nach den Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen soll eine alters- und entwicklungsgemäße Sexualer­ziehung Lernenden helfen, ihr Leben bewusst und in freier Entscheidung sowie in Verantwor­tung für sich und anderen gegenüber zu gestalten. Hierzu zählt auch, sich mit der Ausgestal­tung von Geschlechterrollen und mit Körperbildern auseinanderzusetzen. Ziel ist es, sich selbst und andere zu akzeptieren sowie Achtung und Verständnis für die individuellen Einstel­lungen und Bedürfnisse zu entwickeln. Hierzu gehört eine dem Alter und Entwicklungsstand angemessene Auseinandersetzung mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.

  1. Aus welchen Gründen sieht die Schulministerin keinen Handlungsbedarf, obwohl selbst der Präsident des Lehrerverbandes auf unvorhersehbare Entwicklungen bei den Kindern hinweist?

Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass, wie in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage 1556 dargestellt, „teils aggressiv dafür geworben [wird], Geschlechtsumwandlungen vorneh­men zu lassen“. Aus dem genannten Unterrichtsmaterial geht auch nicht hervor, dass Schüle­rinnen und „Schülern geraten [wird], sich so rasch wie möglich umoperieren zu lassen“. Lehr­kräfte sind durch ihre fachliche Qualifikation gut vorbereitet, um Unterrichtsmaterial eigenver­antwortlich mit Blick auf die jeweilige Lerngruppe einzusetzen und einzuordnen.

  1. Wie wird mit Schulkindern umgegangen, deren Eltern oder sie selbst einen derar­tigen Sexualkundeunterricht nicht wünschen?

Gemäß § 33 Absatz 1 Satz 1 Schulgesetz Nordrhein-Westfalen (SchulG) ergänzt die fächer­übergreifende schulische Sexualerziehung die Sexualerziehung durch die Eltern und gehört zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Die in § 43 Absatz 1 Satz 1 SchulG gere­gelte Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler, regelmäßig am Unterricht und an den sons­tigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilzunehmen, umfasst auch die schulische Sexual­erziehung.

Eine Befreiung einer Schülerin oder eines Schülers von der Sexualerziehung kommt nur unter den Voraussetzungen des § 43 Absatz 4 Satz 1 SchulG in Betracht: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann Schülerinnen und Schüler auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund bis zur Dauer eines Schuljahres vom Unterricht beurlauben oder von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreien“. Da der Unterricht jedoch gemäß dem Schul­gesetz zurückhaltend und toleranzfördernd gestaltet wird, werden Unzumutbarkeitsschwellen nicht überschritten, sodass kein Grund für eine Befreiung besteht (vgl. VG Münster, Urteil vom 08.05.2015 – 1 K 1752/13).

Für den Erfolg schulischer Sexualerziehung ist die rechtzeitige und umfassende Information aller Beteiligten als Grundlage einer vertrauensvollen Erziehungspartnerschaft ausschlagge­bend (§ 33 Absatz 2 SchulG). Falls Eltern mit den geplanten Unterrichtsinhalten nicht einver­standen sind, können sie dies bereits im Vorfeld kundtun und in den Austausch mit der zu­ständigen Lehrkraft gehen. Die Unterrichtung der Eltern soll dabei zeitig so erfolgen, dass sie die jeweils zu behandelnden Themen ggf. mit ihren Kindern vorher bzw. parallel zum Unterricht besprechen können. Auf diese Weise wird dem verfassungsmäßigen und gesetzlich veranker­ten Elternrecht Rechnung getragen.

  1. Auf die Kleine Anfrage 18/2787 vom 31. Januar 2023 der Fraktion der AfD teilte die Landesregierung mit, dass seit dem Januar 2021 dem Ministerium für Schule und Bildung vier Beschwerden über „Lehrinhalte mit Sexualitätsbezug“ vorliegen. We­gen welchen Sachverhalts im Konkreten sind die Beschwerden eingereicht wor­den? (Bitte einzeln aufschlüsseln.)
Jahr Sachverhalt
2022 Sexualkundeunterricht erst ab Klasse 10 gefordert.
2022 Beschwerde zu eingesetztem Unterrichtsmaterial in einer 4. Klasse.
2022 Abmeldung vom Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen in Klasse 8 gewünscht.
2021 Späterer Beginn des Sexualkundeunterrichts nach Klasse 4 ge­fordert.

 

  1. Wie viele biologische Geschlechter gibt es aus Sicht der Landesregierung?

Neben dem weiblichen und dem männlichen Geschlecht gibt es verschiedene Varianten der Geschlechtsentwicklung und ein großes Spektrum von Geschlechtsidentitäten (s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017).

  1. Wie viele soziale Geschlechter gibt es aus Sicht der Landesregierung?

Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.

 

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