Kindesmissbrauch in NRW

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 398
der Abgeordneten Zacharias Schalley, Markus Wagner und Klaus Esser vom 01.09.2022

 

Kindesmissbrauch in NRW

Verfahren wegen Kindesmissbrauchs werden oftmals vor dem Strafgericht geführt. Da der sexuelle Missbrauch als massive Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823ff BGB darstellt, haben die Geschädigten als Opfer grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens (Schadensersatz) und einen Anspruch zum Ausgleich des immateriellen Schadens (Schmerzensgeld).1

In welcher Anzahl und Höhe die Entschädigung zugebilligt wird, bleibt zumeist unbekannt.

Um den Kampf gegen Kindesmissbrauch weiter voranzutreiben, hat die Kommission für innere Sicherheit der Landesregierung NRW 2019 eine Empfehlung vorgelegt. Hierbei hieß es, dass die NRW-Landesregierung nach den schweren sexuellen Kindesmissbrauchsfällen die „Einrichtung einer ärztlichen Datenbank für Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch“ fordert. Da Täter oftmals „doctor-hopping“ betreiben, sollten „Kinderärzte bei Verletzungen ihrer jungen Patientinnen und Patienten die Fälle einpflegen [können], damit auch andere Ärzte bei der Behandlung der Kinder erkennen können, wenn Kollegen bereits einen Verdacht auf Kindes­missbrauch“ festgestellt hatten.“2 Zudem wird in diesem strafrechtlichen Bereich offenbar durch die fortschreitende Technik aktuell angepasst – das Auffinden von Tat und Täter soll dadurch erleichtert werden.

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. In wie vielen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs wurde den Opfern in NRW seit 2002 im Rahmen eines Adhäsionverfahrens durch die Strafgerichte Schmerzensgeld zugesprochen? (Bitte nach Jahr, zuständigem Gericht, Spruchkörper und Höhe des Schmerzensgeldes aufschlüsseln)
  2. In wie vielen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs wurde den Opfern durch die zustän­digen Gerichte seit 2002 in NRW ein Schadensersatzanspruch (Grundteil) – ohne festgelegte Summe – zugesprochen?
  3. Welche technischen Anpassungen wurden im Bereich der Informationstechnik (IT) in NRW bezüglich der Ermittlung und Aufklärung von Straftaten wegen sexuellem Missbrauch an Kindern seit 2018 vorgenommen?
  4. Was plant die Landesregierung NRW darüber hinaus, um sexuellen Missbrauch an Kindern in Zukunft frühzeitig erkennen und verhindern zu können?
  5. Inwieweit hat sich die Landesregierung NRW seit ihrer Empfehlung zur Einrichtung einer ärztlichen Datenbank dafür eingesetzt, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, einen interkollegialen Austausch zwischen Kinderärzten zu ermöglichen?

Zacharias Schalley
Markus Wagner
Klaus Esser

 

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1 https://www.caritas-nrw.de/rechtinformationsdienst/entschaedigungs-und-ersatzleistungen-weg (abgerufen am 18. August 2022)

2 https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/22468590_Kindesmissbrauch-Wie-eine-aerztliche-Datenbank-Taeter-ueberfuehren-soll.html (abgerufen am 18. August 2022)


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 398 mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet.

  1. In wie vielen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs wurde den Opfern in NRW seit 2002 im Rahmen eines Adhäsionverfahrens durch die Strafgerichte Schmerzens­geld zugesprochen? (Bitte nach Jahr, zuständigem Gericht, Spruchkörper und Höhe des Schmerzensgeldes aufschlüsseln)
  2. In wie vielen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs wurde den Opfern durch die zu­ständigen Gerichte seit 2002 in NRW ein Schadensersatzanspruch (Grundteil) ohne festgelegte Summe zugesprochen?

Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet:

Die erfragten Daten werden statistisch nicht erfasst. Für die erbetene Aufschlüsselung wäre daher eine Auswertung der einschlägigen Vorgänge von Hand notwendig, die in der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwal­tungsaufwand nicht zu leisten ist.

3. Welche technischen Anpassungen wurden im Bereich der Informationstechnik (IT) in NRW bezüglich der Ermittlung und Aufklärung von Straftaten wegen sexuellem Missbrauch an Kindern seit 2018 vorgenommen?

Die Polizei Nordrhein-Westfalen aktualisiert ihre IT-Infrastruktur in regelmäßigen Investitions­zyklen. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro in den Ausbau einer zentralen Auswerteinfrastruktur sowie der Inbetriebnahme spezifischer Software zur Si­cherung, Aufbereitung und Auswertung von IT-Asservaten investiert.

Um die Ermittlungsmaßnahmen im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch und die Kinder­pornographie weiter zu effektiveren und zu beschleunigen, hat für den Bereich der Staatsan­waltschaften die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime des Landes Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) die Anwendbarkeit von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Strafverfolgung erforscht. Nach Abschluss eines mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft betriebenen Forschungs­projektes ist die Umsetzung in einen technischen Wirkbetrieb im Frühjahr 2022 erfolgreich vergeben worden. Derzeit ist der Wirkbetrieb bei der ZAC NRW im Aufbau.

4. Was plant die Landesregierung NRW darüber hinaus, um sexuellen Missbrauch an Kindern in Zukunft frühzeitig erkennen und verhindern zu können?

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt ist eine dauerhafte ge­samtgesellschaftliche Aufgabe und ein zentraler Schwerpunkt der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Zur Fortsetzung der bisherigen Entwicklung bedarf es weiterhin eines star­ken Durchhaltevermögens, konsequenter Ermittlungen und institutioneller Zusammenarbeit. Die Aktivitäten der Landesregierung zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sind vielfältig. Sie wurden erstmals im Handlungs- und Maßnahmenkonzept für den Bereich „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche – Prävention, Interven­tion, Hilfen“ gebündelt, das im Jahr 2020 von der Landesregierung beschlossen wurde. Des­sen Fortschreibung gibt Auskunft über den Stand der Umsetzung, beziehungsweise beschreibt weitere Vorhaben der Landesregierung, die im Berichtszeitraum des Jahres 2021 bis ein­schließlich 15. Februar 2022 neu begonnen wurden. Beide Berichte wurden dem Landtag vor­gelegt und sind auf der Seite des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration abrufbar (htt ps:// www. Mkjfgfi .nrw /praevention sexualisierter – ge-walt-0). Die Umsetzung und Weiterentwicklung der ergriffenen Maßnahmen wird auch in die­ser Legislaturperiode durch eine Interministerielle Arbeitsgruppe begleitet. Sie wird auch zu­künftig zum Umsetzungsstand der Maßnahmen berichten.

5. Inwieweit hat sich die Landesregierung NRW seit ihrer Empfehlung zur Einrich­tung einer ärztlichen Datenbank dafür eingesetzt, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, einen interkollegialen Austausch zwischen Kinderärzten zu ermögli­chen?

Die von der Vorgängerregierung eingesetzte Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ war eine unabhängige Expertenkommission. Bei den im Abschlussbe­richt dieser Kommission formulierten Empfehlungen handelte es sich somit nicht um Empfeh­lungen der Landesregierung.

Der Gesetzentwurf (Drs. 17/14280) „Gesetz über den interkollegialen Ärzteaustausch bei Kindeswohlgefährdung – Änderung des Heilberufsgesetzes (HeilBerG)“ wurde am 23. März 2022 vom Landtag Nordrhein-Westfalen einstimmig beschlossen und verabschiedet.

Das Gesetz ist am 15. April 2022 in Kraft getreten und ermöglicht den interkollegialen Aus­tausch zwischen Ärztinnen und Ärzten.

 

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