Klage auf Herausgabe der vier Piet-Mondrian-Bilder im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld. Ein komplizierter Fall von Provenienzforschung und Restitution. Wie sieht die Landesregierung die rechtliche Lage?

Kleine Anfrage
vom 14.09.2023

Kleine Anfrage 2572

des Abgeordneten Dr. Hartmut Beucker AfD

Klage auf Herausgabe der vier Piet-Mondrian-Bilder im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld. Ein komplizierter Fall von Provenienzforschung und Restitution. Wie sieht die Landesregierung die rechtliche Lage?

Ursprünglich hatte das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld acht Bilder im Bestand, die von Piet Mondrian1 für eine geplante „Internationale abstrakte Ausstellung“ im Jahr 1929 übersandt worden waren. Die Ausstellung wurde jedoch abgesagt.

Bei den Konfiszierungen für die Ausstellung „Entartete Kunst“ – in der auch Bilder von Mondrian gezeigt wurden – im Kaiser-Wilhelm-Museum im Jahr 1937 wurden die acht Bilder nicht mitgenommen, offenbar, da sie nicht inventarisiert und/oder versteckt worden waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die in Kisten verpackten acht Bilder dann im Jahr 1947 oder 1950 wiederentdeckt. Einige von ihnen wurden in Ausstellungen gezeigt. Vier sind jetzt noch im Besitz des Museums, hängen derzeit aber nicht. Die anderen vier tauschte der Museumsdirektor gegen 30 Werke von Georges Braque, Marc Chagall, Henri Matisse, Joan Miró und Pablo Picasso bzw. erwarb er diese mit dem Verkaufserlös.

„Mit dem Erlös aus den Mondrian-Verkäufen, die er Anfang der fünfziger Jahre tätigte, finanzierte Wember Ankäufe von Mondrian-Zeitgenossen. Bei diesen Künstlern handelt es sich zwar auch um Großmeister der Moderne: Picasso, Miró, Braque. Aber abgesehen von einem Aquarell von Paul Klee umfasst die Tauschware ausschließlich Druckgrafik. […] Sein großer Deal stellt sich als Muster einer Fehlkalkulation dar – für vier schlechthin einmalige Bilder bekam er einen Haufen von Blättern, wie sie Museen überall in ihren Grafikschubladen verwahren. Ein Gemälde Mondrians wurde 2015 in New York für 50 Millionen Dollar versteigert.“2

Bei den vier noch im Museum befindlichen Bildern handelt es sich um „Tableau No. VII“, „Tableau No. X“, „Tableau No. XI“ (alle 1925) und „Komposition IV“ (1926).3

Piet Mondrian war davon ausgegangen, dass sich keine ihm gehörenden Bilder mehr in Deutschland befänden, sei es durch deren Zerstörung oder durch Kriegseinwirkung. Sein Erbe, der Maler Harry Holzmann, stellte keinen Restitutionsantrag. Aus dem Katalog von Joop Josten bekamen Holzmans Witwe und ihre Söhne 2011 Kenntnis von den Bildern in Krefeld, beauftragten einen spezialisierten Rechtsanwalt und eine Provenienz-Expertin mit der Herkunftsforschung, die ein Gutachten vorlegten, welches feststellte, das Museum befinde sich unrechtmäßig im Besitz von Bildern, die der Künstler lediglich ausgeliehen habe.4

Im Jahr 2017 forderten sie dann die Herausgabe der Bilder. Nach der ablehnenden Haltung der Stadt Krefeld haben sie nun am 15. Oktober 2020 beim US District Court of Columbia eine Klage eingereicht dahingehend, die vier noch vorhandenen Bilder zu erhalten und dazu entweder die für die anderen vier Bilder eingetauschten Lithographien oder aber Entschädigung. Sie werfen der Stadt Krefeld Verschleierung und Veruntreuung vor.5 Der Wert der vier Bilder wird derzeit auf 200 Millionen Dollar geschätzt. Es handele sich um einen Raubkunst-Fall.6

Sie stützen sich dabei auf Äußerungen der früheren Museums-Kustodin, die in einem Buch mit „vermutlich gehören die Bilder Piet Mondrian“7 zitiert wird, und des ehemaligen Kulturstaatssekretärs Naumann, der von einem „Schurkenstück des Museums-Managements“ sprach. „Einen schriftlichen Beleg über die Herkunft der Bilder oder einen Kaufvertrag gibt es nicht.“8

Das Museum geht bislang von einem rechtmäßigen Erwerb der Bilder aus und hält die Angelegenheit für verjährt. Die Stadt Krefeld gab dazu ein Gutachten zur Provenienzforschung in Auftrag, welches versucht, den Weg der auch bei Ausstellungen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigten Bilder aufzuzeigen.

Der Rechtsbeistand der Stadt Krefeld bewertet das Gutachten: „Die Gegenseite konnte bislang kaum mehr als Mutmaßungen und unbelegte Verdächtigungen vorlegen. Durch das Provenienz-Dossier erhalten wir nun eine solide Faktengrundlage zur Historie der Bilder und zu ihrem weiteren Weg in den vergangenen 100 Jahren. … Für mich besteht kein Zweifel daran, dass die Kunstwerke rechtmäßig in den Besitz des Museums gekommen sind und in die Sammlung der Krefelder Kunstmuseen gehören. […] Aus diesem Grund hat die Gegenseite in der Vergangenheit immer wieder versucht, moralischen Druck auf die Stadt Krefeld aufzubauen. Doch wie das Dossier nochmals unterstreicht, ist jeglicher behauptete Zusammenhang mit der Washingtoner Erklärung und NS-Raubkunst an den Haaren herbeigezogen.“9

Die Kläger stützen sich auf das Washingtoner Abkommen, den Holocaust Expropriated Art Recovery Act, der die Verjährung aufhebt für den Fall, dass der Kläger innerhalb von 6 Jahre nach Entdeckung eines Kunstwerks juristisch tätig wird.10 Da dieses Abkommen jedoch den Zeitraum ab 1933 erfasst, kann es sich laut Stadt Krefeld hier nicht um einen Fall von NS-Raubkunst handeln.

Die rechtliche Situation wird unterschiedlich bewertet: „[…] vor dem deutschen Gesetz laut dem Rechtsbeistand der Stadt Krefeld kein Problem. Krefeld besitzt die Werke fast 100 Jahre, dass sie spätestens jetzt dem Museum gehören. Quasi Gewohnheitsrecht. Mondrian und Holtzman hätte sie auch zurückfordern können, haben sie aber nicht. Wo sie waren, müsste zumindest Holtzman klar gewesen sein, er hat noch gelebt, als sie oft ausgestellt wurden. In Amerika hingegen ist das Rechtssystem ein anderes. Es ist bekannt für Urteile mit exorbitanten Schadensersatzforderungen. Wenn verlangt wird, dass die Stadt beweist, dass die Werke gekauft wurden, dann hat sie ein Problem. Vier Werke sind da, aber die Quittung scheint weg zu sein, und vier weitere fehlen.“11

„Das Gericht muss entscheiden, ob die Klage zulässig ist. Verhandelt wird die Klage von einer Richterin beim US-Bezirksgericht für den District of Columbia (Washington D.C.). Das ist wichtig, weil diese Richterin laut im Streit zwischen den Erben des jüdischen Kunstsammlers Baron Mór Lipót Herzog und dem Staat Ungarn entschieden hat, dass ein ausländisches Museum in den USA verklagt werden kann. Demnach gibt es keine Staaten-Immunität. Noch ist allerdings nicht klar, ob das Gericht die Klage tatsächlich zulässt.“12

Patrick Bahners schlägt eine Teilung der vier Bilder vor:

„Sicher wissen wir nur, dass die Mondrian-Gemälde des Kaiser-Wilhelm-Museums in der Nachkriegszeit verborgen wurden. Da der Bestand unter Paul Wember schon einmal halbiert wurde, sollte einer salomonischen Lösung nichts im Wege stehen.“13

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die rechtliche Situation für Kläger und Beklagte unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten?
  2. In welchen Archiven des Landes könnte es zusätzliche Informationen zur Klärung dieses komplizierten Falls geben?
  3. Wird die Landesregierung das Kaiser-Wilhelm-Museum in dieser Angelegenheit fachlich bzw. juristisch beraten?
  4. Hat die Landesregierung Informationen darüber, in wessen Besitz sich die vier eingetauschten bzw. verkauften Mondrian-Bilder befinden?
  5. Hält die Landesregierung den Verbleib der vier Mondrian-Bilder in Nordrhein-Westfalen für erstrebenswert?

Dr. Hartmut Beucker

 

MMD18-5952

 

1 Susanne Deicher, Piet Mondrian 1872-1944. Konstruktion über dem Leeren, Köln 2022

2 Patrick Bahners, Streit um vier Gemälde. Wie kamen die Mondrians ins Krefelder Museum?, FAZ, 23.11.2020

3 Fall Mondrian: Provenienz-Dossier stützt Haltung der Stadt Krefeld, lokalklick.eu, 2.7.2019

4 Sarah Cascone, Piet Mondrian’s Heirs are Suing a German Museum for the Return of Four Paintings worth over $200 Million. The painings were loaned to the Kunstmuseen Krefeld in 1929 and alledgedly never returned, news.artnet.com, 22.10.2020

5 Streit um Mondrian-Gemälde. Amerikaner verklagen Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, Rheinische Post, 22.10.2020

6 Stefan Koldehoff im Gespräch mit Anja Reinhardt, Klage gegen Museum, „Krefeld muss erklären, wo die Mondrian-Bilder herkommen“, deutschlandfunk.de, 23.10.2020

7 Krefeld. Der Streit um die Mondrian-Bilder, rp-online, 8.3.2018

8 Krefeld: Mondrian-Bilder befinden sich rechtmäßig im Museum, welt.de, 2.7.2019

9 Fall Mondrian: Provenienz-Dossier stützt Haltung der Stadt Krefeld, Krefeld Pressedienst, 2.7.2019

10 Kunstmuseen Krefeld sued by heirs for return of Mondrian Paintings, artformun.com, 23.10.2020

11 Jennifer Ketteler, Die Mondrian-Wahrheit, Westdeutsche Zeitung, 28.8.2023

12 Die Klageschrift aus den Vereinigten Staaten liegt der Stadt Krefeld jetzt vor. Der Fall Mondrian könnte nun in den USA vor Gericht gehen. Zu den Vorwürfen, Westdeutsche Zeitung, 28.8.2023

13 Patrick Bahners, Streit um vier Gemälde. Wie kamen die Mondrians ins Krefelder Museum?, FAZ 23.11.2020


Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 2572 mit Schreiben vom 5. Oktober 2023 namens der Landesregierung beantwortet.

  1. Wie beurteilt die Landesregierung die rechtliche Situation für Kläger und Beklagte unter Berücksichtigung der vorliegenden Gutachten?
  2. In welchen Archiven des Landes könnte es zusätzliche Informationen zur Klärung dieses komplizierten Falls geben?

Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Es handelt sich um ein schwebendes Verfahren zwischen der Stadt Krefeld und dem Rechts­nachfolger des Künstlers Piet Mondrian. Die Landesregierung ist keine Verfahrensbeteiligte und sieht keinen Anlass für eine Beurteilung der rechtlichen oder tatsächlichen Situation.

  1. Wird die Landesregierung das Kaiser-Wilhelm-Museum in dieser Angelegenheit fachlich bzw. juristisch beraten?

Da die Landesregierung keine Verfahrensbeteiligte in dem Rechtsstreit zwischen der Stadt Krefeld und dem Rechtsnachfolger des Künstlers Piet Mondrian ist, ist eine fachliche oder juristische Beratung des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld nicht vorgesehen. Dem Museum

steht es jedoch frei, die u. a. vom Land Nordrhein-Westfalen finanzierte Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen bezüglich Beratung zu kontaktieren.

  1. Hat die Landesregierung Informationen darüber, in wessen Besitz sich die vier eingetauschten bzw. verkauften Mondrian-Bilder befinden?

Nein.

  1. Hält die Landesregierung den Verbleib der vier Mondrian-Bilder in Nordrhein-Westfalen für erstrebenswert?

Bei Piet Mondrian handelt es sich um einen international hoch angesehenen Künstler. Jedes seiner Werke in öffentlichen Sammlungen in Nordrhein-Westfalen stellt eine kulturelle Berei­cherung für das Land dar.

 

MMD18-6257