Kleine Anfragen der Abgeordneten Verena Schäffer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Straftaten unterschiedlicher Bereiche im ersten Halbjahr 2018

Kleine Anfrage
vom 16.11.2018

Kleine Anfrage 1726des Abgeordneten Nic Vogel vom 13.11.2018

 

Kleine Anfragen der Abgeordneten Verena Schäffer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Straftaten unterschiedlicher Bereiche im ersten Halbjahr 2018

Die Abgeordnete Verena Schäffer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat am 19. bzw. 24.07.2018 mehrere Kleine Anfragen bezüglich der Kriminalitätsentwicklung im 1. Halbjahr 2018 eingereicht, u.a.:

  • 17/3220 Antisemitische Straftaten im ersten Halbjahr 2018
  • 17/3245 Flüchtlingsfeindliche Straftaten im ersten Halbjahr 2018

Die Antworten der Landesregierung haben die folgenden Ergebnisse geliefert:

Die Anzahl der flüchtlingsfeindlichen Straftaten beträgt gemäß Antwort der Landesregierung im ersten Halbjahr 2018 37 – davon 7 Gewaltdelikte. Interessant ist, dass Straftaten gegen Hilfsorganisationen und ehrenamtliche bzw. freiwillige Helfer in diese Statistik eingeflossen sind.

Die Anzahl der antisemitischen Straftaten beträgt gemäß Antwort der Landesregierung im ersten Halbjahr 2018 89 – davon 1 Gewaltdelikt. 2017 waren es noch 324 Straftaten. Auch hier ist ein erfreulicher Abwärtstrend erkennbar. Wie im Bereich der politisch motivierten Gewalt Rechts, fallen auch hier 85 % der Straftaten unter Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB (Propagandadelikte) und Volksverhetzungen.1

Für einen vollständigen Überblick über die Kriminalitätsentwicklung ist es erforderlich, alle Kriminalitätsbereiche zu analysieren. Bei den Anfragen der Abgeordneten Verena Schäffer bezüglich der Kriminalitätsentwicklung im ersten Halbjahr 2018 wurde nicht nach der politisch motivierten Kriminalität Links und – wenn man die Anfragen 17/3245 und 17/3244 spiegelt – nach Straftaten durch Flüchtlinge bzw. Muslime gegen die deutsche Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen gefragt. Der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger (ohne ausländerrechtliche Verstöße) hat sich laut PKS von 21 % im Jahre 2008 auf 32 % im Jahre 2017 erhöht. Besonders eklatant ist die Tatsache, dass die Gruppe der Zuwanderer bei den Deliktfeldern Gewaltkriminalität, Straßenkriminalität, Mord und Totschlag, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung bzw. Belästigung stark überrepräsentiert ist.

Von Interesse für uns ist die Entwicklung diesbezüglich für das erste Halbjahr 2018.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie hat sich die politisch motivierte Kriminalität Links im ersten Halbjahr 2018 in Nordrhein-Westfalen entwickelt? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3247 erstellen)

2. Bei den antisemitischen Straftaten wurden in 64 Fällen keine Täter ermittelt. Wie kommt die Landesregierung unter dieser Vorgabe zu der Einstufung PMK-Rechts in 82 von 89 Fällen?

3. Bei den flüchtlingsfeindlichen Straftaten wurden auch Straftaten gegen Hilfsorganisationen und ehrenamtliche bzw. freiwillige Helfer in die Statistik eingerechnet. Welche Zahlen ergeben sich in der Statistik ohne diese Opfergruppe. (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3245 erstellen)

4. Die Bezeichnung Flüchtling ist sehr unspezifisch und existiert im rechtlichen Sinne nur für Flüchtlinge gemäß Genfer Flüchtlingskonvention. Welche Gruppen fallen unter diese Bezeichnung gemäß der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 17/3245?

5. Wie viele Straftaten durch „Flüchtlinge“ hat es zum Nachteil anderer Bevölkerungsgruppen – also Deutsche bzw. Ausländer mit gesichertem Aufenthaltsstatus – im ersten Halbjahr 2018 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3245 erstellen und unter Berücksichtigung der Frage 4 nennen, welche Gruppen hier unter die Bezeichnung „Flüchtling“ fallen)

Nic Vogel

 

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1 Gemäß Verfassungsschutzbericht NRW 2017, S. 15


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 20.12.2018

 

Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 1726 mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten,
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben,
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
  • gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.

Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105­108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a Strafgesetzbuch als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungs-zusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK).

1. Wie hat sich die politisch motivierte Kriminalität Links im ersten Halbjahr 2018 in Nordrhein-Westfalen entwickelt? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3247 erstellen)

Im ersten Halbjahr 2018 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 322 Straftaten der PMK-Links erfasst.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen.

2. Bei den antisemitischen Straftaten wurden in 64 Fällen keine Täter ermittelt. Wie kommt die Landesregierung unter dieser Vorgabe zu der Einstufung PMK-Rechts in 82 von 89 Fällen?

Bei der Erfassung im Rahmen des KPMD-PMK werden Straftaten in die Phänomenbereiche PMK-Links, PMK-Rechts, PMK-Ausländische Ideologie oder PMK-Religiöse Ideologie eingeordnet, wenn Hinweise aus dem Sachverhalt auf einen der genannten Phänomenbereiche schließen lassen. Kann der Sachverhalt keinem der genannten Phänomenbereiche zugeordnet werden, erfolgt die Zuordnung in den Bereich PMK-nicht zuzuordnen.

Um eine abschließende Zuordnung vornehmen zu können, werden alle bekannten Informationen zu jedem Sachverhalt gemäß der Vorgaben der bundesweiten Richtlinien des KPMD-PMK in einer Einzelfallprüfung gesichtet und bewertet. Eine Straftat kann immer nur einem Phänomenbereich zugeordnet werden.

Im Rahmen der derzeit bundeseinheitlich geltenden „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ sind antisemitische Straftaten dem Phänomenbereich PMK-Rechts zuzuordnen, wenn keine gegenteiligen Tatsachen zur Tätermotivation vorliegen. Sind andere Motivationslagen zu erkennen bzw. berechtigte Zweifel an einer rechten Motivation erkennbar, erfolgt eine andere phänomenologische Zuordnung. Aus diesen Gründen erfolgte eine Zuordnung der 82 Straftaten in den Phänomenbereich PMK-Rechts.

3. Bei den flüchtlingsfeindlichen Straftaten wurden auch Straftaten gegen Hilfsorganisationen und ehrenamtliche bzw. freiwillige Helfer in die Statistik eingerechnet. Welche Zahlen ergeben sich in der Statistik ohne diese Opfergruppe. (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3245 erstellen)

Im ersten Halbjahr 2018 wurden im Rahmen des KPMD-PMK den Unterthemen „gegen Asylunterkünfte“ und „gegen Asylbewerber/Flüchtlinge“ 35 Straftaten zugeordnet, davon sieben Gewaltdelikte.

Weitergehende Daten bitte ich der Anlage 2 zu entnehmen.

4. Die Bezeichnung Flüchtling ist sehr unspezifisch und existiert im rechtlichen Sinne nur für Flüchtlinge gemäß Genfer Flüchtlingskonvention. Welche Gruppen fallen unter diese Bezeichnung gemäß der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 17/3245?

Der aufenthaltsrechtliche Status wird durch die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder festgelegt und im Ausländerzentralregister gespeichert, an dem sich die Polizei orientiert. Eine gesonderte Einstufung durch die Polizei erfolgt nicht.

5. Wie viele Straftaten durch „Flüchtlinge“ hat es zum Nachteil anderer Bevölkerungsgruppen – also Deutsche bzw. Ausländer mit gesichertem Aufenthaltsstatus – im ersten Halbjahr 2018 in Nordrhein-Westfalen gegeben? (Bitte Übersicht analog zur Anlage 1 der Antwort auf die Kleine Anfrage 17/3245 erstellen und unter Berücksichtigung der Frage 4 nennen, welche Gruppen hier unter die Bezeichnung „Flüchtling“ fallen)

Aufgrund abgestimmter Erfassungsmodalitäten werden Informationen zu Opfern in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) lediglich bei Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, sexuelle Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Ehre) sowie bei Widerstand gegen und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte oder gleichgestellte Personen erfasst. Die Beantwortung der Frage wird daher unter Beschränkung auf geklärte Opferdelikte beantwortet.

Der Begriff „Asylbewerber/Flüchtling“ wird in der PKS bei der Spezifizierung von Opfern genutzt und ist dort äquivalent der bundeseinheitlichen Definition für Zuwanderer. Die Definition für Zuwanderer umfasst alle Personen die einen der Aufenthaltsanlässe „Asylbewerber“, „Schutz- und Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ besitzen. In der Anlage 3 ist die Anzahl der Straftaten zu Opferdelikten im 1. Halbjahr 2018 dargestellt, bei denen mindestens ein Zuwanderer als Tatverdächtiger beteiligt war und mindestens ein Opfer nicht der Gruppe der Zuwanderer zuzurechnen ist.

 

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Beteiligte:
Nic Vogel