Konzepte gegen Angst-Räume bei Städtebau und Stadtplanung

Kleine Anfrage
vom 26.07.2017

Kleine Anfrage vom 26.07.2017
des Abgeordneten Roger Beckamp AfD

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Anlage 1 als PDF laden

In einem Interview mit der Rheinischen Post vom 12.07.20171 erklärt die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Ina Schnarrenbach, die Landesregierung wolle bei Städtebau und Stadtplanung „stärker die Bedürfnisse von Frauen bedenken, Frauen viel stärker beteiligen“, um „mögliche Angst-Räume zu vermeiden.“

Verschiedene empirische Untersuchungen haben in der Vergangenheit einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und Wohnumgebung dargelegt. Sozialwissenschaftler haben architektonische und gestalterische Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Umgestaltung von „Angst-Räumen“ entwickelt, die hinsichtlich ihrer Effizienz kontrovers diskutiert werden. Jüngst gab es immer wieder auch Debatten um sogenannte „No-go-Areas“, deren Existenz von führenden Landespolitikern in Nordrhein-Westfalen allerdings bestritten wurden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Was genau versteht die Landesregierung unter einem „Angst-Raum“? (Bitte bei Antwort berücksichtigen: Welche Arten und Formen von „Angst-Räumen“ gibt es und welche spezifischen Gefahren sieht die Landesregierung für Frauen an solchen Orten?)
  2. Welche konkreten Maßnahmen, ggf. auch aktive Eingriffe, sollen von Seiten der Landesregierung ergriffen bzw. berücksichtigt werden, um „Angst-Räume“ bei Städtebau und Stadtplanung sowie bei privaten Bauprojekten zu verhindern?
  3. Gibt es von Seiten der Landesregierung bereits eine flächendeckende Bestandsaufnahme, aus der hervor ginge, an welchen Orten bzw. Stadtteilen die Landesregierung bereits konkret bestehende „Angst-Räume“ insbesondere für Frauen sieht, z.B. aufgrund einer signifikant höheren Kriminalitätsrate oder einer latenten Gefährdung der persönlichen Sicherheit im öffentlichen Raum? Bitte nennen Sie konkretumrissene Wohngebiete und legen Sie dar, um welche Formen von „Angst-Räumen“ es sich handelt.
  4. Liegen der Landesregierung statistische bzw. polizeiliche Erkenntnisse vor hinsichtlich einer besonderen Opfergefährdung auf öffentlichen Plätzen? Falls ja, bitte schlüsseln Sie die Opfergruppe im Zeitraum zwischen 06/2014 bis 06/2017 auf in Anzahl, Geschlecht und Altersgruppen.
  5. Liegen der Landesregierung statistische bzw. polizeiliche Erkenntnisse vor hinsichtlich der Tätergruppe bei Delikten auf öffentlichen Plätzen? Falls ja, bitte schlüsseln Sie im Zeitraum zwischen 06/2014 bis 06/2017 auf in Anzahl und Art der Delikte und bei den Tätern in Geschlecht, Altersgruppen, Aufenthaltsstatus und Nationalität.

Roger Beckamp

1 http://www.rp-online.de/nrw/landespolitik/nrw-ministerin-scharrenbach-mietpreisbremse-nicht-auf-ein-totes-pferd-setzen-aid-1.6942882


Kleine Anfrage 143 des Abgeordneten Roger Beckamp der Fraktion der AfD

„Konzepte gegen Angst-Räume bei Städtebau und Stadtplanung“

LT-Drs. 17/241

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage 143 im Einvernehmen mit dem Minister des Innern wie folgt:

Frage 1

Was genau versteht die Landesregierung unter einem „Angst-Raum“? (Bitte bei Antwort berücksichtigen: Welche Arten und Formen von „Angst-Räumen“ gibt es und welche spezifischen Gefahren sieht die Landesregierung für Frauen an solchen Orten?)

Der Begriff ,Angstraum“ bezeichnet in der Regel einen Ort, an dem Menschen Angst empfinden können. Der Begriff wird in der Stadtsoziologie, in Architektur, Städtebau und Stadtplanung sowie in der urbanen sicherheitspolitischen Debatte thematisiert. Der Begriff kann sich sowohl auf Straßenzüge als auch auf einzelne gestaltete Bereiche (Parkhäuser, Unterführungen, Grünanlagen) beziehen.

Angsträume werden individuell empfunden. Geschlechter- und alters­spezifische Unterschiede spielen dabei eine Rolle. Anerkannte Studien belegen eine überproportionale Betroffenheit von Frauen, Jugendlichen und älteren Menschen.

Der Begriff „Angstraum“ ist im. Polizeigesetz (PolG NRVV) nicht definiert. Im Rahmen landesweiter strategischer Schwerpunktsetzungen sind die Kreispolizeibehörden seit dem Jahr 2005 gehalten, Präsenzkonzeptionen zur Gewährleistung einer gezielten polizeilichen Präsenz an Brennpunkten und in Angsträumen in ihren Bezirken zu entwickeln. Angsträume sind dazu beschrieben als örtlich eng begrenzt und aus Sicht der Kreispolizeibehörde eine qualitativ oder quantitativ nachvollziehbare Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung aufweisend. „Angsträume“ sind vornehmlich durch gezielte polizeiliche Präsenz sowie durch stadtgestalterische Aspekte beeinflussbar.

Frage 2

Welche konkreten Maßnahmen, ggf. auch aktive Eingriffe, sollen von Seiten der Landesregierung ergriffen bzw. berücksichtigt werden, um „Angst-Räume“ bei Städtebau und Stadtplanung sowie bei privaten Bauprojekten zu verhindern?

Städte und Kommunen als Träger der Planungshoheit können für Räume, die als sog. „Angsträume“ benannt werden, entsprechend ausdifferenzierte Konzepte entwickeln.

Mit den Programmen der Städtebauförderung unterstützt das Land Kommunen bei der Beseitigung von städtebaulichen Missständen und der Verbesserung der sozialen Infrastruktur auf der Basis von integrierten, ganzheitlichen und sozialraumorientierten Konzepten. Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes und Beseitigung von „Angsträumen“ spielen hierbei häufig eine wichtige Rolle.

Frage 3

gibt es von Seiten der Landesregierung bereits eine flächendeckende Bestandsaufnahme, aus der hervor ginge, an welchen Orten bzw. Stadtteilen die Landesregierung bereits konkret bestehende „Angst-Räume“ insbesondere für Frauen sieht, z.B. aufgrund einer signifikant höheren Kriminalitätsrate oder einer latenten Gefährdung der persönlichen Sicherheit im öffentlichen Raum? Bitte nennen Sie konkret umrissene Wohngebiete und legen Sie dar, um welche Formen von „Angst-Räumen“ es sich handelt.

Gemäß Ordnungsbehördengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG) sind die Städte und Gemeinden originär für die allgemeine Sicherheit und Ordnung zuständig.

Die Kreispolizeibehörden sind gemäß PolG NRW `subsidiär im Rahmen der in § 1 PolG NRW genannten Aufgaben zuständig.

Eine flächendeckende Bestandsaufnahme hat die Landesregierung mit Übernahme der Regierungsverantwortung nicht vorgefunden.

Frage 4

Liegen der Landesregierung statistische bzw. polizeiliche Erkenntnisse vor hinsichtlich einer besonderen Opfergefährdung auf öffentlichen Plätzen? Falls ja, bitte schlüsseln Sie die Opfergruppe im Zeitraum zwischen 06/2014 bis 0612017 auf in Anzahl, Geschlecht und Altersgruppen.

Als Datenbasis für die Beantwortung der Fragen 4 und 5 dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Die PKS erfasst Straftaten auf öffentlichen Plätzen als Delikte der Straßenkriminalität. Das Deliktsfeld ,,Straßenkriminalität“ beinhaltet nach bundesweit abgestimmter Definition einen umfassenden Deliktskatalog.

Da regelmäßig zum Jahresabschluss der PKS Nacherfassungen und andere Qualitätssicherungsmaßnahmen erfolgen, ist eine rückwirkende Auswertung einzelner Monatsdaten nicht in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit möglich. Die jeweiligen Statistiken für die Jahre 2014, 2015 und 2016 nebst Angaben über die Opfergruppen nach Anzahl, Geschlecht und Altersgruppen können über folgende Internetseite abgerufen werden:

https://polizei,nrwiartikelipolizeiliche-kriminalstatistik

Die Anzahl der Delikte der Straßenkriminalität hat sich wie folgt entwickelt:

Deliktsfeld 2014 2015 2016 2017 (LM.)
Straßentriminalität 393.279 390.382 378.187 170.072

 

Eine besondere Opfergefährdung lässt sich aus den Daten der PKS nicht ableiten.

Frage 5

Liegen der Landesregierung statistische bzw. polizeiliche Erkenntnisse vor hinsichtlich der Tätergruppe bei Delikten auf öffentlichen Plätzen? Falls ja, bitte schlüsseln Sie im Zeitraum zwischen 06/2014 bis 06/2017 auf in Anzahl und Art der Delikte und bei den Tätern in Geschlecht, Altersgruppen, Aufenthaltsstatus und Nationalität.

In der Anlage 1 sind Angaben zu Tatverdächtigen der Straßenkriminalität für die Jahre 2014 bis 06/2017 detailliert dargestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Ina Scharrenbach

Beteiligte:
Roger Beckamp