Kleine Anfrage 772
des Abgeordneten Klaus Esser vom 16.11.2022
Kosten und Leistungsbilanz des Landesprogramms Fokus Bahn NRW
Seit 2019 soll das Landesprogramm Fokus Bahn NRW für Verbesserungen im Schienennahverkehr in Nordrhein-Westfalen sorgen. Laut Pressemitteilung der Landesregierung hat die Gemeinschaftsinitiative unter Federführung des Landes zu einer „verbesserten Zusammenarbeit im Sektor“ und u.a. zu einem deutlichen Bewerberzuwachs für den Lokführerberuf geführt.1
Das Landesprogramm Fokus Bahn NRW folgt auf das 2017 ins Leben gerufene Projekt „Agenda Bahnen“ und soll sich als „starkes Bündnis der Aufgabenträger und Eisenbahnverkehrsunternehmen im SPNV“ etabliert haben. Wenig Konkretes ist zu Kosten und tatsächlichen Arbeitsergebnissen auf den Seiten von Fokus Bahn NRW zu lesen. Zur erwähnenswerten Leistungsbilanz wird etwa aufgeführt, dass man „in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit nicht nur die Mobilität in NRW, sondern mit koordinierten Maskenkontrollen auch die Sicherheit im SPNV“ gesichert habe.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Kosten wurden seit Beginn des Landesprogramms Fokus Bahn NRW bzw. des Vorläuferprojektes „Agenda Bahnen“ nur durch das Land NRW getragen? (Bitte aufschlüsseln nach Programm bzw. Projekt und Gesamtkosten)
- Was hat das Landesprogramm Fokus Bahn NRW die beteiligten Partner seit Gründung insgesamt gekostet?
- Wie viele Lokführerstellen wurden über Fokus Bahn NRW seit Beginn des Programms besetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Monat, Zahl der Bewerbungen und letztlich erfolgte Einstellungen)
- Welche konkreten Tätigkeiten übt die in Duisburg angesiedelte „Regiezentrale“ von Fokus Bahn NRW in welchen Umfang aus?
- Wie evaluiert die Landesregierung den Erfolg des Landesprogramms Fokus Bahn NRW abseits von veröffentlichten Marketingbroschüren und Pressemitteilungen?
Klaus Esser
1 H t t p s: / / w w w .l a n d .n r w / p re s s e mi tt e il u n g /m i n i s te r – w u e s t – f ok u s- ba h n -n r w – is t-e i n-bundesweit-einzigartiges-erfolgsmodell
2 H t t p s :/ / w w w . fo k u s- b a hn . n r w /a k t u el l e s/ det a i l/leistungsbilanz.html
Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 772 mit Schreiben vom 28. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.
- Welche Kosten wurden seit Beginn des Landesprogramms Fokus Bahn NRW bzw. des Vorläuferprojektes „Agenda Bahnen“ nur durch das Land NRW getragen? (Bitte aufschlüsseln nach Programm bzw. Projekt und Gesamtkosten)
Als Landesförderung für Fokus Bahn wurden im Jahr 2019 insgesamt 1,015 Mio. Euro, im Jahr 2020 insgesamt 1,625 Mio. Euro und im Jahr 2021 ebenfalls insgesamt 1,625 Mio. Euro aufgewendet. Gefördert wurden das Programmbüro beim Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) (200.000 Euro) und das Projekt Fokus Gemeinsame Qualifizierung (220.000 Euro in 2019, jeweils 600.000 Euro in 2020 und 2021) sowie das Projekt Fokus Attraktive Arbeitgeber (475.000 Euro) und die übergeordnete Programmkommunikation (120.000 Euro in 2019, 350.000 Euro in 2020 und 2021).
Ende 2021 wurde die gemeinsame Fortführung des Landesprogramms Fokus Bahn NRW für die Jahre 2022 bis 2024 beschlossen. Die Projekte Fokus Gemeinsame Qualifizierung und Attraktiver Arbeitgeber wurden aus Effizienzgründen bei unveränderter Förderung zusammengelegt. Das Projekt Fokus Fahrgast wurde inhaltlich auf die Themen Baustellenorganisa-tion/einheitliche Baustellenkommunikation und Busersatzverkehr erweitert. Neu hinzugekommen sind die Projekte Fokus Klima (Landesweite Koordination der Themen Kundenrückgewinnung nach der Pandemie, 9-Euro-Ticket/Klimakommunikation), die Landesförderung beim VRS beträgt 800.000 Euro, und Fokus Sicherheit. Die Förderung des Landesprogramms Fokus Bahn NRW beträgt in 2022 insgesamt 2,7 Mio. Euro.
- Was hat das Landesprogramm Fokus Bahn NRW die beteiligten Partner seit Gründung insgesamt gekostet?
Die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Aufgabenträger beteiligen sich seit 2019 bis 2022 am Projekt Attraktiver Arbeitgeber, analog zur Landesförderung, mit ebenfalls 475.000 Euro. Darüber hinaus sind die Partner in allen Projekten mit Eigenleistungen in Form umfangreichen Personaleinsatzes sowie mit eigenen technischen Projektkosten beteiligt.
- Wie viele Lokführerstellen wurden über Fokus Bahn NRW seit Beginn des Programms besetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr, Monat, Zahl der Bewerbungen und letztlich erfolgte Einstellungen)
Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützt seit 2019 die Verantwortlichen für die Organisation des nordrhein-westfälischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) – also Aufgabenträger und Eisenbahnverkehrsunternehmen – durch Massnahmen zur Bewerbergewinnung für den Lok-führerberuf.
Hierzu zählen insbesondere der Aufbau und die intensive Betreuung eines Branchennetzwerks mit den Arbeitsagenturen, Jobcentern und Bildungsträgern Nordrhein-Westfalens, sowie kontinuierliches zielgerichtetes Arbeitgebermarketing und Recruiting. Im Ergebnis werden heute monatlich über die gemeinsame unternehmensübergreifende Plattform von Fokus Bahn zwischen 300 und 400 Interessentinnen und Interessenten für den Lokführer-Beruf gewonnen. Aus diesem Interessentenpool werden gemäss der strengen gesetzlichen Qualitätsvorgaben für den Lokführerberuf von den Unternehmen geeignete Bewerber ausgewählt. Alle geplanten Ausbildungsplätze für Lokführer konnten seit Einführung dieser Plattform mit geeigneten Bewerbern besetzt werden. 378 Lokführerinnen und Lokführer haben seit dem Start des Programms ihre Ausbildung über die Maßnahmen von Fokus Bahn NRW erfolgreich abgeschlossen. Die Ergebnisse werden jahresscharf, aber nicht monatlich erfasst. Nach Ausbildungsbeginn im Jahr des Programmstarts waren dies
- 2020: 98 Lokführererinnen und Lokführer
- 2021: 120 Lokführerinnen und Lokführer
- 2022: 160 Lokführerinnen und Lokführer
- Welche konkreten Tätigkeiten übt die in Duisburg angesiedelte „Regiezentrale“ von Fokus Bahn NRW in welchen Umfang aus?
Das Fokus Bahn Projekt „Regiezentrale“ entwickelt und koordiniert die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit der Disponenten, die für die Umsetzung von Verkehrslösungen im Störungsfall (Umleitungen, Busnotverkehre etc.) sowie deren Beauskunftung gegenüber den Fahrgästen zuständig sind. Als bevölkerungsreichstes Bundesland verfügt Nordrhein-Westfalen nicht nur über eine stark belastete Infrastruktur und die betrieblich anspruchsvollsten SPNV-Verkehre, sondern mit elf Bahnunternehmen, die diese Verkehrsleistungen erbringen, auch über die höchste Dichte an Wettbewerbsunternehmen im Markt. Das bedeutet konkret: 30 Prozent der nordrhein-westfälischen-Verkehre sind täglich von Störfällen betroffen, für die ad hoc überwiegend im Zusammenspiel mehrerer Bahnunternehmen und in Zusammenarbeit mit DB Netz Lösungen gefunden und unternehmensübergreifend beauskunftet werden müssen.
Die hierfür zuständigen Disponenten der Bahnunternehmen hatten bis 2019 ihre Standorte in den unternehmenseigenen Leitstellen über Nordrhein-Westfalen verteilt. Sie verfügten über unterschiedliche Auskunftssysteme für die Fahrgastinformation, die Zusammenarbeit war durch die räumliche Distanz und durch unternehmensspezifisch unterschiedliche Dispositionsvorgaben stark erschwert.
Im Rahmen des Fokus Bahn-Projekts Regiezentrale wurden 2019 die Arbeitsplätze der Disponenten unterschiedlicher Bahnunternehmen, die für 90 Prozent des Verkehrs in Nordrhein-Westfalen zuständig sind, in den Räumen der Betriebszentrale der DB Netz in Duisburg zusammengeführt. Die höchst zeitkritischen Abstimmungen im Störfall können so auf kurzem Wege erfolgen, gemeinsame Dispositionskonzepte für einzelne Strecken werden vorbereitend für künftige Störfälle entwickelt und ein gemeinsames Auskunftssystem wird von hier aus unternehmensübergreifend durch gemeinsame Informationsmanager bedient. Ein IT-gestütztes System zur Optimierung der Koordination von Busnotverkehren ist im Aufbau, ebenso wie ein erweitertes Personalkonzept für die Disposition, das den im Zuge des steigenden Baustellenvolumens massiv wachsenden Anforderungen an das Dispositionspersonal gerecht wird.
- Wie evaluiert die Landesregierung den Erfolg des Landesprogramms Fokus Bahn NRW abseits von veröffentlichten Marketingbroschüren und Pressemitteilungen?
Für Monitoring und Evaluierung der Projektfortschritte sind folgende Gremien festgelegt:
- die Stabsstelle Fokus Bahn NRW im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr,
- der Lenkungskreis Fokus Bahn NRW unter Vorsitz des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, der sich zusammen setzt aus den Vorständen und Geschäftsführern der Aufgabenträger und Mitgliedsunternehmen
- sowie die Programmleitung.