Kultur-Lockdown sofort aufheben – Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Museen und Kinos sind keine Infektionsorte

Antrag
vom 03.11.2020

Antragder AfD-Fraktion vom 03.11.2020

 

Kultur-Lockdown sofort aufheben Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Museen und Kinos sind keine Infektionsorte

I. Ausgangslage

Neben Sporteinrichtungen und dem Gastgewerbe hat die Landesregierung auch dem gesam­ten Kulturbetrieb eine vierwöchige Zwangspause auferlegt. So heißt es in der zum 2. Novem­ber 2020 in Kraft getretenen „Coronaschutzverordnung“:

„Konzerte und Aufführungen in Theatern, Opern- und Konzerthäusern, Kinos und anderen öf­fentlichen oder privaten (Kultur-)Einrichtungen sowie der Betrieb von Museen, Kunstausstel­lungen, Galerien, Schlössern, Burgen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen sind bis zum 30. November 2020 unzulässig.“1

Die Begründung von Bundeskanzlerin Merkel für diese Einschränkungen, der die Landesre­gierung folgt, lautet, die Gesundheitsämter würden das Infektionsgeschehen kaum mehr zu­ordnen können.2 Statt das offenbare Scheitern der eigenen Strategie zur Pandemiebekämp-fung einzusehen und endlich auf andere von renommierten Experten vorgelegte Konzepte3 umzusteigen, wurden aber ausgerechnet die Gesellschaftsbereiche zwangsgeschlossen, von denen ganz offenbar gerade keine erhöhten Ansteckungsrisiken ausgehen. Theater, Opern, Konzerthäuser und Museen sind bislang nicht als Corona-Hotspots aufgefallen.

„Es gibt bisher keine einzige nachgewiesene Infektion in einem Theater“, so M. G., Geschäfts­führender Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Mitte Oktober, „nicht in Deutschland, nicht in Österreich, also nicht in Wien, Salzburg, auch nicht in der Schweiz, soweit wir wissen. Und insofern ist das überhaupt kein Ort, der irgendwie tauglich ist, um diesem steigenden Inzidenz-wert zu begegnen.“4

Warum gerade die Zielgruppe von Kulturveranstaltungen nicht imstande sein soll, doch an­geblich wirksame Vorgaben wie Abstandsregeln und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einzuhalten, erschließt sich nicht. Mit steigenden Alkoholpegeln, die als Rechtfer­tigung von Sperrstunden wenigstens noch im Ansatz nachvollziehbar waren, ist bei Besuchen von Theatern, Opern und Museen in der Regel nicht zu rechnen. „Die bisherigen Schutzkon­zepte haben funktioniert“, bestätigt insofern der Sprecher der Orchesterkonferenz des Landes Nordrhein-Westfalen, S. S., „uns ist keine Infektion bei den Besuchern bekannt“.5

Gewährleistet die Erfassung von Zuschauerdaten und Sitzplätzen die ständige Rückverfolg-barkeit in allen betroffenen Bereichen, drücken moderne Lüftungssysteme das Infektionsrisiko vielerorts ohnedies auf ein Minimum. So erkannte die WAZ am 27.10.2020: „Vor allem die leistungsstarken Belüftungsanlagen gelten in Corona-Zeiten als besonderer Trumpf im Kampf gegen die Ansteckungsgefahr. In Vor-Corona-Zeiten dafür gedacht, dem Publikum ein kom­fortables Wohlfühlklima zu schaffen, sind sie nun das A und O der Sicherheitsstrategie.“6

Weiter heißt es:

„Dass die Belüftungsanlagen eine effektive Waffe im Kampf gegen Aerosole sind, kann Rein­hard Hühne, technischer Direktor des Aalto-Theaters, mit eindrücklichen Zahlen belegen. Nach Angaben Hühnes werden beispielsweise im Aalto 45.000 Kubikmeter Frischluft pro Stunde in den Zuschauerraum geleitet und die verbrauchte Luft unter der Decke abgeführt. Die Leistung sei auf einen vollbesetzten Saal ausgerichtet und sorge dafür, dass das gesamte Luftvolumen bis zu 40 Mal pro Stunde komplett ausgetauscht wird.“

Der Deutsche Bühnenverein bestätigt:

„Aus Gesprächen mit dem Umweltbundesamt wissen wir, dass ein dreimaliger Austausch der Innenluft mit Frischluft das Infektionsrisiko wirksam eindämmt. Eine Massenansteckung („Su-perspreader-Event“) ist aus physikalischen Gründen hier nicht möglich! Theater, Opern- und Konzerthäuser sind erwiesenermaßen keine Infektionsorte.“7

Auch in anderen Bundesländern fühlen sich die Betroffenen von den Entscheidungsträgern verprellt. In Bayern schreiben zehn Intendanten bayerischer Staats- und Stadttheater in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder, es gebe „nachweislich greifende Hygiene-Konzepte“ für die „sehr besondere Situation“. Da der Mindestabstand von 1,50 Meter einge­halten werden könne und der Frischluft-Austausch garantiert sei, bestehe „keine Infektionsge-fahr“.8

Die Verantwortlichen in Bund und Ländern interessiert das offenbar nicht. Auch die Ergebnisse dreier wissenschaftlicher Konzertexperimente, nach denen unter strengen Auflagen selbst Großveranstaltungen stattfinden könnten9, ignorieren sie. Das Gleiche gilt für die Realitäten in der Museumslandschaft. „Bisher gibt es keine gemeldeten Fälle von Museen als Infektions-Hotspots“, so ein Appell des Deutschen Museumsbunds an politische Entscheidungsträger vom 28. Oktober 2020:

„Im Gegenteil, Museen können auf langjährige Erfahrungen beim Besuchermanagement zu­rückgreifen, mit Online-Tickets für festgelegte Zeitfenster, einer Begrenzung der Besucherzahlen, großen Räumen, klugen Wegführungen sowie Abstands- und Hygienere­geln, ermöglichen Museen sowohl Besucher*innen als auch Mitarbeiter*innen einen sicheren Aufenthalt.“10

Angesichts all dessen überrascht die Reaktion des Kulturrat NRW auf die aktuell verhängten Maßnahmen nicht: „Der totale Kultur-Lockdown, überall dort, wo Publikum zusammenkommt, ist ein Schock, hat sich die Kulturszene doch bemüht, den Hygieneauflagen nachzukommen und neue Formate zu entwickeln.“11

Die Chefin der Münchener Kammerspiele, Barbara Mundel, bezichtigt die Politik der „komplet­ten Willkür“. In einer Demokratie müssten Regeln verhandelt und ein neuer Umgang mit der Pandemie erlernt werden. „Lernen und verhandeln kann man aber nicht, wenn mit Verboten und Willkür durchregiert wird.“12

Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Baden-Württemberg hat für die neu beschlossenen Corona-Maßnahmen kein Verständnis. Auf die im Kulturbetrieb Be­schäftigten bezogen, kritisiert Landessprecher U. K.: „Ohne deren eigenes Verschulden wird jetzt zum zweiten Mal durch den Lockdown quasi ein Berufsverbot ausgesprochen.“13

In Nordrhein-Westfalen, dem Land mit der größten Theaterdichte Deutschlands, sind von die­sem „Berufsverbot“ allein im Bereich der darstellenden Künste rund 16.000 Erwerbstätige be-troffen.14

„Gerade kleinere und nicht öffentlich geförderte Häuser werden diesen erneuten und vollkom­men unnötigen Schlag vor den Bug nicht überleben“, warnt der Bundesverband Schauspiel15, während die Präsidentin der Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel, ausrichtet:

„Die erneute Schließung von Museen und Ausstellungen, Theatern, Konzertsälen, Kinos u.a. verursacht jedoch gesellschaftlichen und kulturellen Schaden kaum absehbaren Ausmaßes. Die Akademie der Künste fordert, dass den hervorragenden Hygienekonzepten der Institutio­nen und Einrichtungen bei den künftigen Entscheidungen Rechnung getragen wird.“16

Neben der existenzbedrohenden Situation für kleine und mittlere Theater und insbesondere für Privattheater, weist der Deutsche Bühnenverein auch auf die psychologischen Effekte der Lockdown-Politik hin, denn das „Schließen dieser wichtigen öffentlichen Orte – gerade in die­sen Zeiten – stiftet großen gesellschaftlichen Schaden und zerstört die Vertrauensbildung beim Publikum, das gerade dabei war, zu lernen, dass es bei uns seine Zeit geschützt vor Ansteckungen verbringen kann.“17

II. Der Landtag stellt fest,

  1. Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie Museen und Kinos sind keine Orte mit einem erhöhten Infektionsrisiko. Vielmehr sind gerade an diesen Orten die Voraussetzungen ge­währleistet, ein Ansteckungsrisiko erfolgreich zu minimieren.
  2. der Lockdown für den gesamten Kulturbereich ist eine übermäßige Pauschalreaktion, die jedwede sensible Ermessungsgrundlage vermissen lässt.
  3. wirtschaftlich verschlechtert der Kultur-Lockdown die ohnehin prekäre Lage vor allem für kleine und mittlere Theater sowie Privattheater immens.
  4. die politisch verordnete Zwangsschließung suggeriert, Theater, Opern- und Konzerthäu­ser sowie Museen könnten durchaus gefährliche Ansteckungsorte sein. Die daraus er­wachsenen Ängste könnten ein Fernbleiben von Zuschauern auch über den aktuellen Lockdown hinaus bedeuten.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. das Aufführungsverbot in Theatern, Opern- und Konzerthäusern, Kinos sowie anderen öffentlichen oder privaten (Kultur-)Einrichtungen sowie das Betriebsverbot von Museen, Kunstausstellungen, Galerien, Schlössern, Burgen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrich­tungen unverzüglich aufzuheben und die in der Coronaschutzverordnung vom 30. Sep­tember 2020 aufgeführten Regelungen wieder in Kraft zu setzen.
  2. die Erfahrungen und Risikoeinschätzungen der Menschen aus den betroffenen Kulturbe­trieben anzuerkennen und Konzepte zur Reduzierung der Ansteckungsgefahr fortan im engen Schulterschluss mit ihnen zu erarbeiten.

Gabriele Walger-Demolsky
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/201030_coronaschutzverord-nung_vom_30._oktober_2020.pdf

2 https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/nachverfolgung-gesundheitsaemter-tappen-im-dun-keln-woher-kommen-die-infektionen/26572738.html?ticket=ST-2623058-E2efQrOwFcGONchGWS1I-ap3

3 https://www.cicero.de/innenpolitik/stellungnahme-pandemie-bekaempfung-kassenaerztliche-vereini-gung-hendrik-streeck

4 https://www.deutschlandfunkkultur.de/corona-massnahmen-in-nrw-kleine-und-mittlere-theater-sind.1013.de.html?dram:article_id=485861

5 https://www.kulturrat-nrw.de/pressemitteilung-zur-corona-krise-29-10-2020/

6 https://www.waz.de/staedte/essen/wie-essens-theater-corona-mit-lueftungssystemen-paroli-bieten-id230775252.html

7 http://www.buehnenverein.de/de/publikationen-und-statistiken/kulturpolitische-statements/state-ments.html?det=589

8 https://www.br.de/nachrichten/kultur/offener-brief-an-soeder-keine-infektionsgefahr-in-thea-tern,SEERNKk

9 https://www.mdr.de/wissen/experiment-restart-neunzehn-ergebnis-studie-102.html

10 https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2020/10/2020-oktober-museen-helfen-durch-die-krise-und-sollten-zugaenglich-bleiben.pdf

11 https://www.kulturrat-nrw.de/pressemitteilung-zur-corona-krise-29-10-2020/

12 https://www.fr.de/politik/kritik-lockdown-corona-massnahmen-bund-laender-gastronomie-hotel-sport-kino-kultur-90084392.html

13 https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/corona-beschraenkungen-november-reaktio-nen-bw-100.html

14 https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/200514_creative.report_210x280_digi-tal.pdf

15 https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/schauspielerverband-kritik-corona-massnahmen-100.html

16 https://www.adk.de/de/news/?we_objectID=61771

17 http://www.buehnenverein.de/de/publikationen-und-statistiken/kulturpolitische-statements/state-ments.html?det=589