Kunstwerke und Artefakte aus ehemaligen deutschen Kolonien sowie anderen Ländern und Regionen in Museen und Einrichtungen Nordrhein-Westfalens und in Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – Welche Rückgaben wurden bereits vollzogen und welche Rückgabewünsche und -forderungen liegen vor?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1756 vom 26. April 2023
des Abgeordneten Dr. Hartmut Beucker AfD

Kunstwerke und Artefakte aus ehemaligen deutschen Kolonien sowie anderen Ländern und Regionen in Museen und Einrichtungen Nordrhein-Westfalens und in Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Welche Rückgaben wurden bereits vollzogen und welche Rückgabewünsche und -forderungen liegen vor?

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Bundesaußenministerin Baerbock und Kulturstaatsministerin Roth flogen nach Nigeria und übergaben dort die sogenannten Benin-Bronzen.

„Mit großem diplomatischem Protokoll werden die Benin-Bronzen an die Statthalter in Nigeria zurückgegeben. Frisch gereinigt, aufpoliert, beste konservatorische Behandlung. Weniger sollte man den deutschen Treuhändern nicht nachsagen dürfen. Gebrauchsspuren sind ja oh­nehin nicht festzustellen, nachdem sie gleichsam 100 Jahre ziemlich unbenutzt, das heißt un­gesehen in den Effektenkammern lagerten, die in argloseren Zeiten noch „Völkerkundemu-seen“ hießen.“1

Als Anlass für die Rückgabe wird weniger der auch schon in früheren Jahrzehnten geäußerte Rückerhalts-Wunsch Nigerias als die Diskussion über „Postkolonialismus“ angenommen:

„Dass die Nachfahren des mit üblen Sklavengeschäften reich gewordenen Oba-Königs, dem die britischen Kolonisatoren den Palastschatz weggeschleppt hatten, ihre vermummten Köpfe und Figuren gerne wieder gehabt hätten, ist zwar nie verborgen geblieben. Aber es hat erst des greller werdenden postkolonialen Diskurses bedurft, um handlungsleitende Schuldgefühle zu wecken und den ewig imperialistischen Westen in Rückgabe-Stimmung zu versetzen.“2

Die Artefakte hatte das Deutsche Reich um 1900 vom Vereinigten Königreich gekauft. Die Provenienz der Bronzen war unstrittig. Der erste logische Schritt wäre eigentlich eine Rück­gabe an Großbritannien gewesen, das sie dann an Nigeria hätte übergeben können. Image-trächtige Bilder als Wiedergutmacher kolonialer Aneignung wären für die Übergebenden so aber nicht zustande gekommen.

Die Motive für Restitutionen werden daher hinterfragt:

„Restituiert wird in Deutschland inzwischen gern. Fast kein Monat vergeht, in dem dies nicht irgendwo getan wird. Restitution ist geradezu – so könnte man unken – zu einem moralischen Erlösungssport geworden.“3

Weitere Aspekte werden thematisiert:

„Vielfalt ist kaum zu erreichen, wenn Kulturgüter nur da zu sehen sind, wo sie herkommen oder, wie der Zeitgeist ruft, hingehören. Museen sollten sich politischem Opportunismus wi­dersetzen. Gerade wenn sie „dritte Orte“ sein wollen, müssen sie Kontroversen nicht nur aus­halten, sondern anstoßen oder wenigstens beherzt moderieren.“4

Die Übergabe der Bronzen an Nigeria wird auch aus anderen Gründen kritisch gesehen:

„Der Vielvölkerstaat Nigeria zum Beispiel hat mit dem afrikanischen Königtum, aus dem die Benin-Bronzen stammen, nichts zu tun, und ich wage zu behaupten, dass die Bewohner von Edo die Verbesserung ihres prekären Lebensstandards mehr interessiert als ein Museum, für dessen Bau und Betrieb, wie die Dinge liegen, sogenannte Geberländer aufkommen müssten. Dies wiederum eröffnet neokolonialer Einmischung Tür und Tor, und sei es auch nur im Rah­men sach- und fachgerechter Konservation und Präsentation.“5

Und Afrika sei auch vor der Kolonisierung kein gewaltfreies Gebiet gewesen:

„Erinnert sei schließlich auch daran, dass die berühmten Benin-Bronzen dem Ahnenkult eines Königs dienten, der Gefangenen die Köpfe abschlagen ließ, um seinen Vorfahren auszurich­ten, dass er gut geschlafen habe, sowie Kriege führte, um Sklaven zu verschiffen. Die in der Debatte oftmals implizierte Ansicht, vor der Kolonialzeit sei Afrika eine friedliche Idylle gewe­sen, ist nichts als fromme Legende.“6

Die Stadt Köln hat 92 aus derselben britischen Invasion im Jahr 1897 stammende, sich in der Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums befindende Benin-Hofkunstwerke am 15. De­zember 2022 an Nigeria übertragen. 55 Werke sollen sukzessive an Nigeria zurückgeführt werden, 37 verbleiben zunächst als Leihgaben im Kölner Museum.7

Die deutschen Kulturminister verabschiedeten auf ihrer Konferenz im März 2019 eine gemein­same Erklärung:

„Wir wollen in engem Austausch mit den Herkunftsstaaten und den betroffenen Herkunftsge­sellschaften verantwortungsvoll mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten umgehen.“8

Das Deutsche Historische Museum befürwortete die Rückgabe des dort ausgestellten „Cape Cross“ aus Namibia. Der Präsident der Stiftung des DHM begründete dies wie folgt:

„Ethische und politische Gründe würden für eine Rückgabe der Steinsäule aus dem 15. Jahr­hundert sprechen, auch wenn es nach deutschem und internationalem Recht keinen Anspruch auf Restitution gäbe.“9

In den vergangenen Jahrtausenden waren Eroberungen mit Vernichtung, Versklavung und Entführung, mit Zerstörung von Gebäuden, Tempeln und Standbildern, mit Plünderung und Raub von Kulturgütern verbunden. Alexander in Persepolis, die Römer in Karthago, die Goten in Rom, das Christentum und der Islam bei der Ausbreitung, die Spanier in Lateinamerika, das Osmanische Reich bei der Unterwerfung Griechenlands und in den armenischen und griechi­schen Gebieten 1915 und 1922, die Kolonialmächte England, Frankreich, Deutschland, Bel­gien und Niederlande in ihren jeweiligen Kolonien, das Deutsche Reich in den Jahren 1933 – 4510 bei der Enteignung von Juden und dem Kunstraub in besetzten Gebieten, die Sowjetunion beim Kunst- und Bibliothekenraub, der sogenannten „Beutekunst“ in den erober­ten Teilen Deutschlands. Die DDR sprengte ca. 1000 sogenannte „Herrenhäuser“.

Die NZZ führt drei aktuelle Beispiele an:

„Zur Verdeutlichung seien drei Vorkommnisse erwähnt, zu denen der Begriff Kulturschande passt: die Sprengung graeco-buddhistischer Felsfiguren, unersetzlicher Werke der Gandhara-Kunst, in Bamian nach der ersten Machtübernahme der Taliban; die Plünderung des National­museums von Bagdad während des Einmarsches der US-Armee; und last, but not least die Zerstörung der aus der Römerzeit stammenden Wüstenstadt Palmyra durch IS-Kämpfer, die den Chefarchäologen enthaupteten und mit dem Verkauf geraubter Kulturgüter ihren Jihad finanzieren.“11

Das Deutsche Reich war nur für kurze Zeit von 1884 bis 1914 Kolonialmacht. Hier sind vor allem zu nennen Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika (bis 1918), Kamerun, Togo, das Bismarck-Archipel, das Kaiser-Wilhelm-Land, die Palau-Inseln, die Marianen, die Karolinen, die Salomonen, Samoa sowie Kiautschou, ein 1898 besetztes und dann für 99 Jahre gepach­tetes Gebiet in China.1213

Aus all diesen Gebieten könnten Kulturgüter nach Deutschland gelangt sein, darüber hinaus von deutschen Entdeckern in deutsche Völkerkundemuseen gebrachtes oder in deren Privat­besitz verbliebenes oder von anderen Kolonialmächten gekauftes Kulturgut, wie die Benin-Bronzen vom Vereinigten Königreich.

Es stellt sich die Frage, wie mit solchen Kulturgütern umgegangen werden soll: Behalten? Zurückgeben? Ausleihen? Digital öffentlich machen?

Der Journalist Werner Bloch versuchte in Tansania, afrikanische Sichtweisen dazu kennenzu­lernen:

„Ich reise nach Daressalam, in der Hoffnung, ein paar Antworten zu bekommen. Ich will zuhö­ren und erfahren, was mit dem geraubten afrikanischen Kulturgut geschehen soll, das immer noch in deutschen Museen schlummert. Bisher hat ja kaum jemand die Afrikaner nach ihrer Meinung gefragt.“14

Den historischen Hintergrund beschreibt eine Gedenktafel am National Museum of Tanzania:

„Über 300.000 Afrikaner kamen beim Kampf gegen die deutsche Kolonialherrschaft ums Le­ben, allein im Maji-Maji-Aufstand zwischen 1905 und 1907 waren es 120.000 Menschen. Die Anführer des Aufstands wurden hingerichtet und ihnen wurde der Kopf abgetrennt. Diese Köpfe wurden nach Berlin gebracht, noch immer liegen sie im Keller der Charité.“15

Und die Meinungen sind unterschiedlich. Einige Staaten in Afrika verlangen die Rückgabe, die Restitution von Kulturgütern aus Kontexten europäischer Kolonisation. Das wird aber nicht überall unterstützt.

Bénédicte Savoy hatte die Diskussion angestoßen und eine Rückgabe aller afrikanischen Kul­turgüter verlangt, eine Forderung, die sie auch in einer Anhörung des Deutschen Bundestages am 3.April 2019 vehement vertrat.16

Ein Museumexperte aus Kamerun hält dies nicht für durchführbar:

„Die Rückgabe der Objekte nach Afrika ist materiell und technisch unmöglich. Man kann das gar nicht zurückschicken. In den deutschen Völkerkundemuseen lagern ungefähr eine Million Objekte. Ich weiß nicht, wie man das alles nach Afrika schicken soll? Wohin? An wessen Ad­resse? Das ist schlicht unmöglich.“17

Die Restitutionsfrage erscheint ihm als eine Art Inszenierung:

„Bénédicte Savoie, die einflussreiche Gutachterin für Präsident Macron, die sich radikal für eine bedingungslose Rückgabe aller Kulturgüter einsetzt – sie kannte Afrika bis dahin gar nicht. Sie hat für ihre aktuelle Forschung nur ein paar Wochen in Afrika zugebracht. Bis vor kurzem glaubte sie, es gebe dort gar keine bildende afrikanische Kunst, nur Musik.“18

Jener kamerunischer Museumsexperte, der schon vier afrikanische Kulturminister beraten hat, hält die Europäer für unkundig und sieht dies alles skeptisch:

„In Afrika meint er, gebe es keine Kulturpolitik. Und noch weniger gebe es eine Museumspoli­tik. Die Museen hätten dort keinen großen Stellenwert. (…) Eine Rückgabe der Kulturgüter, wie sie Bénédicte Savoie empfiehlt, könne sogar mehr schaden als nützen. Sie könne inner­staatliche Streitereien anfachen.“19

Dies begründet er mit der inneren Verfasstheit Afrikas:

„Die Mehrzahl der afrikanischen Kunstwerke in Europa sind ethnische Objekte. Afrika ist immer noch eine Stammesgesellschaft. Die afrikanischen Staaten bestehen aus Ethnien, die so et­was wie Mikronationen sind. Sie haben einen Gründungsmythos, eine Identität und eine Ge­schichte, die mit denen des Nachbarvolkes nicht das Geringste zu tun hat. Trotzdem leben sie in einem übergeordneten Nationalstaat, der das kulturelle Erbe treuhänderisch verwaltet, aber das bringt oft Konflikte mit sich.“20

Die Leiterin der Historischen Abteilung des National Museum of Tanzania, wiederum hält einen Kompromiss für denkbar:

„Die europäischen Museen sollten glasklar anerkennen, dass die geraubten afrikanischen Ar­tefakte den Afrikanern gehören. Andererseits könnten die Gegenstände – zumindest für eine Zeit – weiterhin in Europa bleiben und dort ausgestellt werden.“21

Sie weitet die Thematik über die Restitution afrikanischer Objekte hinaus aus:

„Aber wie steht es mit der Rückgabe der menschlichen Überreste? Es sind ja viele Afrikaner nach Deutschland verschleppt worden, unter anderem die Söhne von Häuptlingen, die mit rassistischen Methoden vermessen werden sollten. Wo sind ihre Leichen? Auf welchen Fried­höfen liegen sie? Während doch die gefallenen deutschen Soldaten hier in Tansania sehr or­dentlich bestattet wurden und auf ihren Soldatenfriedhöfen besucht werden können.“22

Der Journalist K. aus Tansania betont die psychologischen Folgen des Kolonialismus:

„Menschen aus Deutsch-Ostafrika wurden nach Europa verschleppt und in Zirkusshows vor­geführt wie Tiere. Die schlimmste Folge des Kolonialismus war psychologischer Natur. Wir leben weiter so, als seien wir immer noch kolonisiert. Es ist Zeit, unsere gestohlene Identität zu reparieren.“23

Er weist auf die weggefallenen spirituellen Funktionen der Objekte aus historischen Kulturen hin, wodurch die Restitution kaum mehr Sinn mache:

„Doch die Masken und Fetische, die jetzt in europäischen Museen lagern – es würde nichts nützen, diese zurückzugeben, weil diese Stücke für die Afrikaner keinen Wert mehr haben. Sie sind leer, tot, entseelt – sie haben ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, weil sie aus ihrem Kontext gerissen und damit zu sinnentleerten Objekten werden. Denn es waren keine Kunstobjekte, sondern religiös-rituell-magische Objekte. Nur deshalb waren sie damals so wichtig für die afrikanischen Gesellschaften.“24

K. hält die Sicherung des in Tansania Vorhandenen für vordringlich:

„Wir haben hier in Tansania so viele Artefakte, die großen Gefahren ausgesetzt sind. Einige werden vernachlässigt, andere gehen verloren. Wen Sie durch Daressalam fahren, finden Sie eine Menge traditionelle und religiöse Artefakte, die billig verkauft werden – und die eigentlich hier im Museum sein müssten. Aber wir sammeln diese Dinge nicht. Wir bemerken nicht ein­mal, wie wichtig diese Dinge sind.“25

Auch aus den deutschen Kolonien in der Südsee wurden Kulturgüter nach Deutschland ge­bracht. Herausragendes Beispiel ist das zur Zeit im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbe­sitz befindliche Prachtboot von der Insel Luf, einer der Hermit-Inseln, deren Bevölkerung durch britische und deutsche Strafexpeditionen, Zwangsarbeit und Krankheiten ausgelöscht wurde.

Die Regierung Papua-Neuguineas wünscht keine Rückführung des sogenannten Luf-Boots: „So besehen ist das Fehlen geeigneter Museen kein triftiges Argument gegen die Rückführung gestohlenen Kulturguts – notfalls wären diese von den ehemaligen Kolonialmächten zu finan­zieren. Umso schwerer wiegt der Verzicht der Regierung Papua-Neuguineas auf eine Rück­gabe des im Berliner Humboldt-Forum gezeigten Prachtboots, das ohne museale Konservie­rung längst zerfallen wäre. Denn die Bewohner der Insel Luf, woher das Boot stammt, haben koloniale Strafexpeditionen, von Weissen eingeschleppte Krankheiten und die Arbeit auf den Kopra-Plantagen nicht überlebt.“26

All das wirft viele Fragen auf:

An wen sollen Kulturgüter vergangener, eroberter, überwältigter oder durch Eroberungen vernichteter Kulturen und Völker „zurückgegeben“ werden?

Was ist mit der Büste der Nofretete im Neuen Museum in Berlin oder mit dem Obelisk von Luxor auf der Place de la Concorde in Paris, mit dem Parthenon-Fries im British Museum in London?

Geht es um eine Art Wiedergutmachung für vergangene Kolonisierung?

Oder eher um positive Selbstdarstellung von Staaten oder Personen?

Geläuterte, der Taten ihrer Vorfahren bewusste Deutsche oder Europäer treten als edle Zurückgebende vorbildlich gegenüber den ehemals Kolonisierten auf?

In Bezug auf die Nofretete-Büste und den Pergamon-Altar im Pergamonmuseum in Berlin ent­wickelte sich eine Diskussion innerhalb und außerhalb des Berliner Senats.

Im Rahmen der damals üblichen Fundteilung kamen beide Kulturgüter nach Deutschland, also die um 1340 v. Chr. gefertigte Nofretete aus Ägypten und der in der ersten Hälfte des 2. Jh. v.Chr. erbaute Pergamon-Altar aus dem Osmanischen Reich.27

„Im Falle der Nofretete (Neues Museum) und des Pergamonaltars (Pergamonmuseum) ist die Sache eigentlich klar. Sie wurden von deutschen Ingenieuren ausgegraben und im Einver­ständnis mit der Regierung des Osmanischen Reiches und der ägyptischen Behörden nach Deutschland gebracht.“28

Die Türkei möchte „Kulturgüter des türkischen Bodens“ zurückhaben. Dies betonte der Bür­germeister von Izmir (früher: Smyrna), Tunc Soyer: „Unser Altar ist wie ein Kind, das von seiner Mutter getrennt wurde und wir wollen es zurückhaben. … Wir werden den ganzen Reichtum, der auf diesen Ländern geschaffen wurde, Stück für Stück zurückholen.“29

Die parteilose Berliner Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung, Saraya Gomis, be­fürwortete eine Rückgabe:

„Ich persönlich bin dafür, dass der Pergamonaltar und die Nofretete-Büste zurückgegeben werden. … Aus einer Antidiskriminierungsperspektive muss man sagen: All die Kulturgüter aus anderen Weltregionen gehören nicht uns, sie sind unrechtmäßig hier.“30

Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) widersprach:

„Der Senat strebt nicht an, die Nofretete und den Pergamon-Altar wieder zurückzugeben.“31

In der NZZ wird die Rückgabe von Kulturgütern kritisch gesehen:

„Denn ich werde den Verdacht nicht los, dass die zur Schau gestellte Grossherzigkeit vor allem der Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens dient. Historisches Unrecht lässt sich nicht nachträglich ungeschehen machen oder durch Entschuldigungen aus der Welt schaffen. Und es ist bezeichnend, dass und wie der Katholische Klerus sich wortreich für sexuellen Miss­brauch, die Inquisition oder die Kreuzzüge entschuldigt, während von islamischer Seite nicht einmal die Andeutung einer Schuld oder Mitschuld erfolgt: So, als seien die Eroberung von Byzanz, die Belagerung Wiens oder der im Blut erstickte Aufstand der Griechen gegen die Osmanen nur Quantités négligables gewesen.“32

In diesem Zusammenhang ist ein Überblick über vorliegende Rückgabe-Wünsche bzw. Rück­gabe-Forderungen für Kulturgüter vonnöten, die sich im Besitz nordrhein-westfälischer Mu­seen und Einrichtungen sowie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befinden oder derzeit in nordrhein-westfälischem Privatbesitz sind.

Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 1756 mit Schreiben vom 25. Mai 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister und Chef der Staatskanzlei beantwortet.

  1. Welche Restitutionen von in Nordrhein-Westfalen oder im Besitz der Stiftung Preu­ßischer Kulturbesitz befindlichen Kulturgütern aus ehemaligen deutschen Kolo­nien, ehemals vom Deutschen Reich bis 1918 besetzten Gebieten oder aus ande­ren kolonialen Zusammenhängen wurden bereits vollzogen bzw. sind avisiert? (Bitte einzeln aufführen.)

Zu erfolgten Restitutionen seitens der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kann die Landesregie­rung keine Aussagen treffen, es liegt hier keine entsprechende Auflistung vor.

Eine Übersicht erfolgter Restitutionen seitens Kulturerbe bewahrender Einrichtungen liegt auf Landesebene nicht vor.

  1. Für welche in nordrhein-westfälischen Museen und Einrichtungen an ande­ren Standorten in Nordrhein-Westfalen befindliche Kulturgüter aus ehemaligen deutschen Kolonien, ehemals vom Deutschen Reich bis 1918 besetzten Gebieten oder aus anderen kolonialen Zusammenhängen liegen Rückgabe-Wünsche bzw. Rückgabe-Forderungen vor? (Bitte einzeln aufführen.)

Eine Übersicht vorliegender „Rückgabe-Wünsche“ bzw. „Rückgabe-Forderungen“ an Kultur­erbe bewahrende Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen liegt auf Landesebene nicht vor.

  1. Für welche im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befindlichen Kulturgü­ter aus ehemaligen deutschen Kolonien, ehemals vom Deutschen Reich bis 1918 besetzten Gebieten oder aus anderen kolonialen Zusammenhängen liegen Rück­gabe-Wünsche bzw. Rückgabe-Forderungen vor? (Bitte einzeln aufführen.)

Zu vorliegenden „Rückgabe-Wünschen“ bzw. „Rückgabe-Forderungen“ an die Stiftung Preu­ßischer Kulturbesitz kann die Landesregierung keine Aussagen treffen, es liegt hier keine ent­sprechende Liste vor.

  1. Für welche ehemals im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen befindliche Kul­turgüter bestehen Restitutions-Wünsche bzw. Rückgabe-Forderungen der frühe­ren Eigentümer? (Bitte einzeln aufführen.)

Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

  1. Für welche ehemals im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen befindlichen Kulturgüter bestehen Restitutions-Wünsche bzw. Rückgabe-Forderungen seitens der Landesregierung NRW bzw. landeseigener Einrichtungen? (Bitte einzeln auf­führen.)

Als Landeseinrichtungen werden die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf sowie das Kunst­haus Kornelimünster in Aachen geführt. Kunstwerke und Artefakte aus ehemaligen deutschen Kolonien gehören nicht zu den Sammlungsbeständen.

 

Antwort als PDF

 

1 Hans-Joachim Müller, Wenn Kopien Streit schlichten. Die Utopie der künstlichen Aura: Athen und Kairo haben Sehnsucht nach Parthenon und Nofrete, Welt am Sonntag, 29.1.2023

2 Ebenda

3 Moritz Holfelder, Unser Raubgut. Eine Streitschrift zur kolonialen Debatte, Berlin 2019

4 Marcus Woeller, Unsere Mona Lisa muss in Berlin bleiben, welt.de, 5.1.2023

5 Hans Christoph Buch, Neokoloniale Bevormundung und moralische Selbstentlastung – warum eine flächendeckende Rückgabe von Kolonialkunst nicht wirklich eine gute Idee ist, NZZ, 17.12.2021

6 Ebenda

7 Stadt Köln gibt Benin-Hofkunstwerke an Nigeria zurück. Oberbürgermeisterin Reker unterzeichnet Vereinbarung zur Eigentumsübertragung, stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/presse/mitteilun-gen/25399/index.html

8 Debatte um koloniale Raubkunst. Koloniales Erbe: Deutschland soll Kulturgüter zurückgeben, dw.com/de/a-47895324

9 Ebenda

10 Gerhard Ludwig, Der Massenmord im Weltgeschehen, Stuttgart 1951

11 Hans Christoph Buch, Neokoloniale Bevormundung und moralische Selbstentlastung – warum eine flächendeckende Rückgabe von Kolonialkunst nicht wirklich eine gute Idee ist, Neue Zürcher Zeitung, 17.12.2021

12 Horst Gründer/Hermann Hiery (Hrsg.), Die Deutschen und ihre Kolonien, Berlin-Brandenburg 2017

13 Bartholomäus Grill, Wir Herrenmenschen. Unser rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche Ko-lonialgeschuchte, München 2019

14 Werner Bloch, Tansania und die Kolonialzeit. Der afrikanische Blick, deutschlandfunkkultur.de, 26.2.2019

15 Ebenda

16 Felwine Sarr/Bénédicte Savoy, Zurückgeben. Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter, Berlin 2019

17 Werner Bloch, Tansania und die Kolonialzeit. Der afrikanische Blick, deutschlandfunkkultur.de, 26.2.2019

18 Ebenda

19 Ebenda

20 Ebenda

21 Ebenda

22 Ebenda

23 Ebenda

24 Ebenda

25 Ebenda

26 Hans Christoph Buch, Neokoloniale Bevormundung und moralische Selbstentlastung – warum eine flächendeckende Rückgabe von Kolonialkunst nicht wirklich eine gute Idee ist, Neue Zürcher Zeitung, 17.12.2021

27 Berthold Seewald, Warum die Nofretete-Büste legal in Deutschland steht, welt.de, 25.8.2011

28 Gunnar Schupelius, Soll Berlin auch den Pergamonaltar und die Nofretete verlieren?, bz-berlin.de, 3.1.2023

29 Bedrettin Bölükbasi, Pergamon-Altar soll an Türkei zurückgegeben werde, Frankfurter Rundschau, 5.1.2023

30 Norbert Koch-Klaucke, Hat der Büsten-Streit nun ein Ende? Senat macht klar: Nofretete bleibt Berli­nerin, berliner-kurier.de; 12.1.2023

31 Ebenda

32 Hans Christoph Buch, Neokoloniale Bevormundung und moralische Selbstentlastung – warum eine flächendeckende Rückgabe von Kolonialkunst nicht wirklich eine gute Idee ist, NZZ, 17.12.2021