Lässt die Landesregierung die kleinen Milchbauern fallen?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 1154
der Abgeordneten Zacharias Schalley und Andreas Keith vom 26.01.2023

Lässt die Landesregierung die kleinen Milchbauern fallen?

Während die Landesregierung mit groß angelegten Förderprogrammen wie ELER tiefgreifende Fördermaßnahmen in Milliardenhöhe für die nordrhein-westfälische Landwirtschaft und den ländlichen Raum gelobt, sieht die Realität für viele Milchkuhhaltungen, erheblich verschärft durch die seit bald drei Jahren andauernde Corona-/Wirtschaftskrise, anders aus.1

Seit der Erhebung 2020 haben über 7% der nordrhein-westfälischen Milchkuhhaltungen den Betrieb aufgegeben, bis 2022 rund 200 Betriebe im Jahr. Seit 2016 hat fast ein Viertel der Milchkuhhaltungen die Tore für immer geschlossen. Gleichzeitig stieg die durchschnittliche Herdengröße pro Betrieb um circa 20% – was erhebliche Einbußen in Sachen Wettbewerbsfähigkeit für kleinere Betriebe bedeutet.

Diese Entwicklung findet in Nordrhein-Westfalen gerade flächendeckend statt. Während 2010 noch 46% der LW-Betriebe rund 25% der landwirtschaftlichen Fläche NRWs im Nebenerwerb bewirtschafteten, sind es Stand 2020 bereits 55% der Betriebe, die 33% der Fläche in der Nebenerwerbslandwirtschaft bewirtschaften – auf den Flächenanteil gerechnet eine Steigerung von rund 32%.2 Auf dem Papier stirbt somit der familiengeführte Bauernhof, und damit entwickelt sich die Landwirtschaft von einem umkämpften Markt zu einem Gefüge, das ausschließlich aus Konzernen und Nebenerwerbslandwirtschaftlern besteht.

Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  1. Wie hat sich die Anzahl der gehaltenen Rinder sowie die Anzahl der Milchkuhhaltungen seit 1995 entwickelt?
  2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Wirksamkeit arten- und umweltschützender Maßnahmen hinsichtlich des Erhalts der Milchkuhhaltungen in NRW vor?
  3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit 2020 ergriffen, um Milchkuhhaltungen vor konjunkturbedingten Schließungen zu schützen?
  4. Plant die Landesregierung die Einführung von Hilfspaketen für kurzfristig von der Schließung bedrohte Milchkuhhaltungen?
  5. Sieht die Landwirtschaftspolitik der Landesregierung grundsätzlich eine langfristige Möglichkeit des Erhalts familienbetriebener landwirtschaftlicher Betriebe vor?

Zacharias Schalley
Andreas Keith

 

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1 Htt p s : / / www. T o p agrar.com/markt/news/rinder b e s t a n d -konstant-1-9 0 0 – betriebe-gaben-auf-13 26 40 98 .h t m l ?upgrade=true

2 Htt p s : //www. T o p agrar .com/betriebs l e i t u n g/news/es-gibt-jetzt-m e h r-h o e f e-im-nebenerwerb-als-im-v o l l erwerb-1 32 6 7 2 81.h t m l ?upgrade=true


Der Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1154 mit Schreiben vom 28. Februar 2023 namens der Landesregierung namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

  1. Wie hat sich die Anzahl der gehaltenen Rinder sowie die Anzahl der Milchkuhhal-tungen seit 1995 entwickelt?

Die Anzahl der gehaltenen Rinder und Anzahl der Milchkuhhaltungen seit 1995 geht aus der Anlage hervor.

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Wirksamkeit arten- und um­weltschützender Maßnahmen hinsichtlich des Erhalts der Milchkuhhaltung in NRW vor?

Maßnahmen zum Arten- und Umweltschutz zielen nicht auf den Erhalt der Milchkuhhaltung ab und werden nicht auf dieses Ziel evaluiert.

  1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit 2020 ergriffen, um Milchviehhal-tungen vor konjunkturbedingten Schließungen zu schützen?
  2. Plant die Landesregierung die Einführung von Hilfspaketen für kurzfristig von der Schließung bedrohte Milchkuhhaltungen?

Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Die gesamtwirtschaftliche Lage seit 2020 lässt für den Milchsektor keine Gründe erkennen, die speziell dazu geführt hätten, dass überproportional viele Betriebe die Haltung von Milch­kühen eingestellt haben. Besondere konjunkturbedingte Maßnahmen waren daher nicht not­wendig. Zur grundsätzlichen Unterstützung des Sektors hat die Landesregierung jedoch ent­schieden, dass die Milchumlage nach § 22 Milch- und Fettgesetz in Nordrhein-Westfalen wei­terhin in einer Höhe erhoben wird, die die Finanzierung von Initiativen und Maßnahmen zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Milch sowie zur Sicherung von Qualität, Tiergesundheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit ermöglicht. Es wurde eine entsprechende Vereinbarung mit den Molkereien, Verbänden und dem Landwirtschaftsministerium abgeschlossen, die auch einen Förderzuschuss des Landes enthält.

Da die Lage am Milchmarkt im vergangenen Jahr dazu geführt hat, dass Milchviehbetriebe kostendeckend arbeiten konnten, fehlt für Hilfspakete die Grundlage.

  1. Sieht die Landwirtschaftspolitik der Landesregierung grundsätzlich eine langfris­tige Möglichkeit des Erhalts familienbetriebener landwirtschaftlicher Betriebe vor?

Die bäuerliche Landwirtschaft erfüllt in Nordrhein-Westfalen vielfältige Funktionen für unsere Gesellschaft – sie erzeugt unsere Lebensmittel, gibt Beschäftigung, bewahrt die Kulturland­schaft und ist Teil des sozialen Gefüges im ländlichen Raum. Landwirtinnen und Landwirte wirtschaften auf fast 50 Prozent unserer Landesfläche. Bäuerliche Familienbetriebe waren und sind in Nordrhein-Westfalen die dominierende Betriebsform und werden es auch in Zukunft bleiben.

Bäuerliche Betriebe in Nordrhein-Westfalen werden durch ein breites Spektrum an Förder­maßnahmen unterstützt, überwiegend im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und ergänzt durch Landesmaßnahmen.

In der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik wird die Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe mit der Stärkung der Umverteilungs-Einkommensstützung für Nachhal­tigkeit (Umverteilungsprämie) ausgebaut. Für die ersten 40 Hektar eines Betriebs wird, zusätz­lich zur Basisprämie von 158 Euro je Hektar, eine Förderung von 69 Euro je Hektar gewährt (absinkend auf 65 Euro/Hektar), für weitere 20 Hektar eine Förderung in Höhe von 41 Euro je Hektar (absinkend auf 39 Euro/Hektar), wobei minimale Abweichungen von den vorgesehenen Prämienwerten möglich sind.

Anzahl gehaltenen Rinder und Anzahl der Milchkuhhaltungen in Nordrhein-Westfalen seit 1995

Jahr Rinder Milchkuhhaltungen
1995 1.753.311 18.409
1996 1.711.178 17 376
1997 1.634.200 16.399
1998 1.587.700 14.308
1999 1.561.940 13.213
2000 1.494.429 11.858
2001 1.449.929 10.846
2002 1.401.031 10.740
2003 1.390.396 10.217
2004 1.358.175 9.644
2005 1.346.850 9.008
2006 1.323.695 8.691
2007 1.439.956 9.674
2008 1.439.716 9.333
2009 1.444.879 8.946
2010 1.431.448 8.510
2011 1.414.872 8.084
2012 1.421.399 7.652
2013 1.453.579 7.370
2014 1.463.442 7.056
2015 1.458.481 6.812
2016 1.441.532 6.179
2017 1.419.445 5.848
2018 1.381.612 5.631
2019 1.337.372 5.381
2020 1.299.528 5.166
2021 1.273.339 4.985
2022 1.272.505 4.805

(Quellen: IT NRW und LV Milch NRW)

 

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