Läuft es bald nicht mehr wie geschnitten Brot? – Drangsalieren die Eichämter in NRW das Bäckerhandwerk?

Kleine Anfrage
vom 19.09.2023

Kleine Anfrage 2579

des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD

Läuft es bald nicht mehr wie geschnitten Brot? Drangsalieren die Eichämter in NRW das Bäckerhandwerk?

Das rheinland-pfälzische Landesamt für Mess- und Eichwesen hat dieses Jahr vermehrt verdeckte Kontrollen in Bäckereien durchgeführt. Die Beobachtungen über den Verkaufsablauf in den Handwerksbetrieben sollen der Durchsetzung des Eichgesetzes dienlich sein.1

Nach dem deutschen Eichgesetz müssen Brote vor ihrem Verkauf gewogen werden. Das Abwiegen erfolgt grundsätzlich bei der Produktion. Dennoch liegt ein Gesetzesverstoß vor, wenn Brote zu einem späteren Zeitpunkt halbiert werden, in Schutzfolie gepackt und nicht erneut gewogen werden.2 Gegenüber der Nachrichtenseite tz.de bestätigte das Landesamt für Mess- und Eichwesen, dass die Amtsmitarbeiter verdeckte Käufe von halben Broten getätigt haben. 3

Wenn die Bäckereien das Brot nach dem Halbieren nicht erneut wiegen, wird der Gesetzesbruch mit einem drei- bis vierstelligen Bußgeld geahndet. Ein betroffener Bäcker hat bereits ein Schreiben über die „Ahndung von Ordnungswidrigkeiten“ erhalten, wobei noch keine Bußgelder gefordert wurden.4

Die Konsequenz für das Bäckerhandwerk in Rheinland-Pfalz ist demnach, keine halbierten oder geviertelten Brote mehr zu verkaufen, weil nicht alle Bäckerei-Filialen gleichzeitig mit Waagen ausgestattet werden können. Verbraucher, die lediglich ein halbes Brot verzehren können oder wollen, wären dazu gezwungen, Ressourcen zu verschwenden.

Entgegen der vom Bund angestrebten nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung ist davon auszugehen, dass sich mit dem de facto Verkaufsverbot für halbe Brote das ethische, ökologische sowie ökonomische Problem der jährlichen Lebensmittelverschwendung von elf Millionen Tonnen in Deutschland weiter verschärfen wird.5

Zudem wird vom Deutschen Bäckerhandwerk eine dringend notwendige Entbürokratisierung sowie eine Reduzierung der aktuellen Gesetze um 30 Prozent gefordert, um überhaupt wirtschaftlich arbeiten zu können.6 Nach dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks waren Ende 2022 etwas mehr als 9600 Bäckerbetriebe in die Handwerksrolle eingetragen. Dagegen gab es im Jahr 2014 noch rund 12.600 Betriebe in Deutschland – knapp 3000 mehr als aktuell.

Vor diesem Hintergrund frage ich:

  1. Wie viele verdeckte Kontrollen durch die nordrhein-westfälischen Eichämter bei Bäckereien hat es in den letzten fünf Jahren gegeben?
  2. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden aufgrund der verdeckten Kontrollen bei Bäckereien in den letzten fünf Jahren eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Höhe der Bußgelder)
  3. Wie viele Verstöße gegen das Eichgesetz beim Verkauf von Lebensmitteln wurden in NRW in den letzten fünf Jahren festgestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Betrieb und Verstoß)
  4. Inwiefern sieht die Landesregierung eine Diskrepanz zwischen der Erschwernis halbe Brote zu verkaufen und der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung?
  5. Was wird seitens der Landesregierung unternommen, um der vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kritisierten Bürokratisierung entgegenzuwirken?

Zacharias Schalley

 

MMD18-5968

 

1 https://www.focus.de/panorama/welt/gipfel-des-behoerden-irrsinns-verkaufsverbot-fuer-halbe-brote-in-rheinland-pfalz_id_200386589.html

2 https://www.fr.de/verbraucher/halbes-brote-brot-strafen-bussgelder-messwesen-rente-rentner-eichwesen-eichgesetz-behoerde-baeckerei-92434097.html

3 https://www.tz.de/verbraucher/behoerde-baeckerei-halbes-brot-strafen-bussgelder-messwesen-eichgesetz-eichwesen-92434093.html

4 https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/beh%C3%B6rden-irrsinn-in-rheinland-pfalz-b%C3%A4cker-f%C3%BCr-verkauf-von-halben-broten-bestraft/ar-AA1gr7S8

5 https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/lebensmittelverschwendung/

6 https://www.tagesschau.de/wirtschaft/baeckereien-schliessungen-780-verbandszahlen-101.html


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine Anfrage 2579 mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die jeweiligen Landesämter für Mess- und Eichwesen sind zuständig für den Vollzug des Mess- und Eichgesetzes und der Fertigpackungsverordnung. In diesem Zusammenhang wird auch der Verkauf von verpackten und unverpackten Backwaren wie z. B. Broten kontrolliert. Es ist zu unterscheiden, ob ein Brot auf Wunsch des Kunden an der Ladentheke halbiert wird oder im Vorhinein in Teilstücken abgepackt wird. Im Letzteren Fall stellt der Bäckerbetrieb ein vorverpacktes Lebensmittel her, das vergleichbar auch im Supermarkt erworben werden kann (z. B. Plastiktüte mit Clipverschluss). Somit müssen die Betriebe sowohl bei vorverpackten Bäckerbroten als auch bei vorverpackten Supermarktbroten die gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Nach der Lebensmittelinformationsverordnung und der Fertigpackungsverordnung ist hier eine Gewichtskennzeichnung erforderlich.

Entgegen der Darstellungen in den Medien hat das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz nicht untersagt, auf Kundenwunsch halbierte Brote zu verkaufen. Es wurden auch keinerlei Bußgelder festgesetzt. Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium stellte ebenso klar, dass Bäckereien selbstverständlich halbierte Brote an ihre Kundinnen und Kun­den verkaufen dürfen. Da die gesetzlichen Grundlagen bundesweit einheitlich sind, gelten die getroffenen Aussagen auch für den Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfa­len. Somit dürfen Bäckereien in Nordrhein-Westfalen weiterhin „halbe Brote“ verkaufen.

  1. Wie viele verdeckte Kontrollen durch die nordrhein-westfälischen Eichämter bei Bäckereien hat es in den letzten fünf Jahren gegeben?

Keine

  1. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden aufgrund der verdeckten Kontrol­len bei Bäckereien in den letzten fünf Jahren eingeleitet? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren und Höhe der Bußgelder)

Keine

  1. Wie viele Verstöße gegen das Eichgesetz beim Verkauf von Lebensmitteln wurden in NRW in den letzten fünf Jahren festgestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Betrieb und Verstoß)

Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen ist auf der gesetzlichen Grund­lage im Sinne des Verbraucherschutzes und des fairen Wettbewerbs tätig. Die nachfolgende Auflistung gibt die in Nordrhein-Westfalen beim Verkauf von Lebensmitteln durch den Landes-betrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen geahndeten Verstöße wieder. In der Auf­listung sind auch geahndete Verstöße bei Backwaren enthalten. Eine Aufschlüsselung nach Betrieben ist rechtlich nicht zulässig.

Mit der Novellierung des Mess- und Eichrechts (Verordnung zur Neuregelung des gesetzlichen Messwesens und zur Anpassung an europäische Rechtsprechung vom 11. Dezember 2014) waren Ordnungswidrigkeitentatbestände für Verstöße gegen die Kennzeichnung oder die Nennfüllmengenangabe bei Fertigpackungen weggefallen und konnten somit ab dem 1. Ja­nuar 2015 nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Erst mit Neufassung der Fer-tigpackungsverordnung wurden mit Wirkung zum 1. Dezember 2020 wieder Vorgaben zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bei Fertigpackungen in Kraft gesetzt. In den zurückliegen­den fünf Jahren konnten im Fertigpackungsbereich somit nur für die Jahre 2021 und 2022 Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben geahndet und statistisch erfasst werden. Für das lau­fende Jahr 2023 liegen noch keine abschließenden Daten vor.

 

Jahr 2021: Buß-geldverfahren Verwarnungs-
verfahren
Marktüberwachung bei Fertigpa- ckungen, anderen Verkaufseinheiten und vorverpackten Lebensmit­teln
Füllmengenunterschreitungen    bei Fertigpackungen ungleicher Nenn­füllmenge 27 6
Füllmengenunterschreitungen    bei Fertigpackungen gleicher Nennfüll­menge 18 0
Gewichtsunterschreitungen        bei Backwaren 0 0
Verstöße wegen nicht geeignetem Kontrollmessgerät und fehlender Kontrollaufzeichnungen 2 0
Verstöße bei vorverpackten    Lebensmitteln 23 0
Weitere Verstöße (z.B.  Täuschungspackung nach MessEG) 1 1
Jahr 2022: Buß- geldver- fahren Verwarnungs­verfahren
Marktüberwachung bei Fertigpackungen, anderen Verkaufseinheiten und vorverpackten Lebensmitteln
Füllmengenunterschreitungen bei Fertigpa­ckungen ungleicher Nennfüllmenge 30 0
Füllmengenunterschreitungen bei Fertigpa­ckungen gleicher Nennfüllmenge 11 0
Gewichtsunterschreitungen bei Backwaren 1 0
Verstöße wegen nicht geeignetem Kontroll­messgerät und fehlender Kontrollaufzeich­nungen 1 0
Verstöße bei vorverpackten Lebensmitteln 8 0
Weitere Verstöße (z.B. Täuschungspackung nach MessEG) 1 0

 

  1. Inwiefern sieht die Landesregierung eine Diskrepanz zwischen der Erschwernis halbe Brote zu verkaufen und der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Le­bensmittelverschwendung?

Die in der Frage behauptete Diskrepanz gibt es nicht. Grundlage der Frage ist eine angebliche Untersagung des Landesamtes für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz auf Kundenwunsch halbierte Brote zu verkaufen. Diese Untersagung hat es indessen nicht gegeben.

  1. Was wird seitens der Landesregierung unternommen, um der vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks kritisierten Bürokratisierung entgegenzuwir­ken?

Die vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks vorgetragene Kritik an übermäßi­ger Bürokratiebelastung richtet sich zuvorderst an Bundesrecht. Bei mehreren dort formulier­ten Vorschlägen hat die Landesregierung im Rahmen von Bundesratsverfahren oder in Bund-Länder-Gremien auf Erleichterungen hingewirkt oder wirkt aktuell noch darauf hin.

Im Landesrecht setzt sich die Landesregierung für eine generelle Entlastung von unnötiger Bürokratie ein und verfolgt die angekündigten Ziele zur Verfahrensbeschleunigung und -ver-schlankung, zur Prozessoptimierung und zur Verwaltungsmodernisierung konsequent. Es wurde vereinbart, die Standortbedingungen durch konsequente Entlastungen zu verbessern. So sollen kleine Unternehmen von übermäßigen Anforderungen und Aufzeichnungspflichten entlastet werden, indem Bagatellgrenzen eingeführt oder angepasst und das Prinzip der Än­derungsmitteilung ausgeweitet werden. Berichtspflichten wird die Landesregierung soweit möglich mit einer zeitlichen Beschränkung versehen. Nordrhein-Westfalen soll sich bei der Gesetzgebung an der einfachsten und unkompliziertesten Lösung in Deutschland orientieren. Bei neuen Gesetzen wird die Landesregierung zudem überprüfen, wo im Gegenzug Bürokratie abgebaut werden kann.

 

MMD18-6332