Antrag
der Fraktion der AfD
Legale Glücksspielanbieter entlasten, die kriminelle Automatenszene bekämpfen: NRW muss endlich den Betrieb illegaler „Fun Games“ strafrechtlich sanktionieren!
I. Ausgangslage
Suchtexperten, Ordnungsämter und Polizeibehörden schlagen Alarm: Seit Jahren nimmt die Zahl illegaler Glücksspielautomaten in Nordrhein-Westfalen zu. Insbesondere in den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr sind illegale Spielstätten überproportional vertreten. Der Spiel-suchtexperte Jürgen Trümper, der im Auftrag des Verbands der Deutschen Automaten-Industrie (VDAI) eine entsprechende Studie durchführte, fand heraus, dass im Jahr 2022 an 314 von bundesweit insgesamt 363 untersuchten Spielorten illegale Fun-Games-Geräte aufgestellt und betrieben wurden. Das entspricht einem Anteil von 86,5 Prozent, Tendenz steigend.1 Die so genannten „Fun Games“ unterscheiden sich wesentlich von regulierten Glücksspielen, da sie als Unterhaltungsautomaten ohne direkte Geldgewinne auftreten, was sie gesetzlich in eine Grauzone rückt. Die Spieler erzielen bei diesen Automaten Punktzahlen, die sie außerhalb des Spiels gegen Geld- oder Sachwerte eintauschen können – ein Umstand, der eine effektive behördliche Kontrolle und Besteuerung erschwert. Diese indirekte Gewinnausschüttung führt dazu, dass „Fun Games“ einerseits nicht den strengen Regularien des Glücksspiels unterliegen, andererseits aber durchaus die suchterzeugenden Mechanismen des Glücksspiels aufweisen. Sie stellen damit eine besondere Herausforderung für den Spieler- und Jugendschutz dar und erfordern eine gesetzliche Klarstellung, um die Umgehung der Glücks-spielregulierung zu verhindern. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband warnt seine Mitglieder deshalb eindringlich vor solchen Automaten.2
Der Minister des Innern bestätigt in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage 3399 des Abgeordneten Andreas Keith einen drastischen Anstieg von Straftaten im Zusammenhang mit der Glücksspielkriminalität. Betrug die Anzahl von Straftaten gemäß § 284 StGB „Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels“, § 285 StGB „Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel“ und § 287 StGB „Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder Ausspielung“ im Jahr 2018 noch 70 und 2019 insgesamt 88 Fälle, waren es 2020 bereits 161. Eine besonders besorgniserregende Zunahme erfolgte im Jahr 2021, als die Behörden insgesamt 636 Fälle registrierten, während der Straftatbestand nach §§ 284, 285 und 287 StGB im Jahr 2022 mit insgesamt 683 Fällen auf einem hohen Niveau verblieb. Die Zahlen für 2023 weisen mit 1.905 bekannt gewordenen Fällen wieder einen exponentiellen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr auf.3 Diese besorgniserregende Entwicklung spiegelt sich auch im bundesweiten Trend wider, wie die Daten des Bundeskriminalamtes belegen. In einem alarmierenden Anstieg von 455 Fällen im Jahr 2013 auf 5.281 Fälle im Jahr 2023, zeigt sich das wachsende Ausmaß der Glücksspielkriminalität in Deutschland. Die zunehmende Zahl an Straftaten im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel unterstreicht die Notwendigkeit einer effektiven gesetzlichen Regelung, die den aktuellen Gegebenheiten entspricht und sowohl Spielerschutz als auch Jugend- und Verbraucherschutzmaßnahmen verstärkt.4 Nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) wird die Anzahl der illegal aufgestellten Automaten in NRW auf circa 40.000 Stück geschätzt. Die über keinerlei Spielschutzmaßnahmen verfügenden Geldspielgeräte befinden sich in den Hinterzimmern zahlreicher Gastronomiebetriebe, Wettbüros oder Kulturvereine. Nach Polizeiangaben stammen die Täter oftmals aus dem Kreis krimineller Großfamilien.5
Ursächlich für die steigenden Fallzahlen sei eine Richtlinie für Spielautomaten, die seit dem 11.11.2018 Anwendung findet und eine Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) vorsieht; diese habe zu einer Überregulierung des Marktes geführt, die von Spielern schlecht angenommen worden sei, so ein Sprecher des LKA NRW. Experten verweisen in diesem Zusammenhang auf restriktivere Gewinnlimits und Abstandsgebote – also ausgerechnet strengere Regeln im Sinne des Spielerschutzes –, die illegale Geldspielgeräte attraktiver erscheinen lassen. Die höhere Spielgeschwindigkeit der illegalen Spielautomaten ziehe die Spieler in einen regelrechten Bann, während die Aussicht auf höhere Gewinne einen größeren Reiz biete.6 Legale Spielgeräte unterliegen gesetzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die u. a. eine Pause von fünf Sekunden zwischen zwei Spielen vorsehen und den maximalen Gewinn und Verlust pro Stunde begrenzen.7 Die anfangs erwähnte VDAI-Studie fasst diese Entwicklung folgendermaßen zusammen: „Zu beobachten sind seitdem Verdrängungseffekte, vor allem Abwanderungsbewegungen der Verbraucher zu stationären Schwarzmarktangebo-ten. Letztere bieten dem Verbraucher unter Missachtung gesetzlicher Vorgaben und ohne Einhaltung des notwendigen Jugend- und Spielerschutzes ein attraktiveres Spielerlebnis.“8 „Diese von einem Sprecher des LKA NRW und des Ergebnisses der VDAI-Studie dargelegten Überregulierung spiegelt sich auch in den Erkenntnissen einer Studie der Universität Leipzig wider, die eine tiefgreifende Problematik aufzeigt: Der seit Juli 2021 geltende Glücksspielstaatsver-trag hat sein Ziel, das Spiel auf regulierte Plattformen zu kanalisieren, weit verfehlt. Im März 2023 wurde lediglich eine Kanalisierungsrate von 50,7% erreicht, was die beträchtliche Präsenz und das Ausmaß des Schwarzmarktes verdeutlichen. Nahezu die Hälfte des Online-Glücksspiels findet auf nicht lizenzierten Seiten statt, was nicht nur zu erheblichen Steuerverlusten führt, sondern auch die Notwendigkeit für eine Überarbeitung der regulatorischen Rahmenbedingungen bekräftigt. Die Studienautoren appellieren an die Dringlichkeit, eine attraktivere legale Glücksspielumgebung zu schaffen, um so den illegalen Markt effektiver zu bekämpfen und die erheblichen finanziellen Ausfälle für den Staat zu minimieren.9
Das NRW-Innenministerium erklärte auf Nachfrage, dass ihm keine Vollzugsprobleme beim Vorgehen gegen illegale Spielstätten und die dort aufgestellten Glücksspielautomaten bekannt seien, gab jedoch zu, dass die von Behörden getroffenen Maßnahmen gegen illegales Glücksspiel u. a. aufgrund von Bürgerhinweisen erfolgten.10 Gegen illegale Spielcasinos durchgeführte Großrazzien wie jüngst in Köln lassen vermuten, dass es vor allem Zeugenberichte11 oder anonyme Hinweise12 sind, die die Ermittlungsbeamten immer wieder auf illegal betriebene Spielstätten aufmerksam machen, was wiederum eher für eine wachsende Angebotsdichte unerlaubten Glücksspiels denn für eine erhöhte behördliche Kontrolldichte spricht. Eine Befragung des Arbeitskreises gegen Spielsucht e. V. unter 270 Ordnungsämtern in Nordrhein-Westfalen hat ohnehin bereits vor Jahren ergeben, dass die Hälfte der Ämter Außenkontrollen nur noch „bei Beanstandung“ durchführe.13 Regelmäßige eigeninitiativ durchgeführte Kontrollen erscheinen angesichts der aktuellen Personalsituation vieler Ordnungsämter ohnehin nicht sehr wahrscheinlich. Zudem werden die Mitarbeiter oft nur ungenügend geschult, erklärt Tobias Hayer, Glücksspielforscher an der Universität Bremen: „Es geht nicht nur um die personelle Ausstattung, sondern auch um die Sachkunde.“14 Hinzu kommt, dass illegale Fun Games seltener in konzessionierten Spielhallen entdeckt werden. Vielmehr geraten immer wieder zum Schein eingerichtete Cafés, Kneipen und Shisha-Bars in den Fokus der Beamten. Die häufig in sozialen Brennpunkten gelegenen Gaststätten werden nachts zu illegalen Spielhöllen und bescheren kriminellen Clans regelmäßige Einnahmen in Millionenhöhe.15
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, geht sogar davon aus, „dass die Umsätze des illegalen Automatenspiels inzwischen höher sind als die des legalen Mark-tes“.16 Gemäß zweier Urteile des Bundesverwaltungsgerichts von 2005 werden „Fun Games“ als Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit im Sinne des § 33 c GewO klassifiziert und dürfen in Ermangelung einer dafür erforderlichen Bauartzulassung in Gewerbebetrieben wie Spielhallen weder aufgestellt noch betrieben werden.17 Allerdings liegt bei einer Aufstellung solcher Geräte lediglich ein bußgeldbewährter Verstoß gegen § 6a SpielV, d. h. eine Ordnungswidrigkeit, vor. Für das Vorliegen einer Straftat gemäß § 284 StGB müsste nachgewiesen werden, dass der jeweilige Fun-Games-Automat auch tatsächlich die glücksspieltypischen Gewinnchancen bietet. Da die Gewinne jedoch nicht direkt vom Spielgerät, sondern vom Personal ausgezahlt werden und damit nicht nachverfolgbar sind, entfällt dieses Merkmal. Ohne eine entsprechende Anpassung des Strafrechts fehle laut Blienert jedoch die nötige Gesetzeslage, um effektiv gegen die illegalen Geräte vorgehen zu können.18
Illegale Glücksspielgeräte stellen nicht nur für Staat und Gesellschaft ein Risiko dar, sondern auch für die zahlreichen legalen Anbieter, die die geschäftsschädigenden Auswirkungen des wachsenden Schwarzmarktanteils immer stärker zu spüren bekommen. Hinzu kommen gestiegene Energiekosten und Mindestlohnerhöhungen. Zudem erhöhen viele NRW-Städte kontinuierlich die Vergnügungssteuer. Unter ihnen ist auch die Landeshauptstadt Düsseldorf, in der seit Beginn des Jahres 20 Prozent der Einnahmen pro Apparat und Monat abgeführt werden müssen.19 Hier noch von einer Lenkungswirkung sprechen zu wollen, mit der Spielstätten aus bestimmten Stadtteilen ferngehalten werden sollen, entbehrt vor dem offensichtlichen fiskalischen Interesse der Kommunen jedweder Grundlage. Bei vielen gewerblichen Anbietern ist der Spielraum für weitere Erhöhungen ohnehin vollends ausgereizt, weil sie weder die Preise für Kunden erhöhen noch die Auszahlquoten senken können. Denn das würde lediglich die Attraktivität der illegalen Automaten weiter erhöhen und das Ziel des Spielerschutzes sowie der Kanalisierung im Sinne der Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) weiter aushöhlen.
II. Der Landtag stellt fest:
– Die Zahl illegaler Geldspielautomaten, wie der sogenannten Fun Games, nimmt in Nordrhein-Westfalen seit 2018 ungebremst zu und wird vom Landeskriminalamt auf mindestens 40.000 Stück geschätzt. Dem Staat entgehen auf diese Weise jährlich Steuereinnahmen in Millionenhöhe.
– Gleichzeitig lässt sich ein rasanter Anstieg von Straftaten im Zusammenhang mit der Glücksspielkriminalität konstatieren.
– Experten nennen die Überregulierung des terrestrischen Glücksspiels als eine der Ursachen dafür, dass Spieler zunehmend auf illegale Automatenspiele ausweichen, die keinerlei Spielerschutz bieten.
– Eine hohe Kontrolldichte aller Spielstätten erscheint allein schon aus Mangel an personellen Ressourcen kaum praktikabel, zumal ein nicht geringfügiger Anteil illegaler Automatenspiele in zum Schein eingerichteten Gaststätten vermutet wird. Die Strafverfolgungsbehörden und Ordnungsämter sind daher vermehrt auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.
– Um die Aufstellung und den Betrieb illegaler Fun Games strafrechtlich sanktionieren zu können, bedarf es einer entsprechenden Anpassung des Strafrechts.
– Eine weitere steuerliche Belastung gewerblicher Automatenaufsteller ist zu vermeiden, da sie zum Wachstum des Schwarzmarkts beiträgt und das Ziel der Kanalisierung zu gefährden droht.
– Der Landtag erkennt die zentrale Rolle der Kommunen bei der Durchsetzung der Glücks-spielregulierungen an. Es ist unerlässlich, dass die Kommunen in ihren Aufgaben nicht nur durch gesetzliche Vorgaben, sondern auch durch praktische und finanzielle Mittel unterstützt werden.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
– sich auf allen Ebenen für eine Anpassung des Glücksspielrechts, insbesondere der Spieleverordnung, sowie eine Änderung des § 284 StGB einzusetzen, um bestehende Gesetzeslücken im Hinblick auf das illegale Automatenspiel zu schließen und die Wirksamkeit des § 284 für die Strafverfolgungsbehörden zu verbessern;
– zur Identifizierung der erforderlichen Anpassungen und Änderungen sowie zur Berücksichtigung der verschiedenen Interessen im Rahmen der Gesetzesnovellierung eine Verbändeanhörung unter Einbeziehung des Deutschen Automaten-Verbandes (DAV), des Verbands der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) sowie weiterer Vertreter des gewerblichen Automatenspiels durchzuführen;
– im Zuge der Null-Toleranz-Strategie gegen Clankriminalität auch Betreiber von Café-Casinos sowie andere Scheingastronomen stärker ins Visier zu nehmen;
– die kommunalen Ordnungsdienste bei der Personalakquise und Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen, damit diese effektiver gegen illegale Spielstätten vorgehen können.
– Maßnahmen zu entwickeln, die es den Kommunen ermöglichen, ihre Aufsichtsfunktion effektiver und nachhaltiger auszuüben. Dazu gehört auch eine verbesserte Ausstattung der Ordnungsämter mit den notwendigen technischen und personellen Ressourcen.
Andreas Keith
Dr. Martin Vincentz
und Fraktion
2 https://www.hoga-professional.de/dehoga-aktuell/detail/artikel/24049-vorsicht-bei-fun-game-automaten
3 PKS NRW 2023, S. 40.
4 Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von unerlaubtem Glücksspiel in Deutschland nach Art der Straftat von 2013 bis 2023 [Graph], Bundeskriminalamt, 7. Februar, 2024. [Online]. Verfügbar: https://de.statista.com/statis-tik/daten/studie/236972/umfrage/anzahl-der-gluecksspiel-strafttaten-nach-art-des-verbrechens/
6 Ebd.
7 https://www.gamesundbusiness.de/illegales-gluecksspiel-in-nrw-ein-schlaglicht
10 Drucksache 18/8656
11 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/koeln-razzia-illegales-spiel-casino-ehrenfeld-100.html
12 https://rp-online.de/nrw/staedte/hilden/hilden-polizei-deckt-illegales-gluecksspiel-auf_aid-78839669
17 Vgl. dazu: Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 23.11.2005 – 6 C 8.05 und Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 23.11.2005 – 6 C 9.05.
18 Vgl. Fn. 12.
19 https://www.duesseldorf-wirtschaft.de/wirtschaft/duesseldorf-reformiert-die-vergnuegungssteuer/