Linksextremistische Kontakte in Verwaltungsstrukturen

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 15
der Abgeordneten Markus Wagner, Prof. Dr. Daniel Zerbin und Andreas Keith vom 14.06.2022

 

Linksextremistische Kontakte in Verwaltungsstrukturen?

Am 7. Juni 2022 wurde der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021 vorgestellt. Aus ihm geht auch hervor, dass ein Anstieg im Bereich des Linksextremismus zu verzeichnen ist. Darüber hinaus wird berichtet, dass eine zunehmende Professionalisierung der Informationsbeschaffung durch sogenannte Antifa-Recherchegruppen existiere. Hier heißt es: „Als Anknüpfungspunkt für militante Aktionen und Veröffentlichungen dienen meist die Erkenntnisse von „Antifa-Recherchegruppen“, deren Aktivitäten auf eine möglichst flächendeckende Aufklärung der Strukturen des politischen Gegners ausgerichtet sind. Offene Recherchetätigkeiten finden in der Regel bei Demonstrationen oder rechtsextremistischen Veranstaltungen statt. Angehörige des linksextremistischen Spektrums fertigen dabei Fotos von Teilnehmenden, Ordnern und Rednern an und veröffentlichen sie im Nachgang meist auf Rechercheplattformen im Internet. Einzelne Gruppen professionalisieren diese Informationsbeschaffung und führen verdeckte Recherchen durch. Sie fertigen Bildmaterial von rechtsextremistischen Veranstaltungen an, um diese mit früheren Aufnahmen abzugleichen und so Personen und Verbindungen aufzuklären. Zu diesem Zweck sind Recherchegruppen überregional miteinander vernetzt. Vereinzelt bestehen auch Kontakte in Verwaltungsstrukturen, über die rechtswidrig Personendaten oder vertrauliche Informationen erlangt werden können.“1

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Inwieweit sind der Landesregierung Kontakte von Linksextremisten in Verwaltungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen, wie sie oben beschrieben sind, bekannt?
  2. Gab es bisher Hinweise darauf, ob in nordrhein-westfälischen Verwaltungen und Behörden Mitarbeiter Recherchearbeiten zum Zwecke der Beschaffung von rechtswidrigen oder vertraulichen Informationen für Linksextremisten genutzt haben?
  3. Wie werden Verwaltungsmitarbeiter gegen Linksextremismus sensibilisiert?

Markus Wagner
Andreas Keith
Prof. Dr. Daniel Zerbin

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2022-06-07-verfassungsschutzbericht-2021.pdf?__blob=publicationFile, S. 130–131.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 15 mit Schreiben vom 13. Juli 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.

  1. Inwieweit sind der Landesregierung Kontakte von Linksextremisten in Verwaltungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen, wie sie oben beschrieben sind, bekannt?

Über Kontakte der beschriebenen Art liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

  1. Gab es bisher Hinweise darauf, ob in nordrhein-westfälischen Verwaltungen und Behörden Mitarbeiter Recherchearbeiten zum Zwecke der Beschaffung von rechtswidrigen oder vertraulichen Informationen für Linksextremisten genutzt haben?

Der Landesregierung sind keine derartigen Hinweise bekannt.

So liegen der Landesverwaltung insgesamt keine Erkenntnisse über Disziplinarverfahren gegen Beschäftigte des Landes Nordrhein-Westfalen hinsichtlich Recherchearbeiten für bzw. Datenweitergaben an linksextremistische Gruppierungen vor.

Im Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) ist kein automatisierter Abruf solcher wie in Frage 2 genannten Hinweise möglich. Somit wäre hier eine Einzelfallauswertung aller gemeldeten Sachverhalte aus dem Bereich der PMK-Links notwendig, um eine belastbare Antwort auf diese Frage zu geben. Dies ist in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.

Die im März 2020 erstmalig berufenen Extremismusbeauftragten der Polizeibehörden Nordrhein-Westfalens stehen als Ansprechpartner bei Hinweisen auf Extremismus gleich welcher Form – und damit auch für Hinweise auf linksextremistische Verhaltensweisen – zur Verfügung. Keiner der in den ersten beiden Jahren seitens der Extremismusbeauftragten übermittelten über hundert Hinweise betraf linksextremistische Verdachtsmomente.

  1. Wie werden Verwaltungsmitarbeiter gegen Linksextremismus sensibilisiert?

Als Beamtin oder Beamter darf nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten, § 7 Abs. 1 Nr. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Bei der Einstellung in den nordrhein-westfälischen Landesdienst verpflichten sich die Bewerberinnen und Bewerber hierzu und unterzeichnen eine Erklärung über den Inhalt ihrer Beamtenpflichten mit einem eindeutigen Hinweis auf die freiheitliche demokratische Grundordnung. Darüber hinaus leisten Beamtinnen und Beamte einen Diensteid gemäß Art. 80 Landesverfassung bzw. § 46 Landesbeamtengesetz.

Auch Tarifbeschäftigte werden bei ihrer Einstellung nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen belehrt und auf ihre Verfassungstreue hingewiesen. Die Pflicht, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen, ergibt sich für Tarifbeschäftigte aus § 3 TV – L. Diese Verpflichtung ist umfassend und betrifft dienstliches wie außerdienstliches Verhalten gleichermaßen.

Zusätzlich müssen Personen, die innerhalb der Landesverwaltung mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut sind, zuvor eine Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz NRW durchlaufen. Sicherheitsempfindliche Tätigkeiten sind auch mit der Kenntnis der von unterschiedlichen Formen des Extremismus ausgehenden Gefährdungen verbunden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Führungspositionen sind gehalten, Auffälligkeiten, die sich bei Beschäftigten entwickeln, zu beobachten und gegebenenfalls einzuschreiten. Dazu gehört auch eine mögliche Hinwendung zu extremistischen Meinungen oder Organisationen. Die Beschäftigten des Landes Nordrhein-Westfalen werden beispielsweise auch regelmäßig auf das bestehende Neutralitätsgebot (§ 33 BeamtStG) hingewiesen. Sofern konkrete Handlungserfordernisse erkennbar werden sollten – z.B. aufgrund einer Häufung von Eingaben mit erkennbarem extremistischen oder radikalem politischen Hintergrund – würden die Beschäftigten durch entsprechende Hinweise und Informationen in den Lagebesprechungen sowie über das Intranet sensibilisiert.

Für die darüber hinaus gehende Sensibilisierung der Verwaltungsmitarbeiterinnen und – mitarbeiter zum Thema „politischer Extremismus“ stehen regelmäßige Schulungsangebote in entsprechenden Studienmodulen (z.B. Bachelorstudiengänge an der HSPV NRW), Seminare durch die jeweiligen Extremismus-Beauftragten der Behörden sowie Fortbildungen an der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung.

In der Ausbildung für den Allgemeinen Vollzugsdienst und den Werkdienst der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Ausbildungsgängen des Landes, werden im Rahmen verschiedener Fachgebiete, wie z. B. „Recht und Rechtsgrundlagen“ und „Sozialsysteme und soziale Arbeit“ die grundlegenden Strukturprinzipien der Bundesrepublik Deutschland sowie die Grundlagen des sozialen Systems vermittelt. Im Rahmen dieser Unterrichtsinhalte wird u. a. auch die Thematik „Extremismus“ im Allgemeinen behandelt. Eine entsprechende Sensibilisierung der Anwärterinnen und Anwärter der o. a. Laufbahnen erfolgt darüber hinaus im Fach „Werteorientiertes Handeln“. Daneben bietet das Zentrum für

Interkulturelle Kompetenz der Justiz Nordrhein-Westfalen (ZIK) eine Fortbildungsveranstaltung für Justizbedienstete zum phänomenübergreifenden Erkennen von Radikalisierungstendenzen an. Für das Jahr 2023 ist eine für alle Justizbediensteten zugängliche Fortbildungsveranstaltung bereits in Planung, die sich speziell mit dem Erkennen von Linksextremismus befasst.

Auch die Informations- und Präventionsangebote der Landeszentrale für politische Bildung sowie von Polizei und Verfassungsschutz umfassen den Phänomenbereich Linksextremismus. Diese Angebote richten sich auch an Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung sowie deren Mitarbeitende.

 

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