LOGINEO NRW – Verschwendung von Fördermitteln ohne pädagogischen Erfolg?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 385
der Abgeordneten Carlo Clemens und Dr. Hartmut Beucker vom 30.08.2022

 

LOGINEO NRW Verschwendung von Fördermitteln ohne pädagogischen Erfolg?

Im August 2022 kritisierte der Bundesrechnungshof den auf Bundesebene beschlossenen ‚Digitalpakt Schule‘ und forderte dessen Beendigung. Verteilung und Verwendung der Fördermittel in Höhe von 6,5 Milliarden Euro würden unzureichend kontrolliert, der pädagogische Lernerfolg von Schülern durch die Nutzung digitaler Endgeräte in Frage gestellt.1 Insgesamt würde der Digitalpakt zwar viel Wert auf die Ausstattung von Schulen legen, aber zu wenig auf eine zielführende Umsetzung und die Nutzung digitaler Lernmittel durch pädagogische Fachkräfte.2

Ein Beispiel für den bisher nicht geprüften Lernerfolg digitaler Instrumente im Schulunterricht ist die Lernplattform LOGINEO NRW Lernmanagementsystem (LMS). LOGINEO NRW kann von Lehrkräften und Schülern im Präsenzunterricht genutzt werden, wurde aber vor allem zur digitalen Fernbeschulung während der Corona-Pandemie eingesetzt.3 Ursprünglich sollte es bereits im Jahr 2016 an Schulen angeboten werden. Aufgrund zahlreicher Defizite, u.a. technischer Mängel, vertraglicher Unsicherheiten und datenschutzrechtlicher Probleme, wurde die Einführung verzögert.4 Der von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung beauftragte Gutachter konstatierte, dass die informationstechnische Umsetzung, die Projektorganisation und die vertraglichen Regelungen mangelhaft seien. Das Gutachten ist öffentlich nicht einsehbar und wurde weder dem Landtag noch den Hauptpersonalräten vorgelegt. Nach Einschätzung eines Datenschützers und IT-Gutachters verstößt dieses Vorgehen gegen das Informationsfreiheitsgesetz. Ferner resümiert der renommierte IT-Experte, dass LOGINEO NRW ein mangelhaftes System sei, das weiterhin durch Steuergelder finanziert werde.5 In einem Abschlussbericht vom Juli 2019 zur prozessbegleitenden Evaluation der Einführung von LOGINEO NRW an Pilotschulen wurde lediglich die Arbeitsentlastung und Zufriedenheit des Lehrpersonals abgefragt – nicht aber der pädagogische Lerngewinn für Schüler.6

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie viele nordrhein-westfälischen Schulen nutzten LOGINEO NRW? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2020, Schulen, Schulformen und Kommunen)
  2. Wie ist der Sachstand bei der Behebung der konstatierten Defizite von LOGINEO NRW? (Bitte um Stellungnahme zu technischen Mängeln, vertraglichen Unsicherheiten und datenschutzrechtlichen Problemen)
  3. Wie hoch sind die Kosten für Entwicklung, Implementierung und regelmäßige Updates von LOGINEO NRW? (Bitte aufschlüsseln in bereits entstandene und laufende Kosten für das Land NRW und Fördermittel des Bundes)
  4. Inwiefern werden Lehrkräfte zur pädagogisch und didaktisch sinnvollen Nutzung von LOGINEO NRW geschult?
  5. Wie wird der pädagogische und didaktische Lerngewinn durch die Nutzung von LOGINEO NRW für die Schülerschaft evaluiert?

Carlo Clemens
Dr. Hartmut Beucker

 

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1 https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bundesrechnungshof-fordert-ende-des-digitalpakts-schule-a-950541e6-b86e-4c2c-8f9a-57bca2d27bba

2 https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/klassenzimmer/der-digitalpakt-schule-koennte-eine-verschwendung-sein-16457660.html?prem ium

3 https://www.logineo.schulministerium.nrw.de/LOGINEO-NRW/NEU-LOGINEO-NRW-LMS-Lernmanagementsystem/

4 https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/22306684_Millionen-fuer-die-digitale-Schulplattform-Logineo-NRW.html

5 https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/22306684_Millionen-fuer-die-digitale-Schulplattform-Logineo-NRW.html

6 https://kw.unipaderborn.de/fileadmin/fakultaet/Institute/erziehungswissenschaft/Schulpaedagogik/PDF/190706_Abschlussbericht_LNRW_FINAL.pdf


Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 385 mit Schreiben vom 22. September 2022 namens der Landesregierung beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Digitalisierung bietet erhebliche Chancen für die Bildung. Die Landesregierung verfolgt daher das Ziel, digitale Technik zu nutzen, um Lehr-Lern-Prozesse vielfältig, zeitgemäß und dadurch motivierend zu gestalten und um Schülerinnen und Schüler individuell und inklusiv zu fördern.

Diese Möglichkeiten der Digitalisierung können jedoch nur ihr volles Potenzial entfalten, wenn ein verlässlicher Schutz vor den ebenfalls mit der Technik verbundenen Risiken gegeben ist. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kommt daher ein hoher Stellenwert zu. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Schutz von Daten, gerade von Schülerinnen und Schü­lern, aber auch von Lehrerinnen und Lehrern, denn in schulischen Lehr-Lern-Prozessen sind Vertrauen und Verlässlichkeit wichtige Faktoren für den Lernerfolg.

Vor diesem Hintergrund stellt Nordrhein-Westfalen, wie auch andere Bundesländer, seinen Schulen digitale Anwendungen, insbesondere LOGINEO NRW, bereit, um eine datenschutz-konforme schulische Arbeit digital zu unterstützen. Die Plattform LOGINEO NRW ist zusätzlich nach dem Landespersonalvertretungsgesetz für die im Landesdienst Beschäftigten mitbe­stimmt.

  1. Wie viele nordrhein-westfälischen Schulen nutzten LOGINEO NRW? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren seit 2020, Schulen, Schulformen und Kommunen)

Seit 2018 haben Schulen verschiedener Schulformen in über 300 Städten und Kommunen in ganz Nordrhein-Westfalen sowie weitere Institutionen im schulischen Kontext (z.B. Kompe­tenzteams der Lehrkräftefortbildung, Bezirksregierungen, Zentren für schulpraktische Lehrer­ausbildung (ZfsL), System der Digitalen Fortbildungsoffensive) LOGINEO NRW beantragt und erhalten. Die Entwicklung seit 2020 gestaltete sich hierbei wie folgt:

a) Bereitstellung der LOGINEO NRW Produkte in 2020 (für Schulen und weitere Institutionen im schulischen Kontext):

  • LOGINEO NRW Schulplattform: 1.760
  • LOGINEO NRW Lernmanagementsystem (LMS): 2.163
  • LOGINEO NRW Messenger: 1.398

b) Bereitstellung der LOGINEO NRW Produkte in 2021 (für Schulen und weitere Institutionen im schulischen Kontext):

  • LOGINEO NRW Schulplattform: 2.158
  • LOGINEO NRW Lernmanagementsystem (LMS): 2.630
  • LOGINEO NRW Messenger: 2.100
  • LOGINEO NRW Messenger Videokonferenzoption: 1.011

c) Bereitstellung der LOGINEO NRW Produkte in 2022 (Stand August 2022) (für Schulen und weitere Institutionen im schulischen Kontext):

  • LOGINEO NRW Schulplattform: 2.513
  • LOGINEO NRW Lernmanagementsystem (LMS): 2.829
  • LOGINEO NRW Messenger: 2.188
  • LOGINEO NRW Messenger Videokonferenzoption: 1.154

Eine detaillierte Aufschlüsselung der Zahlen nach Schulform und Kommunen bzw. Standorten ist dem Anhang „Aufschlüsselung Zahlen Erhalt LOGINEO NRW“ zu entnehmen.

  1. Wie ist der Sachstand bei der Behebung der konstatierten Defizite von LOGINEO NRW? (Bitte um Stellungnahme zu technischen Mängeln, vertraglichen Unsicher­heiten und datenschutzrechtlichen Problemen)

Der referenzierte Artikel des NW-Nachrichtenmagazins stammt aus dem Jahr 2018. Zu dem Zeitpunkt befand sich LOGINEO NRW noch in der Entwicklung und war noch nicht veröffent­licht und verfügbar.

Die im Zeitungsartikel angesprochenen Kritikpunkte sind entsprechend der Weiterentwick­lungsstrategie von LOGINEO NRW konsequent behoben worden.

Die vertraglichen Grundlagen wurden im Jahr 2018 neu geordnet. Die Schulplattform LOGI-NEO NRW wurde als erstes Modul im November 2019 zur Verfügung gestellt. Damit erhielten zunächst die Lehrerinnen und Lehrer Zugriff auf eine Vielzahl von Anwendungen zur Organi­sation des Schulalltages. Das Land ergänzte die LOGINEO NRW Produktfamilie im Juni 2020 um das Lernmanagementsystem LOGINEO NRW LMS, welches digital gestütztes Lehren und Lernen ermöglicht und sowohl von Lehrerinnen und Lehrern als auch von Schülerinnen und Schülern genutzt werden kann. Im Sommer 2020 wurde die Kommunikationsplattform LOGI-NEO NRW Messenger eingeführt, welche im Januar 2021 um eine Videokonferenzoption er­weitert wurde und die digitale Kommunikation zwischen Lehrerinnen und Lehrern sowie Schü­lerinnen und Schülern ermöglicht. Aspekte des Datenschutzes wurden intensiv mit den Haupt­personalräten beraten und es wurde hierzu eine Dienstvereinbarung verabschiedet.

Des Weiteren wurde die Projektstruktur seit 2018 professionalisiert. Darüber hinaus wurden ein Qualitätsmanagement und ein Testkonzept etabliert.

Alle zentralen Ausschreibungen sind in Form von öffentlichen und europaweiten Vergabever­fahren (aktuell beispielsweise zum Betrieb von LOGINEO NRW) transparent einsehbar. Dar­über hinaus wird ein Zukunfts-Check von LOGINEO NRW vorbereitet, dessen Ergebnisse ver­öffentlicht werden.

  1. Wie hoch sind die Kosten für Entwicklung, Implementierung und regelmäßige Up-dates von LOGINEO NRW? (Bitte aufschlüsseln in bereits entstandene und lau­fende Kosten für das Land NRW und Fördermittel des Bundes)

Die Kostenentwicklung für Entwicklung, Implementierung und regelmäßige Updates (ohne Kosten für den Betrieb) gestaltete sich wie folgt:

 

Jahr Kosten Entwicklung, Implementierung und regel­mäßige Updates von LOGINEO NRW
2015 bis 2019 5,8 Mio Euro
2020 2,3 Mio Euro
2021 0,75 Mio Euro
2022 0,95 Mio Euro

 

Im Rahmen der Pandemie wurden mit Beschluss des HFA vom 28. Juni 2020 und dem Nach­tragshaushalt Mittel zur Weiterentwicklung (Messenger / LMS/ Videokonferenzlösung) von LO-GINEO NRW i.H.v. 3,42 Mio. Euro im Kapitel 05 300 TG 88 zur Verfügung gestellt. Diese Mittel können bis Ende 2022 verausgabt werden. Zusätzlich wurden Entwicklungskosten von LOGI-NEO NRW aus Mitteln des Kapitels 05 300 TG 62 getragen.

  1. Inwiefern werden Lehrkräfte zur pädagogisch und didaktisch sinnvollen Nutzung von LOGINEO NRW geschult?

Bereits anlässlich der Einführung von LOGINEO NRW wurde ein umfassendes Unterstüt­zungssystem entwickelt.

Im Land Nordrhein-Westfalen beraten derzeit mehr als 200 Medienberaterinnen und Medien­berater die Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung im Rahmen der Digita­lisierung von Schule und Unterricht. Zu ihren Aufgaben gehört auch die pädagogische Unter­stützung der Schulen bei der Einführung und Nutzung von LOGINEO NRW. Zu diesem Zweck werden sie als Multiplikatoren durch die Medienberatung NRW und die Bezirksregierungen mit unterschiedlichen Formaten und Angeboten auch hinsichtlich der möglichen pädagogischen Einsatzszenarien und der Gestaltung von Lernarrangements über LOGINEO NRW geschult.

Des Weiteren stehen auf der Website von LOGINEO NRW (www.logineo.nrw.de) Anleitungen und Erklärvideos zur Unterstützung von Administrierenden, Lehrerinnen und Lehrern sowie – in altersgerechter Form – auch für Schülerinnen und Schüler bereit.

Seit 2020 werden für Lehrkräfte landesweit Online-Seminare zur technischen Einarbeitung und pädagogisch sinnvollen Nutzung des LOGINEO NRW Lernmanagementsystems angeboten. Diese sind seit 2022 in die Lehrkräftemaßnahme der Digitalen Fortbildungsoffensive integriert, die jedem Mitglied des Schulpersonals in Nordrhein-Westfalen offensteht. Die Dezernate 46 der Bezirksregierungen entwickeln weitere Fortbildungsangebote zur Nutzung des LOGINEO NRW LMS und bieten diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit an.

Die Qualitäts- und Unterstützungsagentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS NRW) stellt auf ihren Seiten Moodle-Kurse für die Lernplattform LOGINEO NRW LMS zur Verfügung, die ihrerseits beispielgebend für eine sinnvolle Nutzung von LOGINEO NRW sind und dadurch die Arbeit mit LOGINEO NRW unterstützen.

Mit dem Schuljahr 2022/2023 führt Nordrhein-Westfalen die Funktion einer Digitalisierungsbeauftragten / eines Digitalisierungsbeauftragten an jeder öffentlichen Schule ein, die / der an ihrer Schule die pädagogisch-didaktischen Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse in der digitalen Welt unterstützt.

  1. Wie wird der pädagogische und didaktische Lerngewinn durch die Nutzung von LOGINEO NRW für die Schülerschaft evaluiert?

Der Lerngewinn von digitalen Schulplattformen und Lernmanagementsystemen hängt von ei­ner Vielzahl von Faktoren ab. LOGINEO NRW bietet hierbei eine technische Unterstützung für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt in den Schulen und in den schulischen Unterstüt­zungssystemen (Lehrerausbildung, Lehrerfortbildung). Beim Lehren und Lernen in der digita­len Welt gilt das Primat der Pädagogik. Deshalb hängt der Erfolg von digital gestützten Lehr-und Lernprozessen insbesondere von dem jeweiligen pädagogisch-didaktischen Gesamtkon­zept des Unterrichts, sowie von den organisatorisch-technischen Bedingungen und dem Me­dienkonzept der jeweiligen Schule ab.

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie hat das Ministerium für Schule und Bildung den Schulen Handreichungen zur lernförderlichen bzw. chancengerechten Verknüpfung von Dis­tanz- und Präsenzunterricht sowie Impulspapiere zur Verfügung gestellt, die Hilfestellungen und Hinweise dazu geben, wie Schulen lernförderliche Lernprozesse in der digitalen Welt ge­stalten können.

Zusätzlich führt das Ministerium für Schule und Bildung eine Digitale Fortbildungsoffensive durch, die sich aus drei Maßnahmen zusammensetzt. Durch die Schulleitungsmaßnahme wer­den Schulleitungen bei der digitalen Transformation unterstützt, um aus Schulen einen zu­kunftsoffenen Ort der digitalen Welt zu machen. Ihnen werden vielfältige Angebote bereitge­stellt, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Schule passgenau zugeschnitten werden können. Die Moderatorenmaßnahme soll alle Fortbildnerinnen und Fortbildner der staatlichen Lehrerfortbildung in die Lage versetzen, Lehrkräfte für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt fortzubilden. Durch die Lehrkräftemaßnahme der Digitalen Fortbildungsoffensive werden Lehrerinnen und Lehrer dabei unterstützt, digitalbasierte Konzepte des Lehrens und Lernens im Unterricht und in der weiteren schulischen Arbeit umzusetzen und die erforderlichen digita­len Medien sicher zu handhaben.

Der Lerngewinn in den Schulen in Nordrhein-Westfalen wird durch verschiedene Maßnahmen evaluiert. Nordrhein-Westfalen nimmt mit einer eigenen Landesstichprobe an ICILS (Internati­onal Computer and Information Literacy Study) teil.

Auch die jüngste Studie der „Initiative Soziale Marktwirtschaft“ bescheinigt Nordrhein-Westfa­len im Vergleich der Länder deutliche Fortschritte in der Digitalisierung (INSM Bildungsmonitor. Institut der deutschen Wirtschaft. Köln. 2022).

Über diese allgemeinen Evaluationen hinaus ist für LOGINEO NRW eine besondere Evalua­tion geplant. Die „Dienstvereinbarung zur Einführung, Nutzung und Weiterentwicklung von LO-GINEO NRW“ (sowie im Falle von Realschulen ein entsprechender Erlass) sieht eine wissen­schaftliche Evaluation vor, die derzeit vorbereitet wird.

Darüber hinaus wird aktuell der entsprechende Austausch mit den Nutzerinnen und Nutzern weiter intensiviert, um so deren Rückmeldungen zu Erfahrungen aus der Praxis und ihrer Be­darfe aufzunehmen und einzubeziehen. Dazu wird ein „Praxisbeirat LOGINEO NRW“ einge­führt, der einen ständigen Dialog mit Anwenderinnen und Anwendern von LOGINEO NRW aus unterschiedlichen Funktionsbereichen heraus institutionalisiert.

 

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