Märkischer Kreis: Sexuelle Übergriffe auf Kinder im Bus – Wie sicher sind Kinder im ÖPNV?

Kleine Anfrage
vom 05.12.2023

Kleine Anfrage 3002

der Abgeordneten Markus Wagner und Klaus Esser AfD

Märkischer Kreis: Sexuelle Übergriffe auf Kinder im Bus Wie sicher sind Kinder im ÖPNV?

Bereits am 3. Mai dieses Jahres kam es in einem Bus im märkischen Lüdenscheid zu sexuellen Übergriffen auf zwei Jugendliche. Nun veröffentlichte die Polizei die durch das Smartphone eines der geschädigten Jugendlichen sowie durch eine Überwachungskamera aufgenommenen Bilder des Tatverdächtigen, um eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem mutmaßlichen pädophilen Fahrgast einleiten zu können. Bei dem ersten Opfer soll es sich um einen 14-jährigen Jungen gehandelt haben. Dieser sei gegen 7.30 Uhr an der Haltestelle Sauerfeld1 in Lüdenscheid in den Linienbus 42 eingestiegen und habe sich dort neben einen unbekannten Mann gesetzt. Kurz darauf legte dieser dem Jungen seine Hand auf den Oberschenkel und fasste ihm unvermittelt in den Genitalbereich. Der 14-Jährige schlug die Hand des Täters weg und entfernte sich von diesem. Daraufhin habe der Mann ein etwa 12­jähriges Mädchen angesprochen und dieses gebeten, sich zu ihm zu setzen. Bevor der zuvor geschädigte Junge den Bus verließ, konnte er ein Foto des Verdächtigen mit seinem Handy machen. Die Polizei beschreibt den Flüchtigen als Mann mit schwarzem Haar, braunen Augen und untersetzter Figur.2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Warum wird die Öffentlichkeitsfahndung nach dem oben beschriebenen Tatverdächtigen erst mehr als sechs Monaten nach der Tat eingeleitet?
  3. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in NRW zu Sexualdelikten in Bussen und sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln? (Bitte nach Ort, Delikt, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  4. Bei wie vielen dieser Vorfälle handelte es sich bei den Opfern um Jugendliche oder Kinder? (Bitte nach Jahr, Ort, Delikt, Alter des Opfers sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  5. Wie viele der Täter dieser Delikte konnten auch nach der Fahndung nicht ermittelt werden?

Markus Wagner
Klaus Esser

 

MMD18-7217

 

1 https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/kinder-begrapscht-und-angesprochen-polizei-jagt-paedophilen-aus-dem-bus-86084602.bild.html.

2 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3002 mit Schreiben vom 4. Januar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz sowie dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen. Sie wird nach bundeseinheitlich jährlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten für das Jahr 2023 derzeit noch nicht qualitätsgesichert vor.

Auswertungen zu detaillierten Tatörtlichkeiten sind in der Polizeilichen Kriminalstatistik erst ab dem Berichtsjahr 2018 möglich. Für die hier zugrundeliegenden Fragen sind folgende Katalogwerte ausgewertet worden:

  • Omnibus (ÖPV)
  • Privatbahn
  • S-Bahn
  • Personenzug DB AG
  • Straßenbahn
  • sonstiges schienengebundenes innerstädtisches Verkehrsmittel
  • U-Bahnzug.
  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen hat dem Ministerium der Justiz unter dem 11.12.2023 berichtet, dass nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ein zunächst unbekannter Mann am Morgen des 03.05.2023 in einem mit einer Videoüberwachungsanlage ausgestatteten Linienbus in Lüdenscheid mit seiner Hand einen neben ihm sitzenden 14­jährigen Schüler für etwa 2-3 Sekunden am Oberschenkel berührt habe. Anschließend habe der Mann nach Angaben des Schülers diesen in den Schritt gefasst und „leicht zugegriffen“.

Der dem 14-jährigen Schüler unbekannte Mann habe sich anschließend an ein Mädchen, dessen Alter er auf etwa zwölf Jahre schätze, gewandt und diesem einen Sitzplatz im Bus angeboten. Sodann habe der Geschädigte Lichtbilder von dem Tatverdächtigten angefertigt und sei aus dem Bus ausgestiegen. Hinweise auf eine (sexuelle) Straftat zum Nachteil des unbekannten, etwa zwölfjährigen Mädchens bestünden bislang nicht.

Das noch andauernde Ermittlungsverfahren richte sich nunmehr gegen einen 57 Jahre alten sri-lankischen Staatsangehörigen wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i Strafgesetzbuch (StGB). Dieser sei seit 2014 durch vier Urteile verschiedener Amtsgerichte jeweils zu Geldstrafen wegen verschiedener gegen fremdes Vermögen gerichteter Delikte und Beförderungserschleichung rechtskräftig verurteilt worden. Wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sei zudem die Verhängung einer weiteren Geldstrafe im Strafbefehlswege beim zuständigen Amtsgericht im November 2023 beantragt worden.

  1. Warum wird die Öffentlichkeitsfahndung nach dem oben beschriebenen Tatverdächtigen erst mehr als sechs Monaten nach der Tat eingeleitet?

Zur Beantwortung von Frage 2 hat die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen dem Ministerium der Justiz berichtet, dass der zunächst gegen Unbekannt geführte polizeiliche Ermittlungsvorgang nach Auswertung der durch den Geschädigten gefertigten Lichtbilder und der Videoaufzeichnung am 25.05.2023 bei der Staatsanwaltschaft Hagen eingegangen sei. Durch die Staatsanwaltschaft sei nach Prüfung des Tatverdachts eine ergänzende Vernehmung des Geschädigten veranlasst worden, die auf Grund eines Büroversehens nicht unmittelbar umgesetzt worden sei.

Die Akten seien sodann am 23.08.2023 bei der zuständigen Kreispolizeibehörde eingegangen und die Vernehmung des Geschädigten am 20.09.2023 erfolgt. Mit Beschluss vom 25.10.2023 habe das Amtsgerichts Hagen die Veröffentlichung der vorhandenen Lichtbilder gemäß §§ 131b, 131c Strafprozessordnung (StPO) wegen einer Straftat nach § 184i StGB angeordnet. Daraufhin habe die Polizei am 13.11.2023 die Öffentlichkeitsfahndung veranlasst.

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in NRW zu Sexualdelikten in Bussen und sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln? (Bitte nach Ort, Delikt, Anzahl der Täter sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich – aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2018 bis 2022 – die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Bussen und sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln zu entnehmen:

Berichtsjahr Fälle
2018 230
2019 184
2020 213
2021 122
2022 329

 

  1. Bei wie vielen dieser Vorfälle handelte es sich bei den Opfern um Jugendliche oder
    Kinder? (Bitte nach Jahr, Ort, Delikt, Alter des Opfers sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich – auf Basis der Auswertung zu Frage 3, aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2018 bis 2022 – alle bekannt gewordenen Fälle gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Bussen und sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln zu entnehmen, in denen mindestens ein Opfer im Alter von 0 bis 17 Jahren erfasst worden ist:

Berichtsjahr Fälle
2018 92
2019 62
2020 42
2021 14
2022 142

 

  1. Wie viele der Täter dieser Delikte konnten auch nach der Fahndung nicht ermittelt werden?

Die Polizeiliche Kriminalstatistik lässt sich nicht automatisiert hinsichtlich des Erfolges kriminaltaktischer Maßnahmen, wie zum Beispiel Vernehmungen, Telefonüberwachungen oder Fahndungen auswerten. Hierzu wäre eine händische Sichtung jedes einzelnen geklärten Ermittlungsverfahrens notwendig. Diese Auswertung ist mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand verbunden, der in der für eine Kleine Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist.

 

MMD18-7611