Maßnahmen gegen das Rosskastanien-Sterben

Kleine Anfrage
vom 30.11.2023

Kleine Anfrage 2978

des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD

Maßnahmen gegen das Rosskastanien-Sterben

Die Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) gilt nicht nur als schönster Herbstbaum Deutschlands, sondern auch als einer der beliebtesten Stadt-, Park- und Alleebäume. Während die Rosskastanie im Frühling durch ihre weiße Blütenpracht auffällt, wird sie im Sommer für das Schatten spendende Blätterdach wertgeschätzt. Im Herbst basteln die Kinder aus den mahagonibraunen Früchten die altbekannten Kastanienmännchen. Obwohl die Baumart derartige Beliebtheit erfährt und als nicht wegzudenkendes Gestaltungselement des öffentlichen Grüns charakterisiert werden kann, ist die Baumart in ihrem Bestand massiv bedroht.1

Dass die Rosskastanien zunehmend kränkeln, kann daran erkannt werden, dass die Bäume bereits im Sommer kaum noch Blätter tragen und die verbliebenen Blätter ausgetrocknet und welk sind.2

Das Rosskastanien-Sterben gilt als Komplexerkrankung, die zum einen durch den Befall der Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella) und inzwischen auch durch ein noch gefährlicheres Bakterium (Pseudomonas syringae pv. Aesculi) ausgelöst wird.3 Genau wie die Rosskastanie stammt auch die Moniermotte vom Balkan und kam ursprünglich in isolierten Populationen in sehr unzugänglichen Schluchtwäldern vor. Die Motte wurde erstmals 1984 an kultivierten Rosskastanien um den Ohridsee in Mazedonien entdeckt, und bereits nach fünf Jahren war fast ganz Europa von der Invasion betroffen.4

In Deutschland ist die Rosskastanienminiermotte seit 2003 bundesweit anzutreffen, die sich über Bayern und Baden-Württemberg entlang der Autobahn- oder Bahntrassen sowie entlang der Flussläufe und Wasserwege mit einer Geschwindigkeit von circa 70 Kilometern pro Jahr ausbreitete.5

Das invasive Insekt aus der Ordnung der Kleinschmetterlinge braucht die weißblütige Gewöhnliche Rosskastanie zum Leben und verursacht gleichzeitig ein auffälliges Schadbild des Baumes:

Die erste Generation von Cameraria ohridella befällt die Unterkrone, wobei die Befallsintensität am Baum von außen nach innen abnimmt. Die Oberkrone wird durch die zweite Generation besiedelt. Nach Ende der Blattentwicklung und vor Beginn des Rosskastanienblüte beginnt unmittelbar die Eiablage in die Epidermis der Blätter sowie ein starkes Schwärmen unterhalb der Baumkrone. Nach dem Schlupf findet sofort die Begattung am Stamm statt. Pro Jahr entstehen drei bis vier Generationen der Moniermotte, wobei die Überlappungen der Generationen besonders problematisch sind. Schon in der ersten Generation kommt es zu Überliegeraten von bis zu 30 %, die in den weiteren Generationen noch zunehmen. Die Puppen überwintern im Blatt, und aus einem Kilogramm trockenen Laubes können bis zu 4500 Tiere schlüpfen, sodass das Aufsammeln von einem Kilogramm Laub bei einem vorausgesetzten Anteil von 50 % Weibchen etwa ein Potential von 50 000 Eiern vernichtet. Im Boden konnten nur wenige überlebende Puppen nachgewiesen werden.

Laut Fachdiskussionen sind Rosskastanienminiermotten aufgrund ihres zahlreichen Auftretens im Sommer als Lästlinge zu charakterisieren, von denen zu bestimmten Zeiten eine starke Belästigung der Bürger durch massiven Mottenzuflug in Wohnbereichen ausgeht.

Folgeschäden des Befalls durch Cameraria ohridella sind nicht nur frühzeitige, umfangreiche Laubverbräunungen oder Laubabwerfen, sondern auch Zuwachsverluste und sekundär auftretende Pilze, deren Befall letztendlich zum Tod des Baumes beiträgt. Entscheidend für die Auswirkung durch den langfristigen Befall ist die Wasserversorgung der Bäume sowie die Standortgüte.6

Noch verheerendere Folgen entstehen durch die Pseudomonas-Krankheit, die für die Rosskastanie besonders verhängnisvoll ist und in Deutschland erstmals 2007 am Niederrhein festgestellt wurde. Die Krankheit wird durch den Befall des Bakteriums Pseudomonas syringae pv. aesculi ausgelöst, durch das Risse und schwarze Stellen im Stamm entstehen, die wiederum eine Angriffsfläche für Pilze darstellen. Durch die Bakteriose können Pilze in das Bauminnere eindringen, sodass der Baum nach einigen Jahren stirbt oder Äste morsch werden, sodass er eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt und gefällt werden muss.

Laut Naturschutzverband Schutzgemeinschaft Deutscher Wald sind über die Hälfte aller Rosskastanien in Deutschland von Pseudomonas syringae befallen.7

In Nordrhein-Westfalen sind ganze Straßenzüge und denkmalgeschützte Alleen von den Folgen der Pseudomonas-Krankheit betroffen. Alleine in Krefeld mussten 454 erkrankte Kastanien gefällt werden, und auch der Sprecher des Hamburger Instituts für Baumpflege schätzt die Lage in NRW als „sehr heftig ein“. Die Ausbreitung von Pseudomonas wird nachweislich durch Feuchtigkeit gefördert. Dabei ist bisher unklar, ob sie durch Insekten oder Vögel ausgelöst wird, wobei vieles auf eine Verbreitung durch Wind hindeutet.8

Vor diesem Hintergrund frage ich:

  1. Inwieweit wird ein Monitoring zur Befallsfeststellung durch die Rosskastanienminiermotte und das Pseudomonas-Bakterium in NRW durchgeführt?
  2. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Vorkommen der Rosskastanienminiermotte und Pseudomonas-Bakterium zu dezimieren?
  3. Wie hat sich der Bestand an Rosskastanien in Nordrhein-Westfalen in den letzten 20 Jahren entwickelt?
  4. Inwieweit sind der Landesregierung im Hinblick auf die zunehmende Kompostierung des Laubes durch die Kommunen Belastungen mit insektiziden Wirkstoffen bekannt?
  5. Inwiefern wird die Selektion weniger anfälliger Bäume durch Züchtung und Kreuzung mit der weiß blühenden Rosskastanie von der Landesregierung gefördert?

Zacharias Schalley

 

MMD18-7144

 

1 https://www.n-tv.de/wissen/Kastanien-sterben-in-ganz-Deutschland-article12936911.html

2 https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/pflanzen/pflanzen-schuetzen/11650.html

3 https://www.sdw.de/ueber-den-wald/gefahren-fuer-den-wald/waldschaedlinge/kastanienminiermotte/

4 https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/5_natur_in_nrw/50019_Natur_in_NRW_3_2011.pdf

5 https://www.sdw.de/ueber-den-wald/gefahren-fuer-den-wald/waldschaedlinge/kastanienminiermotte/

6 https://www.openagrar.de/servlets/MCRFileNodeServlet/openagrar_derivate_00032750/2002-081.pdf

7 https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2023/10/dramatisches-baumsterben-gibt-es-in-deutschland-bald-keine-kastanien-mehr-herbst-bakterien-pilz

8 https://www.n-tv.de/wissen/Kastanien-sterben-in-ganz-Deutschland-article12936911.html


Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2978 mit Schreiben vom 4. Januar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Mi­nister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

  1. Inwieweit wird ein Monitoring zur Befallsfeststellung durch die Rosskastanienminiermotte und das Pseudomonas-Bakterium in NRW durchgeführt?

Flächendeckende Erhebungen zur Verbreitung von Pseudomonas in Nordrhein-Westfalen lie­gen nicht vor. In diesem Zusammenhang wird auf die Vorlage 16/1197 verwiesen. Gleiches gilt für das Auftreten der flächendeckend vorhandenen Rosskastanienminiermotte.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Vorkommen der Rosskastanienminiermotte und Pseudomonas-Bakterium zu dezimieren?

Maßnahmen der Landesregierung umfassen mangels wirksamer und zugelassener Bekämp­fungsverfahren die Information und Beratung von Kommunen, Baumschulen, Bürgerinnen und Bürgern durch den Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

  1. Wie hat sich der Bestand an Rosskastanien in Nordrhein-Westfalen in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Aus Kreisen der Baumschulwirtschaft ist bekannt, dass die Nachfrage der Kommunen nach Pflanzgut von Kastanien in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist.

  1. Inwieweit sind der Landesregierung im Hinblick auf die zunehmende Kompostie­rung des Laubes durch die Kommunen Belastungen mit insektiziden Wirkstoffen bekannt?

Der Landesregierung liegen dazu keine Informationen vor. Nach den gesetzlichen Vorgaben der Bioabfallverordnung sind insektizide Wirkstoffe im Regelfall zur Qualitätsüberwachung von Komposten nicht zu untersuchen. Insektizide Wirkstoffe gehören auch nicht zum vorgeschrie­benen Standardparameterumfang des RAL-Gütesiegels der Bundesgütegemeinschaft Kom­post.

Da zur Bekämpfung der Rosskastanienminiermotte keine zugelassenen Insektizide zur Verfü­gung stehen, die Anwendung von Insektiziden an Kastanien technisch sehr aufwändig wäre und keine Hinweise auf illegale Anwendungen von Insektiziden an Kastanien vorliegen, ist ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Rosskastanienminiermotte und einer Belastung von Komposten mit Insektiziden nicht naheliegend.

  1. Inwiefern wird die Selektion weniger anfälliger Bäume durch Züchtung und Kreu­zung mit der weißblühenden Rosskastanie von der Landesregierung gefördert?

Der Landesregierung lagen und liegen keine entsprechenden Bitten um Förderung vor.

 

MMD18-7589