Maßregelvollzug in Brandenburg seit Jahren überbelegt – Ist NRW besser aufgestellt?

Kleine Anfrage
vom 26.02.2024

Kleine Anfrage 3383

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Hartmut Beucker AfD

Maßregelvollzug in Brandenburg seit Jahren überbelegt Ist NRW besser aufgestellt?

Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag machte deutlich, dass die Einrichtungen des Maßregelvollzugs überlastet sind. Obwohl nur 269 reguläre Plätze zu Verfügung stehen, seien 310 Plätze belegt. Gleichzeitig verwies das brandenburgische Sozialministerium jedoch darauf, dass die Belegungssituation in fast allen Bundesländern sehr angespannt sei. Grund dafür sei der Umstand, dass immer mehr Fälle von Menschen mit Suchterkrankungen oder psychiatrischen Auffälligkeiten den Maßregelvollzug erreichten. Darüber hinaus nehmen auch kurzfristige Einweisungen ohne Wartezeit zu.1

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Personen wurden in Nordrhein-Westfalen wegen einer Gewaltstraftat verurteilt? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie viele davon waren zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig bzw. schuldunfähig? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)
  3. Wie viele Personen wurden in Nordrhein-Westfalen wegen einer angeklagten Gewaltstraftat freigesprochen? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)
  4. Wie viele davon waren laut Anklageschrift zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig bzw. schuldunfähig? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)
  5. Wie viele der in den Fragen 1 – 4 abgefragten Personen besaßen eine ausländische Staatsangehörigkeit? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)

Markus Wagner

Dr. Hartmut Beucker

 

MMD18-8194

 

1 Vgl. https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/massregelvollzug-in-brandenburg-seit-jahren-ueberbelegt-19365578.html.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3384 mit Schreiben vom 28. März 2024 na­mens der Landesregierung beantwortet.

Vorab weise ich darauf hin, dass mir die Daten der Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2023 noch nicht vorliegen. Daher beschränken sich die erbetenen Angaben auf den Zeit­raum der Jahre 2010 bis 2022.

  1. Wie viele Personen wurden in Nordrhein-Westfalen wegen einer Gewaltstraftat verurteilt? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)

Die nachfolgenden statistischen Daten beziehen sich auf Delikte, die gemäß der bundesweit abgestimmten Definition in der polizeilichen Kriminalstatistik als Gewaltstraftaten erfasst wer­den. Dazu zählen

  • Straftaten gegen das Leben (Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen),
  • Sexualdelikte (Vergewaltigung und besonders schwere Fälle der sexuellen Nötigung),
  • Körperverletzung (Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche und schwere Körperver­letzung, ab 2014 auch die Verstümmelung weiblicher Genitalien),
  • Straftaten gegen die Freiheit (erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme),
  • Raub und Erpressung (Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfah­rer) sowie
  • der Angriff auf den Luft- und Seeverkehr.

Nicht dazu zählen einfache Körperverletzungen.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, das am 10. November 2016 in Kraft getreten ist, wurde das Sexualstrafrecht umfassend reformiert. Aufgrund der geänderten Strafnormen ist eine deliktsspezifische Vergleichbarkeit über die Zeit nur eingeschränkt möglich.

Nach diesen Maßgaben ergibt sich die Anzahl der wegen einer Gewaltstraftat verurteilten Personen aus der der nachfolgenden Tabelle.

  Anzahl
der wegen einer
Gewaltstraftat
verurteilten Personen
2010 9.041
2011 8.581
2012 8.055
2013 7.101
2014 6.199
2015 5.662
2016 5.628
2017 5.666
2018 5.656
2019 5.578
2020 5.277
2021 4.802
2022 4.682

 

  1. Wie viele davon waren zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig bzw. schuldunfä­hig? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr auf­schlüsseln.)

Die Anzahl der wegen einer Gewaltstraftat verurteilten Personen, bei denen gemäß § 21 StGB die verminderte Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt festgestellt wurde, ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

  Verurteilte vermindert schuldfähig
gem. § 21 StGB
2010 757
2011 731
2012 678
2013 610
2014 568
2015 559
2016 574
2017 574
2018 568
2019 577
2020 542
2021 472
2022 471

 

Wer gemäß § 20 StGB schuldunfähig handelt, bei Begehung der Tat also wegen einer krank­haften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen einer In­telligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, kann nicht verurteilt werden. Daher werden diese Personen statistisch unter den „Abgeurteilen“ erfasst. Die Anzahl der wegen einer Gewaltstraftat abgeurteilten Personen, bei denen gemäß § 20 StGB die Schuldunfähig­keit zum Tatzeitpunkt festgestellt wurde ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Abgeurteilte
schuldunfähig
gem. § 20 StGB

76

58

72

59

67

59

72

102

87

101

119

106

82

  1. Wie viele Personen wurden in Nordrhein-Westfalen wegen einer angeklagten Ge­waltstraftat freigesprochen? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch ange­ben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)

Die Anzahl der Personen, die wegen einer angeklagten Gewaltstraftat freigesprochen wurden, ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

  Anzahl der
Angeklagten, die
freigesprochen
wurden
2010 1.178
2011 1.195
2012 1.174
2013 1.119
2014 1.148
2015 1.138
2016 1.050
2017 1.011
2018 1.063
2019 1.015
2020 1.022
2021 1.015
2022 984

 

  1. Wie viele davon waren laut Anklageschrift zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfä­hig bzw. schuldunfähig? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben sowie nach Jahr aufschlüsseln.)

Die erbetenen Informationen liegen mir nicht vor. Im Vorgangssystem der Staatsanwaltschaf­ten in Nordrhein-Westfalen wird nicht elektronisch auswertbar erfasst, ob Personen laut An­klageschrift vermindert schuldfähig oder schuldunfähig sind. Insofern wäre eine händische Auswertung aller infrage kommender Verfahren seit 2010 erforderlich. Dies ist mit vertretbaren Aufwand nicht leistbar.

  1. Wie viele der in den Fragen 1 4 abgefragten Personen besaßen eine ausländische Staatsangehörigkeit? (Bitte für die Jahre 2010 bis heute tabellarisch angeben so­wie nach Jahr aufschlüsseln.)

Der nachfolgenden Übersicht ist die Anzahl der nicht-deutschen Personen zu entnehmen, die wegen einer Gewaltstraftat verurteilt wurden, die gem. § 20 StGB schuldunfähig und die gem. § 21 StGB vermindert schuldfähig waren.

In der Gruppe der abgeurteilten Personen, bei denen gemäß § 20 StGB zum Tatzeitpunkt die Schuldunfähigkeit festgestellt wurde sind auch die Personen enthalten, die freigesprochen wurden. Darüber hinaus könnten hier auch Personen enthalten sein, deren Verfahren durch das Gericht eingestellt worden ist. Zudem weise ich hinsichtlich der Zahlen zur verminderten Schuldfähigkeit bzw. die Schuldunfähigkeit von nicht-deutschen Verurteilten darauf hin, dass diese unvollständig sind, weil die Staatsanwaltschaft Bochum aufgrund technischer Gründe fristgerecht keine Daten für die Beantwortung der Frage zur Verfügung stellen konnte.

Mit diesen Maßgaben ergeben sich folgende Zahlen:

  Nicht- Deutsche Personen
wegen
Gewaltstraftat
verurteilt
gem. § 20 StGB
schuldunfähig
waren
gem. § 21 StGB
vermindert
schuldfähig waren
2010 2.143 10 171
2011 2.295 11 176
2012 2.266 9 208
2013 2.016 8 200
2014 1.853 3 225
2015 1.757 10 266
2016 1.939 11 266
2017 1.938 11 275
2018 2.049 10 325
2019 2.016 19 309
2020 1.862 14 296
2021 1.752 31 351
2022 1.738 23 160

 

MMD18-8662