Materialdiebstahl auf Baustellen steigt exorbitant

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 515
der Abgeordneten Markus Wagner und Carlo Clemens vom 05.10.2022

 

Materialdiebstahl auf Baustellen steigt exorbitant

„Die Täter entwendeten rund 1.400 Meter Kupferkabel. Die genaue Schadenshöhe lässt sich noch nicht beziffern, dürfte ersten Einschätzungen zufolge aber deutlich über 100.000 Euro liegen.“1

So berichtete die Hessenschau am 13. Juli 2022 über einen Vorfall, bei dem eine Großbau­stelle in Groß-Gerau geplündert wurde. Dies ist einer von vielen Diebstählen auf (Groß-) Baustellen, die auch in Nordrhein-Westfalen immer häufiger zu verzeichnen sind. Oft gehen dabei die Schäden in die Millionen. Die betroffenen Unternehmen erleiden einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden und die dementsprechenden Diebstähle verursachen zum Beispiel bei der Deutschen Bahn AG auch Zugverspätungen und sogar Zugausfälle, sodass letztlich auch die Öffentlichkeit geschädigt wird.2

Wie ein Artikel in der Rheinischen Post ausführt, werden Baustellen aufgrund hoher Material­kosten und knapper Güter für Kriminelle immer attraktiver. Unlängst wurden in Ruppichteroth im Rhein-Sieg-Kreis eine Rüttelplatte, eine Baggerschaufel und ein 50 Meter langes Starkstromkabel gestohlen. Die Tatsache, dass alleine die Rüttelplatte rund 500 Kilogramm schwer ist, lässt darauf schließen, dass die Diebe professionell agierten und mit entsprechenden Fahrzeugen ausgestattet waren. Hermann Schulte-Hiltrop, Hauptgeschäfts­führer der Bauverbände NRW, macht deutlich, dass häufiger als sonst Baustellen von Diebstählen betroffen seien und solche Vorfälle einen vorübergehenden Baustopp zur Folge habe, was weitere Kosten verursache. Als Konsequenz investieren immer mehr Baufirmen in Sicherheitssysteme, mit denen unter anderem über Lautsprecher unbefugte Personen ange­sprochen werden können. Im Jahre 2021 kam es bundesweit zu rund 31.000 sogenannten Vertreibungen von Baustellen durch Ansprache, 622 eingeleitete Verhaftungen und 1.236 durch die Polizei verhaftete Personen. Von Beginn dieses Jahres bis August wurden bereits rund 55.000 Vertreibungen, 612 eingeleitete Verhaftungen sowie 1.108 durch die Polizei verhaftete Personen gezählt. Bauwatch, Marktführer im Bereich Sicherheitssysteme, hat errechnet, dass pro Vertreibung ein potenzieller Schaden von etwa 15.000 Euro abgewendet werde, wobei etwaige Bauverzögerungskosten nicht eingerechnet sind. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass die Hochsaison für Diebstähle dieser Art von Mitte Oktober bis Dezember liegt.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie viele Diebstähle auf Baustellen in Nordrhein-Westfalen wurden seit 2015 registriert? (Bitte nach Jahr und entstandenem Schaden aufschlüsseln.)
  2. Welche Bauprojekte des Landes Nordrhein-Westfalen waren seit 2015 von Diebstählen betroffen? (Bitte nach Jahr und entstandenem Schaden aufschlüsseln.)
  3. Wer sind die Straftäter? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  4. Welcher Anteil der unter Frage 3 genannten Personen hatte zum Tatzeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland?
  5. Welche Vorkehrungen trifft das Land, um seine Baustellen gegen derartige Diebstähle zu sichern?

Markus Wagner
Carlo Clemens

 

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1 Vgl. https : // www. Hessenschau .de/panorama/schaetzungs weise-ueber-100 000- euro – schaden- metalldiebe -pluendern-baustelle-in-kelsterbach ,kurz- metalldiebe -104.html.

2 Vgl. https : // www. Bundespolizei .de/Web/ DE / 0 2 Sicher-im-Alltag /05 Weitere-Themen/ 03_Achtung_Metalldiebe / Achtung _Metalldiebe_node . html.

3 Vgl. https : // rp-online .de/ nrw /panorama/ baustellen-nrw- deutlich -mehr-dieb staehle-kabel-werkzeug- und-maschinen_aid – 7720 4023.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 515 mit Schreiben vom 4. November 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sowie dem Minister der Justiz beantwortet.

  1. Wie viele Diebstähle auf Baustellen in Nordrhein-Westfalen wurden seit 2015 re­gistriert? (Bitte nach Jahr und entstandenem Schaden aufschlüsseln.)

Als Datenbasis für die Beantwortung der Frage dient die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird nach bundeseinheitlich festgelegten Richtlinien erstellt.

Die Fallzahlenentwicklung der Diebstähle in oder aus überwiegend unbezogenen Neu- und Rohbauten sowie Baustellen ist der folgenden Übersicht zu entnehmen.

Jahr Fälle Gesamtschaden
2015 2.306 3.382.459 €
2016 1.930               2.907.289 €
2017 2.351               3.195.037 €
2018 2.010               2.952.530 €
2019 2.112               3.857.928 €
2020 2.135               3.308.497 €
2021 2.229               4.123.129 €

 

  1. Welche Bauprojekte des Landes Nordrhein-Westfalen waren seit 2015 von Dieb­stählen betroffen? (Bitte nach Jahr und entstandenem Schaden aufschlüsseln.)

Das Ministerium der Finanzen hat mir zur Beantwortung mit Schreiben vom 21.10.2022 fol­gende Information zur Verfügung gestellt.

„Bis zum Zeitpunkt der Abnahme haftet grundsätzlich der Bauunternehmer für Diebstähle, auch wenn das Gebäude bereits abgeschlossen ist und vom Bauherren betreut wird. Die Schäden durch Diebstähle, für die die Bauunternehmer haften und die den Großteil der Dieb­stähle auf Baustellen darstellen, werden vom BLB NRW nicht erfasst.

Erst die nach der Abnahme der Bauleistungen und vor Übergabe an den Mieter/Nutzer ent­stehenden Schäden gehen zu Lasten des BLB NRW. Eine entsprechende Datenlage für die Liegenschaften des BLB NRW liegt nicht vor.“

  1. Wer sind die Straftäter? (Bitte Tatverdächtige, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tat­verdächtigen nennen.)
  1. Welcher Anteil der unter Frage 3 genannten Personen hatte zum Tatzeitpunkt sei­nen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Bundesrepublik Deutschland?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.

Das Ministerium der Justiz hat mir zur Beantwortung mit Schreiben vom 13.10.2022 folgende Information zur Verfügung gestellt.

„Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage kann ich, soweit mein Geschäftsbereich zu Fragen 3 und 4 berührt ist, nicht beitragen. Entsprechende Statistiken werden im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz nicht geführt. Zur Beantwortung der in der Kleinen Anfrage aufgewor­fenen Fragen 3 und 4 wäre daher eine händische Auswertung sämtlicher Verfahrensakten der Staatsanwaltschaften des Landes Nordrhein-Westfalen seit 2015 erforderlich. Dies kann mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht geleistet werden.“

Die Anzahl in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasster Tatverdächtiger mit Wohnsitz im Aus­land von Diebstählen in oder aus überwiegend unbezogenen Neu- und Rohbauten sowie Bau­stellen in Nordrhein-Westfalen ist der folgenden Übersicht zu entnehmen.

Jahr Wohnort Ausland
2015 38
2016 24
2017 24
2018 22
2019 30
2020 32
2021 27

 

  1. Welche Vorkehrungen trifft das Land, um seine Baustellen gegen derartige Dieb­stähle zu sichern?

Das Ministerium der Finanzen hat mir zur Beantwortung folgenden Beitrag übersandt.

„Die Vorkehrungen, die der BLB NRW zur Sicherung seiner Projekte nach Abnahme der Bau­leistungen und vor Übergabe an den Mieter/Nutzer trifft, sind abhängig von der Gefährdungs­einschätzung des jeweiligen Projektes sowie auch von der voraussichtlichen Dauer zwischen Abnahme und Übergabe. Des Weiteren hängen die Vorkehrungen auch von den gewählten Vergabeverfahren ab, also davon, ob in den Projekten gewerkeweise Einzelabnahmen oder Gesamtabnahmen von GU/GÜ-Leistung erfolgen.

Vorkehrungen des BLB NRW gegen Diebstähle auf Baustellen nach Abnahme und vor Über­gabe können die üblichen Sicherungsmaßnahmen umfassen:

– Verschluss von Türen, Fenstern und besonders zu sichernder Räume in „Betriebsqua­lität“ (also nicht nur durch Bauzylinder)

– Scharfschaltung installierter Sicherungs- und Alarmanlagen

– Bewachung durch Wach- und Sicherheitsdienste

– Weiterbetreiben der Baustellen-Videoüberwachung bis zur Übergabe

– Kombinationen der möglichen Vorkehrungen“

 

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