Mehr männliche Lehrer an Grundschulen!

Antrag

Antrag

der Fraktion der AfD

Mehr männliche Lehrer an Grundschulen!

I. Ausgangslage

Laut offizieller Statistik des Landes Nordrhein-Westfalen waren im Schuljahr 2020/21 weniger als ein Drittel aller Lehrer im Land Männer. Besonders signifikant war das Missverhältnis der Geschlechter bei den Grundschulen, an denen nur 9,9 Prozent des Lehrpersonals männlich waren.1 An manchen Grundschulen, etwa in Waltrop, ist der Männermangel nach Pressebe­richten mittlerweile so groß, dass nicht ein einziger Lehrer männlich ist.2

Die Debatte um den Einfluss des Geschlechts der Lehrkraft auf die Benotung männlicher Schüler wird in der Wissenschaft seit Jahren geführt.3 Einige Studien kommen zu dem Ergeb­nis, dass sich mögliche Benachteiligungen von Jungen etwa in unterschiedlicher Benotung sowie Förderung ausdrücken können.4 Auswirkungen dieser jahrzehntelangen Entwicklung zeigen sich auch in der schulischen Leistungsbilanz von Jungen: Sie haben deutlich höhere Abbrecherquoten und kommen seltener auf weiterführende Schulformen, die zum Studium befähigen.5 Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass sich der Anteil der Ju­gendlichen ohne Schulabschluss in Deutschland seit zehn Jahren auf einem hohem Niveau bewegt. Im Jahr 2021 lag die Zahl bei 47.490 jungen Menschen, wobei der Anteil der Jungen 60 Prozent betrug.6 In NRW betrug die Zahl der Abgänger ohne Schulabschluss im Jahr 2021 10.125, wobei der Anteil der Jungen sogar 62,1 Prozent betrug.7

Blickt man allein auf die statistischen Zahlen, zeigt sich ein immer höherer Anteil weiblicher Lehrer an Schulen sowie ein immer größerer Anteil an männlichen Schülern, die zu den Bil­dungsverlierern gezählt werden können. Es gilt, die Befunde von der Aggregatebene auf die Individualebene zu übertragen und nachzuweisen – eine Forschungslücke.8

Neben der Gefahr einer möglichen Benachteiligung männlicher Schüler erscheint eine Erhö­hung des Anteils männlicher Lehrer an allen Schulformen generell wünschenswert, sollte doch auch in der Lehrerschaft das Verhältnis der Geschlechter angemessen repräsentiert werden. Männliche und weibliche Lehrkräfte bringen i.d.R. eigene Perspektiven und Denkweisen mit, die für die Schüler einen Mehrwert bringen. Der zu geringe Anteil an männlichen Lehrern ge­rade in Grundschulen gereicht daher auch Schülerinnen zum Nachteil.

Daneben sprechen auch strukturelle Gründe für einen Zuwachs an männlichen Lehrern. Wie das Statistische Bundesamt jüngst mitteilte, ist die Teilzeitquote bei Lehrern im Vergleich zu anderen abhängig Beschäftigten besonders hoch. So lag diese im Jahr 2021 bei 40,6 Prozent, über alle Wirtschaftsbereiche hinweg jedoch nur bei 29,9 Prozent. Als Grund führt das Statis­tische Bundesamt den vergleichsweise hohen Frauenanteil bei Lehrern an: „Während Frauen im Schuljahr 2021/2022 fast drei Viertel (73,0 Prozent) des Lehrpersonals an allgemeinbilden-den Schulen ausmachten, lag der Frauenanteil bei den abhängig Beschäftigten aller Wirt­schaftsbereiche im Jahr 2021 bei 48,0 Prozent.“9 Unter den Lehrern nehmen die weiblichen Beschäftigten dabei besonders häufig die Option einer Teilzeitarbeit wahr: „Besonders Frauen reduzieren häufig ihre Arbeitszeit: Im Schuljahr 2021/2022 war die Teilzeitquote bei Lehrerin­nen (48,2 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie bei Lehrern (20,1 Prozent).“10

Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft den geringen Anteil männlicher Lehrer an Schulen und fordert eine Mindestquote von 30 Pro­zent des unterrepräsentierten Geschlechts. 2018 gab die Gewerkschaft eine umfangreiche Handlungsanweisung heraus, die mehr Männer ins Grundschullehramt bringen soll.11

Die Hansestadt Hamburg hat auf den Mangel an männlichen Lehrern im Jahr 2022 mit einem Modellprojekt reagiert: ‚Mehr Männer an Grundschulen‘ ist zusammen mit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius aufgelegt worden, um den Anteil männlicher Lehrer an Hamburger Grundschulen nachhaltig zu erhöhen. Dafür werden insbesondere drei Maßnahmen umge­setzt: Es soll zweimal im Jahr ein Schülercampus ausgerichtet werden, der Oberstufenschüler über das Berufsbild informiert. Aufbauend darauf soll zweitens eine Kooperationsinfrastruktur entstehen, die weiterführende Schulen mit Grundschulen vernetzt. Männliche Oberstufenschüler können Praktika und Hospitationen an Grundschulen durchführen. Drittens soll ein Netzwerk für Grundschullehrer eingerichtet werden, in dem sich erfahrene Lehrer mit Berufsanfängern, Studenten und Schülern austauschen.12

II. Der Landtag stellt fest:

  • Der Anteil an männlichen Lehrern an den Grundschulen in NRW ist zu gering.
  • Es sollte zu einer Erhöhung des Anteils an männlichem Lehrpersonal kommen, um beide Geschlechter angemessen im Unterricht zu repräsentieren.
  • Ein zu geringer Anteil an männlichem Lehrpersonal kann negative Folgen auf die indivi­duellen Bildungswege und -erfolge gerade männlicher Schüler haben.
  • Auch an weiteren Schulformen ist der Anteil an männlichem Lehrpersonal rückläufig und sollte daher im Auge behalten werden.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • nach Vorbild des Hamburger Modellprojekts ‚Mehr Männer an Grundschulen‘ ein ver­gleichbares Projekt für NRW aufzulegen;
  • im Rahmen der ministeriellen Arbeitsgruppe ‚Unterrichtsversorgung‘ weitere Maßnah­men zur Erhöhung des Anteils männlicher Lehrkräfte an den Schulen des Landes zu ergreifen;
  • eine Studie in Auftrag zu geben, die die Ursachen für den immer geringer werdenden Anteil an männlichen Schulabsolventen aller Schulformen eruiert;
  • gezielte Förderprogramme und Stipendien für Männer einzurichten, die sich für den Leh­rerberuf, insbesondere für das Grundschullehramt interessieren;
  • Anreize für männliche Quereinsteiger zu schaffen, die sich für eine Karriere im Lehrer­beruf entscheiden.

Carlo Clemens
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

1 Vgl. https://www.it.nrw/weniger-als-ein-drittel-der-lehrkraefte-den-nrw-schulen-waren-im-schuljahr-2020-21-maenner-105528.

2 Vgl. https://www.deutschlandfunk.de/lehrerberuf-maennermangel-an-deutschlands-grundschulen-100.html.

3 Einen guten Überblick liefert die Ausarbeitung der Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags: https://www.bundestag.de/resource/blob/425874/5725ee3d66fd28d983f7c3617f611a6d/wd-8-068-15-pdf-data.pdf.

4 Vgl. https://www.focus.de/familie/schule/gleichberechtigung/schule-ist-nichts-fuer-jungs-geschlechterproble-matik_id_2220334.html; https://www.swr.de/swr2/wissen/jungs-in-der-schule-das-benachteiligte-geschlecht-102.html; https://www.zeit.de/karriere/beruf/2016-06/grundschullehrer-maenner-beruf-anteil.

5 Vgl. https://www.ksta.de/region/bildung-in-nrw-zahl-der-schulabbrecher-in-nrw-gestiegen-153633; https://www.sueddeutsche.de/bildung/schulen-duesseldorf-mehr-maedchen-als-jungen-machen-abi-anteil-steigt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200408-99-636033; https://www.it.nrw/statistik/eckdaten/asd-schulen-klassen-schuelerinnen-schueler-und-lehrkraefte-allgemeinbil-denden-und.

6 Vgl. Bertelsmann Stiftung (Hg.), Jugendliche ohne Hauptschulabschluss. Demographische Verknappung und qualifikatorische Vergeudung, Gütersloh 2023, online unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/jugendliche-ohne-hauptschulabschluss-1, S. 13.

7 Ebd., S. 13 und 26.

8 Vgl. https://www.bundestag.de/resource/blob/425874/5725ee3d66fd28d983f7c3617f611a6d/wd-8-068-15-pdf-data.pdf ,S. 15.

9 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_N008_742.html.

10 Ebd.

11 Vgl. GEW (Hg.), Männer ins Grundschullehramt. Wie Geschlechtervielfalt in Kollegien von Grundschulen erreicht werden kann, Frankfurt am Main 2018, online unter: https://www.gew.de/fileadmin/media/publikationen/hv/Hochschule_und_Forschung/Ausbildung_von_Lehrerin-nen_und_Paedagogen/Zukunftsforum_Lehrer_innenbildung/190228_MaennerInsGrundschul-amt_2018_A4_171218.pdf.

12 Vgl. https://www.hamburg.de/bsb/pressemitteilungen/16509040/2022-09-19-bsb-mehr-maenner-an-die-grundschulen/.

Beteiligte:
Carlo Clemens