Messerangriffe durch Serientäter in Dortmund – Wie sicher sind die öffentlichen Plätze?

Kleine Anfrage
vom 09.01.2024

Kleine Anfrage 3158

des Abgeordneten Markus Wagner AfD

Messerangriffe durch Serientäter in Dortmund Wie sicher sind die öffentlichen Plätze?

In Dortmund kam es seit Donnerstag, dem 30. November 2023, zu einer Serie von Messerangriffen. Zuerst wurden in der Nacht auf den 30. November 2023 sowie auf Freitag, den 1. Dezember 2023 ein 43-jähriger bzw. ein 41-jähriger Obdachloser durch den Wiederholungstäter angegriffen. Der erste Angriff spielte sich im Keuning-Park ab, während das zweite Opfer am Mehmet-Kubasik-Platz angegriffen wurde. Nur durch Notoperationen sollen die beiden Opfer gerettet worden sein. Nun wurde am Abend des Dienstag, den 5. Dezember 2023, auch ein 18-jähriger Mann Opfer einer schweren Messerattacke.1 Der Geschädigte habe sich auf dem Heimweg befunden und dabei Musik mit Kopfhörern gehört. Plötzlich wurde er von einem unbekannten Mann angehalten und etwas gefragt. Der der 18­Jährige aufgrund der Kopfhörer nichts verstehen konnte, hielt er an und nahm sie aus den Ohren. In diesem Augenblick soll der Unbekannte schon unvermittelt mit dem Messer zugestochen und das Opfer schwer verletzt haben. Nur seine etwas dickere Kleidung soll ihn so weitgehend geschützt haben, dass er nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Schwer verletzt begab sich der 18-Jährige dann zu einer nahen Shisha-Bar, wo er auf sich aufmerksam machte und Zeugen Erste Hilfe leisteten. Er wurde durch einen herbeigerufenen Rettungswagen in die Notaufnahme verbracht.2

Die Mitarbeiter der Kriminalpolizei untersuchten unterdessen den Tatort, sicherten Spuren und befragten Anwohner zu den Geschehnissen. Trotzdem es sich bei dem 18-jährigen Opfer nicht um eine Person aus der Obdachlosen-Szene handelt, gehen die Ermittler davon aus, dass es sich um den gleichen Angreifer wie bei den vorherigen Attacken handelt, da zum einen die Tatorte nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen und zum anderen die beiden anderen Opfer vor dem Angriff nach Geld gefragt wurden. Ob der 18-Jährige ebenfalls nach Geld gefragt wurde, könne er nicht sicher sagen, da er aufgrund seiner Kopfhörer nichts gehört habe.3

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in Dortmund zu Angriffen auf Obdachlose? (Bitte nach Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  3. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in Nordrhein-Westfalen zu Angriffen auf Obdachlose? (Bitte nach Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  4. Wie viele Gewaltdelikte, die mit einem Messer oder einer anderen Art von Waffe begangen wurden, wurden seit 2015 bis heute pro Jahr auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Dortmund begangen? (Bitte nach Delikt, Art der Tatwaffe und Platz des Geschehens aufschlüsseln sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  5. Bis wann will die Landesregierung eine Dunkelfeldstudie zur Gewalt gegen Obdachlose in Auftrag geben?

Markus Wagner

 

MMD18-7692

 

1 https://m.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/serientaeter-in-dortmund-unterwegs-dritter-mann-niedergestochen-86346580.bildMobile.html?t_ref=https%3A%2F%2Fm.bild.de%2F.

2 Ebenda.

3 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3158 mit Schreiben vom 16. Februar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Datenbasis für die Beantwortung von Fragen zur Kriminalitätsentwicklung ist die Polizeiliche Kriminalstatistik. Sie wird nach bundeseinheitlich jährlich festgelegten Richtlinien erstellt. Die Erfassung erfolgt nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen und führt häufig zu einem zeitlichen Versatz zwischen Bekanntwerden der Straftat und der statistischen Erfassung. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist eine Jahresstatistik, die zu Jahresbeginn eines Folgejahres für das Vorjahr veröffentlicht wird. Bis zur Veröffentlichung führt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen umfangreiche und aufwändige Prüfroutinen im Rahmen eines Qualitätssicherungsprozesses durch. Insofern liegen die Daten zu Straftaten derzeit bis zum Berichtsjahr 2022 qualitätsgesichert vor.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden nicht zu allen strafbaren Handlungen Opferdaten erfasst. Opfer sind Geschädigte/unmittelbar Betroffene speziell definierter Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung) und als solche im Straftatenkatalog zur Opfererfassung gekennzeichnet. Bestandteil der Informationen, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Opfer erfasst wer­den, ist die Opferspezifik. Die Erfassung der Merkmale der Opferspezifik erfolgt unter der Be­dingung, dass die Tatmotivation in den personen- bzw. verhaltensbezogenen Merkmalen des Opfers begründet ist oder in Beziehung dazu steht.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben beschriebenen Vorfällen? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dortmund hat dem Ministerium der Justiz zu den mit der Kleinen Anfrage angesprochenen Vorfällen unter dem 22.01.2024 unter anderem berichtet, dass sich die Ermittlungen – auch wegen eines vergleichbaren Tatgeschehens am 14.12.2023 – gegen einen nicht vorbestraften, deutschen Staatsangehörigen richteten und andauerten. Gegen den Beschuldigten, der jedenfalls der Taten vom 29.11. und 14.12.2023 dringend verdächtig sei und sich in Untersuchungshaft befinde, bestehe der Tatverdacht des versuchten schweren Raubes in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung, sowie der gefährlichen Körperverletzung und eines strafbaren Verstoßes gegen das Waffengesetz.

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in Dortmund zu Angriffen auf Obdachlose? (Bitte nach Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Die Erfassungsrichtlinien der Polizeilichen Kriminalstatistik sehen keine differenzierte Darstellung von „Angriffen“ vor. Deshalb wurden zur Beantwortung der Fragen 2 und 3 die Delikte des definierten Summenschlüssels „Gewaltkriminalität“, ergänzt um die „vorsätzliche einfache Körperverletzung“, mit der Opferspezifik „Obdachlosigkeit“ ausgewertet. Der Summenschlüssel der „Gewaltkriminalität“ umfasst folgende Delikte:

– 010000           Mord

– 020000           Totschlag und Tötung auf Verlangen

– 111000          Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschl. mit Todesfolge

– 210000           Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer

– 221000           Körperverletzung mit Todesfolge

– 222000          Gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien

– 233000           Erpresserischer Menschenraub

– 234000           Geiselnahme

– 235000          Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (Bei diesem Straftatenschlüssel handelt es sich nicht um ein Opferdelikt, aufgrund dessen wird dieses Delikt nicht in der Auswertung berücksichtigt.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich, – aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2015 bis 2022 – die Fallzahlen der „Gewaltkriminalität“ und der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung zum Nachteil von Obdachlosen in Dortmund pro Jahr zu entnehmen:

Berichtsjahr Gewaltkriminalität vors. einfache
Körperverletzung
2015 11 4
2016 14 9
2017 15 22
2018 32 27
2019 34 27
2020 34 21
2021 32 14
2022 11 6

 

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr in Nordrhein-Westfalen zu Angriffen auf Obdachlose? (Bitte nach Delikt sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich, – aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2015 bis 2022 – die Fallzahlen der „Gewaltkriminalität“ und der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung zum Nachteil von Obdachlosen in Nordrhein-Westfalen pro Jahr zu entnehmen:

Berichtsjahr Gewaltkriminalität vors. einfache
Körperverletzung
2015 114 89
2016 156 112
2017 186 162
2018 197 183
2019 185 196
2020 231 268
2021 230 170
2022 184 157

 

  1. Wie viele Gewaltdelikte, die mit einem Messer oder einer anderen Art von Waffe begangen wurden, wurden seit 2015 bis heute pro Jahr auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Dortmund begangen? (Bitte nach Delikt, Art der Tatwaffe und Platz des Geschehens aufschlüsseln sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)

Seit Einführung eines Tatmittelkatalogs im Jahr 2019 in der Polizeilichen Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen lässt sich die Verwendung von Waffen und gefährlichen Gegenständen auswerten. Grundsätzlich reicht das bloße Mitführen bei der Tatbegehung für die Erfassung nicht aus, die Tatmittel müssen konkret bei der Begehung der Tat eingesetzt werden. Eine Ausnahme bilden die Delikte der Waffen-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetze, bei denen das Tatmittel stets erfasst wird, auch unabhängig von einer konkreten Nutzung.

Der Begriff „Gewaltdelikte“ ist ebenfalls nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik definiert. Hilfsweise werden die Delikte des Summenschlüssels „Gewaltkriminalität“ ausgewiesen.

Der nachfolgenden Tabelle bitte ich, – aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2019 bis 2022 – die Fallzahlen der „Gewaltkriminalität“, bei denen ein Messer als Tatmittel und die Tatörtlichkeit Straße, Wege und Plätze (innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften) in Dortmund pro Jahr erfasst wurde, zu entnehmen:

Berichtsjahr Straftaten der Gewalt-kriminalität unter Verwendung eines Messers
2019 98
2020 102
2021 42
2022 54

 

Eine weitergehende differenzierte Betrachtung von Waffen ist auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht möglich. Der nachfolgenden Tabelle bitte ich daher, – aufgeschlüsselt nach den Berichtsjahren 2019 bis 2022 – die Gewaltstraftaten, bei denen eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand und die Tatörtlichkeit Straßen, Wege und Plätze (innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften) in Dortmund pro Jahr erfasst wurde, zu entnehmen:

Berichtsjahr Straftaten der Gewalt-kriminalität unter Ver-wendung einer Waffe
oder eines gefährlichen
Gegenstandes
2019 536
2020 500
2021 173
2022 124

 

  1. Bis wann will die Landesregierung eine Dunkelfeldstudie zur Gewalt gegen Obdachlose in Auftrag geben?

Eine dahingehende Dunkelfeldstudie ist derzeit nicht geplant.

 

MMD18-8089

Beteiligte:
Markus Wagner