Kleine Anfrage 5072
des Abgeordneten Carlo Clemens AfD
Mieterschutzverordnung NRW: Rechtsunsicherheiten und Auswirkungen im Zuge der Neufassung
Das Landeskabinett hat am 28.01.2025 eine neue Mieterschutzverordnung (MietSchVO NRW) beschlossen. Diese wurde damit vorzeitig neu gefasst. Die Verordnung soll bereits am 01.03.2025 in Kraft treten. Es werden zukünftig 57 statt wie bisher 18 Kommunen in den Geltungsbereich der Verordnung einbezogen. Grundlage hierfür ist ein empirisches Gutachten des Anbieters RegioKontext GmbH, das den Auftrag hatte, Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu ermitteln.1
Der WDR berichtete am 23.01.2025 über das jüngste kritische Schreiben der kommunalen Spitzenverbände an das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung. Darin wird moniert, dass die Kommunen nicht in den Prozess der Gutachtenerstellung zur Neufassung der Mieterschutzverordnung und deren Ausweitung einbezogen waren und weiter, dass die Berechnungen zur Gebietskulisse auf veralteten Daten fußen.2
Der Abgeordnete der AfD-Fraktion hat während der Sitzung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Digitalisierung am selben Tag die Ministerin gefragt, warum laut Bericht der Landesregierung vom 20.01.2025 in dem Gutachten die Bestandsmieten, das Wachstum der Wohnbevölkerung, die Neubautätigkeit und der Wohnungsleerstand nicht als Indikatoren für die Einschätzung der Anspannung der Wohnungsmärkte in NRW angewendet wurden, obwohl diese Kriterien ausdrücklich in § 556d BGB angesprochen sind. Die Verweise der Ministerin auf angeblich veraltete oder nicht beschaffbare Daten zu Leerständen und Bestandsmieten sind sachlich unzutreffend, da entsprechende Daten mit dem Zensus 2022 bzw. der Mikrozensus-Zusatzerhebung 2022 mittlerweile vorliegen. Abgesehen davon wurde die Nichtberücksichtigung des im BGB genannten Kriteriums einer wachsenden Wohnbevölkerung, „ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird“3, gegenüber dem ABWD nicht nachvollziehbar begründet.
Der Vorhalt der kommunalen Spitzenverbände bezüglich der Datengrundlage erscheint daher im Hinblick auf deren Aktualität und Vollständigkeit berechtigt.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Entspricht es der Rechtsauffassung der Landesregierung, dass sie bei der empirischen Fundierung der Gebietskulisse für die MietSchVO NRW bestimmte, in § 556d BGB Abs. 2 Satz 2 und 3 ausdrücklich genannte Anspannungskriterien ungeprüft außen vor lassen darf?
- Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass wegen methodischer Fehler der Gutachter im Verbund mit der Nutzung veralteter bzw. unvollständiger Daten die darauf fußende Rechtsverordnung mit Aussicht auf Erfolg rechtlich angefochten werden könnte?
- Die in § 577a BGB geregelte Kündigungssperrfrist schützt den Mieter einer Wohnung, nachdem die Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt und erstmalig veräußert wurde, für einen bestimmten Zeitraum vor einer Eigenbedarfskündigung durch den neuen Eigentümer der Wohnung. Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen einer Verlängerung der Kündigungssperrfrist von 5 auf 8 Jahre auf die Wohneigentumsbildung breiter Schichten bzw. die Mieterprivatisierung in NRW ein?
- Warum hat die Landesregierung für die MietSchVO NRW keine Differenzierung der Gebietskulisse hinsichtlich der räumlichen Anwendung der jeweiligen Mieterschutz-Instrumente nach ihrer entsprechenden Eingriffstiefe vorgenommen?
- In § 556d Abs. 3 letzter Satz BGB wird von der Landesregierung verlangt, die zukünftigen Maßnahmen zu benennen, mit denen der Marktanspannung in der Gebietskulisse begegnet werden soll. Geht die Landesregierung von einer in dieser Hinsicht durschlagenden und für die Mieter spürbaren Wirkung der in dem für den ABWD verfassten Bericht der Landesregierung zur Neufassung der MietSchVO NRW vom 20.01.2025 genannten und bereits seit Jahren in Kraft befindlichen Maßnahmen aus?
Carlo Clemens
1 Vgl. https://www.mhkbd.nrw/presse-und-medien/pressemitteilungen/aus-18-werden-57-nordrhein-westfalen-weitet-mieterschutzverordnung-aus.
2 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kommunen-kritisieren-mieterschutzverordnung-100.html.
3 § 556d BGB Abs. 2 Satz 3.
Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung hat die Kleine Anfrage 5072 mit Schreiben vom 14. März 2025 namens der Landesregierung beantwortet.
- Entspricht es der Rechtsauffassung der Landesregierung, dass sie bei der empirischen Fundierung der Gebietskulisse für die MietSchVO NRW bestimmte, in § 556d BGB Abs. 2 Satz 2 und 3 ausdrücklich genannte Anspannungskriterien ungeprüft außen vor lassen darf?
Die im Gebietskulissengutachten verwendeten Indikatoren zur Bestimmung der Wohnungs-marktanspannung bewegen sich innerhalb des in § 556d BGB gesetzten Rahmens. Das Gutachten setzt sich explizit mit den in § 556d Absatz 2 Satz 2 und 3 BGB genannten Kriterien auseinander und überprüft diese auf ihre Anwendbarkeit bzw. Nutzbarmachung für die Auswahl der Indikatoren. Dementsprechend ist das Gutachten hinsichtlich der Methodik valide.
- Wie schätzt die Landesregierung die Gefahr ein, dass wegen methodischer Fehler der Gutachter im Verbund mit der Nutzung veralteter bzw. unvollständiger Daten die darauf fußende Rechtsverordnung mit Aussicht auf Erfolg rechtlich angefochten werden könnte?
Das Gebietskulissengutachten wurde im Mai 2024 vorgelegt und auf Basis der bis zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Daten erstellt. Das Gutachten ist weder hinsichtlich der Methodik noch nach der Datengrundlage zu beanstanden.
- Die in § 577a BGB geregelte Kündigungssperrfrist schützt den Mieter einer Wohnung, nachdem die Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt und erstmalig veräußert wurde, für einen bestimmten Zeitraum vor einer Eigenbedarfskün-digung durch den neuen Eigentümer der Wohnung. Wie schätzt die Landesregierung die Auswirkungen einer Verlängerung der Kündigungssperrfrist von 5 auf 8 Jahre auf die Wohneigentumsbildung breiter Schichten bzw. die Mieterprivatisierung in NRW ein?
Die Mieterschutzverordnung hat auf die Wohnungseigentumsbildung breiter Schichten generell keine Auswirkungen. Der Mieterschutz kommt nur dann zur Anwendung, wenn Miethäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt und anschließend veräußert werden.
- Warum hat die Landesregierung für die MietSchVO NRW keine Differenzierung der Gebietskulisse hinsichtlich der räumlichen Anwendung der jeweiligen Mieterschutz-Instrumente nach ihrer entsprechenden Eingriffstiefe vorgenommen?
Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 hat der Bundesgesetzgeber den Begriff des angespannten Wohnungsmarktes in § 556d Absatz 2 BGB den Tatbeständen der §§ 558 Absatz 3 und 577a Absatz 2 BGB nachgebildet und zugleich näher erläutert. Die erhobenen Daten wurden unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber in § 556d Absatz 2 BGB für den grundrechtsintensivsten Eingriff vorgegebenen Indikatoren einheitlich analysiert und ausgewertet. Die für die Anwendung der Gebietskulisse des § 556d Absatz 2 BGB identifizierten Gebiete dienen daher auch zur Bestimmung der Anwendungsbereiche der §§ 558 Absatz 3 und 577a Absatz 2 BGB. Anhaltspunkte für eine unter den Gebietskulissen abweichende räumliche Verteilung der angespannten Wohnungsmärkte haben sich nicht ergeben.
- In § 556d Abs. 3 letzter Satz BGB wird von der Landesregierung verlangt, die zukünftigen Maßnahmen zu benennen, mit denen der Marktanspannung in der Gebietskulisse begegnet werden soll. Geht die Landesregierung von einer in dieser Hinsicht durschlagenden und für die Mieter spürbaren Wirkung der in dem für den ABWD verfassten Bericht der Landesregierung zur Neufassung der MietSchVO NRW vom 20.01.2025 genannten und bereits seit Jahren in Kraft befindlichen Maßnahmen aus?
Die Maßnahmen der Landesregierung tragen zur Entspannung des Wohnungsmarktes bei. Jede neu geschaffene Wohnung vergrößert das Wohnungsangebot.