Kleine Anfrage 742
des Abgeordneten Markus Wagner vom 10.11.2022
Mitarbeiterin des Kölner Ausländeramts soll Ausweispapiere verkauft haben
Der Verdacht gegen eine Mitarbeiterin des Kölner Ausländeramts wiegt schwer. Sie soll Teil einer vornehmlich syrischen Schleuserbande gewesen sein, die gegen Bezahlung Bescheinigungen und Reisepässe ausgestellt haben soll.
Bei der am Donnerstag, den 20. Oktober 2022 durchgeführten Razzia waren etwa 250 Bundespolizisten beteiligt. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln wurden zwölf Objekte im Raum Köln, Gelsenkirchen sowie im Großraum Limburg in Hessen durchsucht. Dabei handele es sich um Wohnungen und Büroräume. Grund dafür: der Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern. Die Ermittlungen richten sich gegen insgesamt elf Tatverdächtige, die überwiegend aus Syrien stammenden Personen unrechtmäßig ausgestellte Ausweisdokumente zur Verfügung gestellt haben sollen. Drei der elf tatverdächtigen Personen, darunter die Mitarbeiterin des Ausländeramts, wurden festgenommen. Mit diesen Dokumenten sollte die Einreise ins Bundesgebiet ermöglicht werden. Die Bild-Zeitung berichtet, dass die gefälschten Dokumente teilweise durch Mittelsmänner ins Ausland gebracht und dort an die betreffenden Personen übergeben worden seien. Diese hätten so bei der Ausreise aus ihrem Heimatland ein Dokument vorlegen können, das ein angebliches Aufenthaltsrecht in Deutschland belege. Die Ausweise sollen vor der Einreise nach Deutschland entsorgt worden sein, damit die eingereisten Personen Asylanträge stellen konnten. Laut Bundespolizei seien bisher 26 Fälle ermittelt worden, in denen mehrere Tausend Euro pro Schleusung bezahlt worden sein sollen.1 Die Mitarbeiterin des Ausländeramts soll die Bande dabei unterstützt haben, indem sie sogenannte Fiktionsbescheinigungen und Reisepässe für die Einreisewilligen ausgestellt und den Schleusern gegen Bezahlung überlassen habe. Bei der Durchsuchung der oben genannten Objekte wurden rund 12.000 Euro sowie mehrere Mobiltelefone, Laptops, Computer und Ausweisdokumente beschlagnahmt.2
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
- Wie hoch ist der bisher ermittelte finanzielle Schaden für den Steuerzahler durch unrechtmäßige Auszahlungen von Transferleistungen an Personen, die mit Hilfe der gefälschten Dokumente nach Deutschland einreisten?
- Wurden gegen die zwei festgenommenen Männer sowie gegen die Personen, die mit Hilfe der gefälschten Dokumente nach Deutschland einreisten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet?
- Welche Vorkehrungen trifft Nordrhein-Westfalen gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, um derartige Wiederholungen zukünftig zu verhindern?
- Welche Bezüge gibt es zur Organisierten (Clan-) Kriminalität?
Markus Wagner
1 Vgl. h t t p s : / /w w w . b i l d. d e / r egional/koeln/koeln-aktuell/koeln-verkaufte-stadtmitarbeiterin-ausweise-an-schleuser-81687278. b i l d . ht m l.
2 Vgl. h t t p s : / /w w w . s pi e g e l .d e /panorama/koeln-mitarbeiterin-des-auslaenderamts-ausweispapiere-an-schleuser-verkauf t – h a b e n – a- 2 c5 f e27a-18d0-4bc9-97a1-9d2af5ef1f83.
Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 742 mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen und der Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration beantwortet.
- Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den oben genannten Durchsuchungen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln hat dem Ministerium der Justiz unter dem 17.11.2022 wie folgt berichtet:
„Gegenstand des Verfahrens ist im Wesentlichen der Vorwurf des gemeinschaftlich begangenen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in 26 Fällen gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 3, 96 Abs. 1 Nr. 1 a) und b), Abs. 3, 97 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Weiterhin besteht gegen die Mitarbeiterin des Ausländeramts der Verdacht der Bestechlichkeit und der Falschbeurkundung im Amt gemäß §§ 332 Abs. 1, 348 Abs. 1 StGB. Die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern an.
Derzeit erfolgt die Auswertung von Asservaten, die bei den Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellt wurden. Dazu gehören insbesondere Schriftstücke und Datenträger, namentlich Mobiltelefone, Computer und Laptops der Beschuldigten. Darüber hinaus erfolgten bereits erste verantwortliche Vernehmungen. Weitere Vernehmungen sind in Aussicht genommen.
Beschuldigt werden drei deutsche, drei syrische, drei türkische sowie zwei deutsch-syrische Staatsangehörige. Die eingeschleusten Personen sind vorwiegend syrische Staatsangehörige, ein Geschleuster besitzt die türkische Staatsangehörigkeit.
Eine Tatverdächtige ist seit der Geburt deutsche Staatsangehörige. Einer der deutsch-syrischen Tatverdächtigen ist seit 2008 im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft. Erkenntnisse dazu, wann die weiteren deutschen Staatsangehörigen bzw. der weitere deutschsyrische Staatsangehörige die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt haben, liegen derzeit nicht vor.
[…]
Acht der elf Tatverdächtigen sind nicht vorbestraft. Soweit die Tatverdächtigen rechtskräftig verurteilt wurden, handelt es sich überwiegend um Verurteilungen wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Unterschlagung, Vortäuschens einer Straftat, Verkehrsdelikten, Körperverletzung, Beleidigung und vorsätzlicher Insolvenzverschleppung.“
Von weiteren Angaben zu den Beschuldigten wird mit Rücksicht auf deren Persönlichkeitsrechte und die im Strafverfahren zu beachtende Unschuldsvermutung (Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) bei Abwägung mit dem parlamentarischen Informationsanspruch abgesehen. Die Personen wären ansonsten mit Blick auf die bisherigen presseöffentlichen und parlamentarischen Erörterungen des Verfahrens identifizierbar. In diesem Zusammenhang darf zudem ergänzend auf die Landtagsvorlage 18/434 sowie die öffentlichen Berichte der Landesregierung zu den Sitzungen des Integrationsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 26.10. und 09.11.2022 verwiesen werden.
- Wie hoch ist der bisher ermittelte finanzielle Schaden für den Steuerzahler durch unrechtmäßige Auszahlungen von Transferleistungen an Personen, die mit Hilfe der gefälschten Dokumente nach Deutschland einreisten?
Ob und in welchem Umfang Transferleistungen an die geschleusten Personen erfolgt sind, ist nach dem vorbezeichneten Bericht von den beteiligten Strafverfolgungsbehörden bislang nicht ermittelt worden.
- Wurden gegen die zwei festgenommenen Männer sowie gegen die Personen, die mit Hilfe der gefälschten Dokumente nach Deutschland einreisten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet?
Die Frage aufenthaltsbeendender Maßnahmen stellt sich mit Blick auf die derzeit laufenden Ermittlungsverfahren aktuell nicht.
- Welche Vorkehrungen trifft Nordrhein-Westfalen gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, um derartige Wiederholungen zukünftig zu verhindern?
Vor einer abschließenden Bewertung des Sachverhalts, auch im Hinblick auf mögliche Maßnahmen der Landesregierung zur Vorbeugung vergleichbarer Vorfälle sind zunächst sowohl die vollständige Aufklärung der betreffenden Verwaltungsvorgänge als auch das Ergebnis der andauernden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten.
- Welche Bezüge gibt es zur Organisierten (Clan-) Kriminalität?
Dem zu Frage 1 genannten Bericht zufolge bewertet der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln die Taten als „internationale bandenmäßige Schleuserkriminalität“.