Kleine Anfrage 5016des Abgeordneten Markus Wagner vom 18.02.2021
Mögliche Bezüge des Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM) zu Islamisten
Beim Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) handelt es sich laut eigener Darstellung um eine im Jahre 2012 gegründete Arbeitsgemeinschaft auf Vorstandsebene für islamische Institutionen und Moscheen in Düsseldorf. Derzeit sollen dem KDDM „circa 33″ Mitglieder angehö-ren.1 In seinen Grundsätzen bekennt sich der KDDM zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. „Jede Art von Gewalt und Aufruf zur Gewalt wird abgelehnt“, heißt es darin unter anderem.2 Auffällig ist jedoch die Intransparenz des KDDM, der auf seiner Internet-Seite keine Mitgliederliste mehr veröffentlicht. Mitgliedschaften im KDDM werden daher nur noch unter der Voraussetzung öffentlich bekannt, wenn sich eine entsprechende Institution selbst als KDDM-Mitglied zu erkennen gibt.
Von der Landesregierung wird der KDDM nicht als extremistisch bewertet. Das geht aus einem Bericht des Landesinnenministeriums hervor, der zum von der AfD-Fraktion beantragten Tagesordnungspunkt „Integrationsminister Stamp spielt nichtsahnend Fußball mit mutmaßlichem Islamisten“ der Innenausschuss-Sitzung am 5. Juli 2018 vorgelegt wurde. In diesem Bericht heißt es jedoch einschränkend:
„Nach hiesigen Erkenntnissen verfügen einzelne Mitglieder (des KDDM) über Kontakte ins legalistisch-islamistische Spektrum. Es ist jedoch nicht bekannt, dass sich dieser Sachverhalt bisher auf die Aktivitäten des Gesamtverbandes und dessen Ausrichtung auswirken konnte.“ Am Ende des Berichts heißt es dann: „Sollte der KDDM zukünftig eine extremistische Ausrichtung erkennen lassen, wird die Landesregierung entsprechend darauf reagieren.“3
Hintergrund des damaligen Tagesordnungspunkts waren Vorgänge beim KDDM-Cup 2018, einem vom KDDM jährlich ausgerichteten muslimischen Fußball-Turnier. Höhepunkt dieses Turniers ist traditionell das 20-minütige Spiel christlicher Pfarrer gegen muslimische Imame. Im Mai 2018 spielte auf Seiten der Imame auch der unter dem Namen „Abu J.“ bekannte Sa-lafisten-Prediger Mohamad G..4 Auf entsprechende Vorhalte reagierte der KDDM mit einer Distanzierung. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) sprach dem KDDM daraufhin im Namen der Landesregierung sein Vertrauen aus: „Der KDDM hat mit dem Fußballturnier eine Veranstaltung durchgeführt, die seiner Grundhaltung entspricht, Toleranz und Vielfalt zu fördern“. Die Panne sei nun einmal passiert, aber der KDDM habe sich deutlich gegen extremistische und salafistische Personen positioniert. Zudem habe er nachvollziehbar versichert, nur mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. In der Pressemitteilung wird der KDDM für seine vielfältigen Maßnahmen und Projekte zur gelebten Integration gelobt. Misstrauen sei nicht angebracht, und eine Skandalisierung einer eingeräumten Panne sollte vermieden werden, hieß es in der Erklärung.5
Nach diesen Vorgängen gab es jedoch weitere Enthüllungen im Zusammenhang mit dem KDDM: so fand die Islamismus-Expertin Sigrid H.-M. im März 2019 radikale und antisemitische Inhalte auf der Facebook-Seite des als „Kita-Imam“ bekannt gewordenen Asmer U. Der vom KDDM für diese Aufgabe eingesetzte bosnische Imam sollte Kinder in einer evangelischen Tagesstätte in Düsseldorf-Reisholz über den Islam aufklären. Das evangelisch-muslimische Gemeinschaftsprojekt wurde gemeinsam mit dem KDDM von der Diakonie Düsseldorf als Trägerin der Kita ins Leben gerufen.6 Im Gegensatz zu den Vorgängen um „Abu Jibriel“ gab es dieses Mal jedoch keine Distanzierung des KDDM. Die Diakonie entschied, an Asmer U. für das Projekt festzuhalten.7
Im Juli 2019 machte Sigrid H.-M. bekannt, dass ein Düsseldorfer Verein, der sich selbst als Gründungsmitglied des KDDM bezeichnet, auf seiner Facebook-Seite Beiträge teilt, die sowohl zu Personen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft als auch zur Deutschland-Vertretung der Terror-Organisation Hamas führen.8 Im August 2019 veröffentlichte Sigrid H.-M., dass eine Moschee-Gemeinde in Düsseldorf-Flingern, die im KDDM Mitglied ist, nachweislich als Abnahmestelle für Prüfungen der radikalen „Islamic Online University“ des Hasspredigers Bilal P. diente.9 Über die „Hasspropaganda“ von Bilal P., nach dessen Ansicht etwa Homosexualität mit dem Tod bestraft werden sollte, wurde in Deutschland bereits 2009 berichtet.10
Im September 2019 gab es eine weitere Mitteilung von Sigrid H.-M., dieses Mal zu einer dem KDDM angehörenden Moschee-Gemeinde an der Aderstraße in Düsseldorf. Auch auf der Fa-cebook-Seite dieser Moschee-Gemeinde fand die Islamismus-Expertin radikale Bezüge, so zu dem bundesweit bekannten Salafisten-Imam Hassan D. sowie zu dem bereits erwähnten „Abu Jibriel“. Beide waren vor einigen Jahren von der Moschee-Gemeinde als Referenten eingeladen worden. In der jüngeren Vergangenheit haben sich auf der Facebook-Seite der Moschee-Gemeinde jedoch eher Bezüge zu muslimbrudernahen Strukturen gefunden, so Sigrid H.-M.11
Im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen rund um die Teilnahme „Abu Jibriels“ beim KDDM-Cup oder zu denen um den „Kita-Imam“ Asmer U. ließen sich bei diesen Enthüllungen jedoch keine Reaktionen von Seiten der Düsseldorfer Presse finden. Der KDDM selbst reagierte in der Form, dass er auf seiner Internet-Seite später einen nicht datierten „Standpunkt“ des Vorstands veröffentlichte, der besagt, radikalen oder extremistischen Mitgliedern könnte die „Einfrierung, Suspendierung oder Aufhebung der Mitgliedschaft im KDDM“ drohen. Als Beispiele für Extremismus wurden Bezüge oder Kontakte zum gewaltbereiten Neo-Salafis-mus, zur in Deutschland verbotenen Hizb ut-Tahrir sowie zum Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft genannt.12 Auffällig war in diesem Zusammenhang, dass es sich damit überwiegend um jene Tatbestände handelt, die Sigrid H.-M. zuvor bei einzelnen KDDM-Mit-gliedern kritisiert hatte. Da aber bislang nichts von Ausschlüssen radikaler oder islamistischer Mitglieder aus dem KDDM bekannt wurde, liegt die Vermutung nahe, dass dieser „Standpunkt“ nur veröffentlicht wurde, um die lokale Politik zu beruhigen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Welche Informationen liegen der Landesregierung bezüglich einer aktuellen Mitgliederliste des KDDM vor? (Bekannte Mitglieder bitte benennen)
- Wie bewertet die Landesregierung die radikalen Bezüge der unter (8), (9) und (11) aufgeführten KDDM-Mitglieder?
- Wie viele KDDM-Mitglieder haben oder hatten nach Kenntnis der Landesregierung Kontakte ins legalistisch-islamistische Spektrum oder in andere islamistische Milieus?
- Der KDDM-Vorstand hat in seinem „Standpunkt“ mögliche Konsequenzen für radikale oder extremistische Mitglieder angedroht, aber trotz mehrfacher Veröffentlichungen über radikale Bezüge einzelner KDDM-Mitglieder bislang keine solchen umgesetzt. Inwiefern hält die Landesregierung trotz dieser Tatsache weiter an ihrer im Juni 2018 geäußerten Sichtweise fest, der KDDM habe „nachvollziehbar versichert, nur mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen“?
- Ab welchem Anteil von extremistischen Mitgliedern oder von Funktionären extremistischer Gruppierungen im Vorstand hält die Landesregierung Dachverbände, die ihrerseits nicht oder nicht in Gänze als extremistisch bewertet werden, für nicht mehr förderungswürdig oder nicht mehr als Kooperationspartner geeignet?
Markus Wagner
2 Vgl. https://kddm-online.de/wordpress/KDDM/
3 Vgl. Lt.-Vorlage 17/946
4 Vgl. http://nrw-direkt.net/salafisten-prediger-beim-kddm-cup/
6 Vgl. http://nrw-direkt.net/kita-imam-radikaler-fundamentalist/
7 Vgl. https://www.wz.de/nrw/duesseldorf/duesseldorfer-diakonie-steht-zum-imam-kita-projekt_aid-37923851
8 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2019/07/01/kddm-muslimbruderschaft-on-board/
9 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2019/08/12/examens-center-fuer-islamisten-bei-kddm-mitglied/
10 Vgl. https://www.spiegel.de/video/hasspropaganda-islam-prediger-hetzt-gegen-schwule-video-1007150.html
11 Vgl. https://vunv1863.wordpress.com/2019/09/06/vorzeige-moschee-mit-radikal-islamistischen-be-zuegen/
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 5016 mit Schreiben vom 16. März 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet.
- Welche Informationen liegen der Landesregierung bezüglich einer aktuellen Mitgliederliste des KDDM vor? (Bekannte Mitglieder bitte benennen)
Der Landesregierung liegt lediglich eine im Jahr 2018 auf der Internetseite des KDDM veröffentlichte Mitgliederliste vor. Seitdem veröffentlicht der KDDM zum Schutz seiner Mitglieder keine Mitgliederlisten mehr. Er stellt diese aber lokalen Partnern auf Wunsch zur Verfügung.
- Wie bewertet die Landesregierung die radikalen Bezüge der unter (8), (9) und (11) aufgeführten KDDM-Mitglieder?
Die Landesregierung geht davon aus, dass sich die Angabe „(8), (9) und (11)“ auf die Fußnoten in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage bezieht. Die Bezüge, die die dort genannten Vereine in der Vergangenheit zu salafistischen Akteuren bzw. zur tunesischen an-Nahda-Bewegung aufwiesen, die der islamistischen Muslimbruderschaft zugerechnet wird, sind dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bekannt. Es liegen aktuell keine Hinweise darauf vor, dass die genannten Vereine von Salafisten bzw. der Muslimbruderschaft unterlaufen werden. Moscheevereine spielen derzeit für die Funktionsweise der salafistischen Szene eine untergeordnete Rolle.
- Wie viele KDDM-Mitglieder haben oder hatten nach Kenntnis der Landesregierung Kontakte ins legalistisch-islamistische Spektrum oder in andere islamistische Milieus?
Zu insgesamt acht Vereinen, die zumindest im Jahr 2018 als Mitglieder des KDDM bezeichnet wurden, sind extremistische Bezüge bekannt. Keiner der Vereine ist jedoch festgestellt extremistisch. In einigen Fällen war eine niedrigschwellige extremistische Einflussnahme auf einen Verein feststellbar, in anderen Fällen fungierte eine Moschee lediglich als Anlaufstelle für Personen aus dem islamistischen Spektrum, ohne dass durch den Verein eine erkennbare Unterstützung von extremistischen Bestrebungen erfolgte.
- Der KDDM-Vorstand hat in seinem „Standpunkt“ mögliche Konsequenzen für radikale oder extremistische Mitglieder angedroht, aber trotz mehrfacher Veröffentlichungen über radikale Bezüge einzelner KDDM-Mitglieder bislang keine solchen umgesetzt. Inwiefern hält die Landesregierung trotz dieser Tatsache weiter an ihrer im Juni 2018 geäußerten Sichtweise fest, der KDDM habe „nachvollziehbar versichert, nur mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen“?
Bezugnehmend auf die Vorlage 17/946 verfügt die Landesregierung über keine neuen Erkenntnisse, die zu einer Revision der dort festgehaltenen Position führen.
- Ab welchem Anteil von extremistischen Mitgliedern oder von Funktionären extremistischer Gruppierungen im Vorstand hält die Landesregierung Dachverbände, die ihrerseits nicht oder nicht in Gänze als extremistisch bewertet werden, für nicht mehr förderungswürdig oder nicht mehr als Kooperationspartner geeignet?
Die Landesregierung kooperiert nicht mit extremistischen Organisationen und fördert diese auch nicht.