Moratorium für das Prestigeprojekt „Erweiterung des Landtags“

Antrag
vom 21.04.2020

Antragder AfD-Fraktion vom 21.04.2020

 

Moratorium für das Prestigeprojekt „Erweiterung des Landtags“

I. Ausgangslage

„Die Kosten werden voraussichtlich alles übersteigen, was aus Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte in Deutschland bekannt ist,“ so war der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, mit Blick auf die Corona-Krise vor kurzem in der Presse zu vernehmen. 1

Nach Berechnungen seines Instituts schrumpft die deutsche Wirtschaft deutlich, und auch der Arbeitsmarkt könnte stark betroffen sein. Weiter heißt es: „Das Virus beschere der deutschen Wirtschaft Produktionsausfälle, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit und werde den Staatshaushalt erheblich belasten“. Je nach Szenario schrumpfe die deutsche Wirtschaft um 7,2 bis 20,6 Prozentpunkte. Das entspreche Kosten von 255 bis 729 Mrd. €.2 Auch nach derzeitigem Stand, wenige Wochen nach dieser Aussage, sind keine weniger einschneidenden Folgen absehbar.

Mit der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus’ stehen wir demnach am Anfang einer massiven Krise, die nicht nur das Gesundheitssystem und jeden einzelnen Bürger herausfordert, sondern in allen Wirtschaftsbereichen mit gewaltigen finanziellen, noch nicht wirklich abwägbaren Konsequenzen verbunden ist.

Um diese Folgen für die Wirtschaft und für jeden einzelnen Bürger erträglich zu gestalten und um Zukunftsperspektiven offenzuhalten, werden im staatlichen Bereich außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen und Förderprojekte auf den Weg gebracht, so etwa,

– dass die Europäische Union den Mitgliedsländern mehr finanziellen Spielraum zugesteht, die europäischen Fiskalregeln abweichend gehandhabt und aus dem EU-Haushalt Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt werden, um die Gesundheitsbranche sowie auch andere Unternehmen zu unterstützen und durch eine Lockerung der Beihilferegelungen den Nationalstaaten Hilfsangebote für ihre Unternehmen zu gewähren;

– dass die Europäische Notenbank ein Notfallprogramm bereitstellen und zusätzlich in Anleihekäufe investieren wird und

– dass die Bundesregierung einen Nachtragshaushalt über 156 Mrd. Euro beschlossen hat.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat (ebenfalls über den Weg eines Nachtragshaushalts) zusätzliche Mittel im Rahmen eines Sondervermögens in Höhe von bis zu 25 Mrd. Euro bereitgestellt.

Allein die vorgenannten Maßnahmen verdeutlichen, welche immensen Anstrengungen zur Bewältigung der derzeitigen Krise unternommen werden, und dass ein „weiter so“-Handeln nach der Krise nicht angemessen erscheint.

Vor diesem Hintergrund ist es nun geboten, Projekte, auf die das Land Nordrhein-Westfalen Einfluss hat, und deren finanzielle Auswirkungen ernsthaft zu überprüfen. Ziel muss es dabei sein, Einsparmöglichkeiten gewissenhaft zu eruieren. Dadurch können Mittel für die aktuell und für die auf längere Zeit absehbaren vorrangigen Maßnahmen gewonnen werden, die den Bürgern unseres Landes einen unmittelbaren Nutzen bringen: so etwa Zuschüsse für Gewerbetreibende und Freiberufler, Kredite des Landes und sonstige Liquiditätshilfen bzw. Investitionsprogramme.

Ein Beispiel für ein solches Projekt, das auf Grund seiner erheblichen Kosten auf den Prüfstand gehört und mit dem der Landtag Nordrhein-Westfalen sich dringend befassen muss, ist die Erweiterung des eigenen Landtagsgebäudes. Denn vor einigen Jahren wurde festgelegt, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen erweitert werden soll.

Das Gebäude des Landtags Nordrhein-Westfalen war in den 1980iger Jahren ursprünglich für drei Fraktionen geplant und ist im Bauverlauf für vier Fraktionen umgeplant worden. Nunmehr sind bekanntlich fünf Fraktionen dort untergebracht. Der Bedarf an Büro- und Sitzungsräumen ist mit der Zeit gestiegen und wird wohl mit Blick auf potenziell sechs Fraktionen weiter anwachsen. Derzeit sind die Fraktionen und die Verwaltung zudem auf weitere Liegenschaften verteilt.3

Mit Blick auf die vorgesehenen Baumaßnahmen geht es zum einen um einen Anbau an das bestehende Landtagsgebäude und zum anderen um einen deutlich umfangreicheren Erweiterungsbau. Dieser Gebäudeteil soll auf den beiden Parkplätzen neben dem Rheinturm entstehen.

Die Baukommission, bestehend aus dem Präsidium des Landtags und Vertretern der Fraktionen, hat das Raumprogramm, also den ermittelten Bedarf an Fläche und Nutzungen, bereits festgelegt. Demnach sind allein für das Erweiterungsgebäude 9.000 m2 Büroflächen und zusätzlich Sitzungssäle für Ausschüsse, Veranstaltungsräume, Gastronomie und ein zweites Rechenzentrum vorgesehen. Im Anbau sind dann noch einmal 100 Büros sowie weitere Flächen geplant.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung und die Landeshauptstadt hatten im Dezember 2019 einen Rahmenvertrag mit Blick auf die Erweiterung des Landtagsgebäudes und des davor befindlichen Bilker Bürgerparks geschlossen.

Derzeit läuft ein sogenanntes Wettbewerbsverfahren für die Ermittlung eines Architekturbüros, das die Planung nach den bisherigen Vorgaben umsetzen soll. Demnach befindet sich das ganze Projekt noch in einer sehr frühen Phase. Baubeginn war für Ende 2021 vorgesehen, ein Termin, der sich angesichts der Corona-Krise wohl bereits jetzt nicht mehr halten lässt.

II. Konsequenzen

Die derzeitige Arbeitsweise der Fraktionen und der Verwaltung des Landtags während der Corona-Krise stellt einen Testfall dar, unter welchen außerordentlichen Bedingungen die Funktionsfähigkeit des Landtags trotzdem sichergestellt werden kann. Es ist immer noch nicht abzusehen, wie lange dieser Zustand andauern wird, auch wenn erste Lockerungen für den Alltag der Bürger bereits umgesetzt wurden und weitere kurzfristig vorgesehen sind.

Wenn eine weitgehend normale Arbeitsweise wieder möglich sein wird, sollte die Gelegenheit genutzt werden, Erfahrungen aus dieser Zeit auszuwerten und festzustellen, welche Optimierungspotenziale bestehen und welche anderen Arbeitsweisen möglich sind, ohne dass die Funktionsfähigkeit des Landtags im Rahmen demokratischer Regeln verloren geht.

Eine solche Aufarbeitung der Arbeitsweise im Plenum, in den Fachausschüssen und in den sonstigen Gremien sollte Grundlage sein, um den bisher ermittelten Flächenbedarf noch einmal kritisch zu betrachten und den nunmehr tatsächlich erforderlichen und möglicherweise abweichenden Ausbaubedarf zu ermitteln.

Auf der Grundlage eines Moratoriums sollte für die Schritte ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt werden.

Zudem sollte dringend für die Bevölkerung, aber auch für alle Akteure des Wirtschaftslebens, deren Überleben und deren Existenz dramatisch gefährdet sind, ein Zeichen gesetzt werden, dass auch der Landtag selbst kein gedankenloses und der gegenwärtigen Situation nicht entsprechendes „weiter so“ praktiziert.

Vielmehr müssen auch der Landtag und seine Mitglieder ihren Beitrag leisten und die, bisher keiner Grenze nach oben unterliegenden, Kosten eines Erweiterungsbaus bzw. eines Anbaus des Landtags Nordrhein-Westfalen dringend überdenken. Dies ist angesichts der derzeitigen Situation und der sich abzeichnenden schweren wirtschaftlichen Beeinträchtigungen im Rahmen eines Moratoriums zunächst bis zum Ende dieses Jahres möglich.

III. Der Landtag stellt fest:

  • Unter den Bedingungen der Corona-Krise ist ein Zeichen gegenüber der Bevölkerung und allen Beteiligten am Wirtschaftsleben erforderlich, dass mit öffentlichen Mitteln verantwortlich umgegangen wird.
  • Nach dem Ende der Corona-Krise und mit Blick auf die dabei gemachten Erfahrungen ist der Raumbedarf des Landtags zu überdenken, um deutlich Kosten für das Vorhaben einzusparen.

IV. Der Landtag appelliert

an die Mitglieder der zuständigen Gremien, den Raumbedarf zu überdenken und ggf. ein Moratorium zunächst bis zum Ende des Jahres 2020 für das Verfahren für den Ausbau des Landtags vorzusehen.

Roger Beckamp
Markus Wagner
Andreas Keith

und Fraktion

 

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1 Welt-online, „Coronavirus wird Deutschland Hunderte Milliarden Euro kosten“, 23. März 2020

2 wie vor

3 RP-online, „Wettbewerb für Landtagserweiterung startet“ vom 15. Januar 2020