Mutmaßlicher Automatensprenger aus Gericht entflohen – Wieso gab es Mängel im Sicherheitskonzept?

Kleine Anfrage
vom 05.01.2024

Kleine Anfrage 3138

der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Hartmut Beucker AfD

Mutmaßlicher Automatensprenger aus Gericht entflohen Wieso gab es Mängel im Sicherheitskonzept?

Am 1. Dezember dieses Jahres kam es in Duisburg-Hamborn zu einem Gerichtsprozess, bei dem der „mutmaßliche Automatensprenger C.“1 als Zeuge aussagen sollte. Er selbst sitzt wegen des Verdachts der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und vorsätzlicher Brandstiftung im Gefängnis in Heinsberg. An jenem Tag wurde er durch den Gefangenentransport zu seiner Zeugenvernehmung verbracht, um gegen 09:30 Uhr seine Aussage zu tätigen. Nach seiner Vernehmung ging es für ihn zurück in seine Vorführzelle. Allerdings musste man aufgrund von Baumaßnahmen auf eine andere Zelle als die übliche ausweichen. Diese wurde allem Anschein nach im Vorhinein nicht gründlich genug untersucht, weshalb nicht bemerkt wurde, dass eine der Türen unverschlossen war. So konnte der Inhaftierte unbemerkt seine Zelle verlassen und landete letztendlich im Innenhof das Gerichtsgebäudes. Dort trennte ihn nur ein durch Gitter verschlossener Flur von der Außenwelt.2

Dieses Gitter stand weit offen, da sich zu diesem Zeitpunkt ein Elektriker im Gebäude befand und ungehindert ein- und ausgehen sollte. Einer der Wachtmeister sah den fliehenden Häftling und verfolgte diesen, konnte ihn letztendlich aber nicht mehr festsetzen. Einige Tage lang war der Entflohene auf freiem Fuß, bis er dann in der Nacht des 5. Dezember 2023 wieder festgenommen und in seine Zelle zurückgebracht werden konnte. Nun prüft das Landgericht Duisburg Maßnahmen der Dienstaufsicht aufgrund der unverschlossenen Türen, die dem Mann zur Flucht verhalfen.3

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vornamen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)
  2. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr zu Fluchten bzw. Fluchtversuchen aus nordrhein-westfälischen Gerichten? (Bitte nach Ort, Dauer der Flucht bzw. ob die Flucht gescheitert ist sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationalität aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra ausweisen.)
  3. Wie vielen der seit 2015 bis heute pro Jahr unternommenen Fluchtversuche aus Gerichtsgebäuden lagen Mängel im Sicherheitskonzept, wie bspw. nicht verriegelte Türen oder andere Unachtsamkeiten zugrunde? (Bitte nach Jahr, Ort und Fehler im Sicherheitskonzept aufschlüsseln.)
  4. Welche Konsequenzen sind für die verantwortlichen Mitarbeiter des Justizvollzugs aufgrund ihrer Unachtsamkeiten entstanden?
  5. Plant die Landesregierung Sicherheitskonzepte in Gerichtsgebäuden generell zu verbessern und zu intensivieren, um mögliche zukünftige Fluchtversuche präventiv unterbinde zu können?

Markus Wagner

Dr. Hartmut Beucker

 

MMD18-7619

 

1 https://m.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/duisburg-zelle-unverriegelt-haeftling-gelingt-flucht-aus-amtsgericht-86336254.bildMobile.html?t_ref=https%3A%2F%2Fm.bild.de%2F.

2 Ebenda.

3 Ebenda.


Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 3138 mit Schreiben vom 30. Januar 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet.

  1. Wie ist der aktuelle Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Er­mittlungen zu dem oben beschriebenen Vorfall? (Bitte Tathergang, Vorstrafen des Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften des Tatverdächtigen, seit wann der Tatverdächtige im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist, Vor­namen und Mehrfachstaatsangehörigkeit bei einem deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Duisburg hat mir unter dem 16.01.2024 im Wesentlichen berichtet, die Flucht des Beschuldigten C. aus dem Amtsgericht Duisburg-Hamborn nach sei­ner Vorführung als Zeuge erfülle für diesen selbst keinen Straftatbestand.

Aufgrund eines anonymen Hinweises sei am späten Abend des 04.12.2023 der Aufenthalt des geflohenen Beschuldigten bei dem gesondert Verfolgten Y. in Duisburg ermittelt worden. Nach Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des gesondert Verfolgten sei der Beschuldigte dort am 05.12.2023 zwischen 02:30 Uhr und 02:55 Uhr von Polizeibeamten festgenommen und anschließend wieder der zuständigen Justizvollzugsanstalt Heinsberg zugeführt worden.

Gegen Y. sei aufgrund des Zurverfügungstellens seiner Wohnung zum Aufenthalt wegen des Vorwurfs der Strafvereitelung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Ermittlungen in diesem Verfahren dauerten an. Der gesondert Verfolgte Y. besitze die türkische Staatsange­hörigkeit. Sein Bundeszentralregisterauszug weise drei Verurteilungen auf. Er sei in den Jah­ren 2020 und 2021 wegen versuchten schweren Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, wegen versuchter Hehlerei und Volksverhetzung sowie wegen unerlaub­ten Besitzes von Betäubungsmitteln jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden.

Weitere Ermittlungsverfahren, insbesondere gegen Bedienstete des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn, seien mangels Anfangsverdachts nicht eingeleitet worden, da zureichende tatsäch­liche Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Hilfeleistung nicht vorlägen. Da Bedienstete der Jus­tizvollzugsanstalt Duisburg-Hamborn nicht mit der Vorführung des Gefangenen betraut gewe­sen seien, bestehe auch insoweit kein Anlass zur Aufnahme von Ermittlungen.

  1. Wie oft kam es seit 2015 bis heute pro Jahr zu Fluchten bzw. Fluchtversuchen aus nordrhein-westfälischen Gerichten? (Bitte nach Ort, Dauer der Flucht bzw. ob die Flucht gescheitert ist sowie Tätermerkmalen wie Alter, Geschlecht und Nationali­tät aufschlüsseln und bei Deutschen die Mehrfachstaatsangehörigkeit extra aus­weisen.)

In den nordrhein-westfälischen Gerichten gab es in den Jahren 2015 bis 2023 folgende Anzahl an Fluchten und Fluchtversuchen:

 

Jahr Flucht Fluchtversuch
2015 1 1
2016 5 1
2017 2 3
2018 4 2
2019 ./. 3
2020 1 1
2021 ./. 1
2022 3 2
2023 3 3

 

Im Zeitraum bis zum 04.01.2024 gab es keine Fluchten und keine Fluchtversuche.

  1. Wie vielen der seit 2015 bis heute pro Jahr unternommenen Fluchtversuche aus Gerichtsgebäuden lagen Mängel im Sicherheitskonzept, wie bspw. nicht verrie­gelte Türen oder andere Unachtsamkeiten zugrunde? (Bitte nach Jahr, Ort und Fehler im Sicherheitskonzept aufschlüsseln.)

Den Fluchtversuchen lagen keine sicherheitskonzeptionellen Mängel zugrunde.

  1. Welche Konsequenzen sind für die verantwortlichen Mitarbeiter des Justizvoll­zugs aufgrund ihrer Unachtsamkeiten entstanden?

Im Rahmen der gründlichen Untersuchung jedes einzelnen Fluchtversuchs wurden und werden ggf. auch dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen geprüft und die erforderlichen Maßnahmen auch in dieser Hinsicht ergriffen. Eine nähere Darstellung – zumal für den Zeitraum seit 2015 – ist schon wegen der im Disziplinarrecht vorgesehenen Löschungsfristen nicht möglich.

  1. Plant die Landesregierung Sicherheitskonzepte in Gerichtsgebäuden generell zu verbessern und zu intensivieren, um mögliche zukünftige Fluchtversuche präven­tiv unterbinde zu können?

Sicherheitskonzepte der Justiz unterliegen fortlaufender Aktualisierung.

 

MMD18-7945