Kleine Anfrage 4731
der Abgeordneten Markus Wagner und Dr. Hartmut Beucker AfD
Nach Vergewaltigung: Abschiebepflichtiger Ghanaer auf freiem Fuß – Hat die Justiz versagt?
Ein 34-jähriger Asylbewerber aus Ghana, der wegen Vergewaltigung angeklagt war, wurde freigelassen, weil kein Platz in der Abschiebehaft verfügbar war. Der Mann soll im Jahr 2018 in Mülheim ein damals 16-jähriges Mädchen im Schlaf überwältigt und vergewaltigt haben. Nach der Tat tauchte er unter und blieb jahrelang unauffindbar. Erst Anfang 2023 gelang es den Behörden ihn festzunehmen. Gegen den Mann lag seit 2018 eine Ausweisungsverfügung vor, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war. Auch dieser Aufforderung zur Ausreise war er nicht nachgekommen.1
Zwei Versuche, eine Gerichtsverhandlung gegen ihn durchzuführen, scheiterten, da das mutmaßliche Opfer nicht vor Gericht erschien. Anfang September drohte dann eine Freilassung, da die gesetzlich vorgeschriebene Dauer der Untersuchungshaft von sechs Monaten abgelaufen war. Die Vorsitzende Richterin veranlasste deshalb in letzter Minute einen Abschiebehaftbefehl, der noch während der Verhandlung durch Beamte des Ausländeramts Rostock ausgeführt wurde. Obwohl der Abschiebehaftbefehl im Gerichtssaal vollstreckt wurde, war der Mann noch am Nachmittag desselben Tages wieder auf freiem Fuß. Das Amtsgericht Mülheim erklärte auf Nachfrage, dass die zuständigen Behörden keinen freien Platz in der Abschiebehaft finden konnten. Dies führte zu der überraschenden Freilassung des Angeklagten, der weiterhin ausreisepflichtig bleibt. Die Stadt Mülheim, in deren Zuständigkeit das Ausländeramt für den Bereich liegt, verweigerte eine detaillierte Stellungnahme zu den genauen Hintergründen der Freilassung und verwies auf die Behörde in Rostock. Diese wiederum teilte mit, dass es in Mecklenburg-Vorpommern keinen Mangel an Abschiebehaftplätzen gegeben habe. Der aktuelle Aufenthaltsort des Mannes ist unbekannt.2
Die Freilassung des mutmaßlichen Vergewaltigers hat inzwischen auch den nordrhein-westfälischen Landtag erreicht. Die SPD-Abgeordneten Bakum, Kapteinat, Müller-Witt, Baran und Kampmann haben in einer Kleinen Anfrage die Landesregierung um Aufklärung gebeten und fordern unter anderem Antworten zur Frage, warum kein Haftplatz für den Angeklagten zur Verfügung stand, obwohl ein gültiger Abschiebehaftbefehl vorlag. Ebenso möchten sie wissen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um einen Platz in einer Haftanstalt zu finden und wie der Belegungsstatus der entsprechenden Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern zum Zeitpunkt der Verhaftung aussah. Doch weder die Stadt Mülheim noch die zuständigen Ausländerbehörden wollten sich detailliert zu den Umständen äußern.3
Wir fragen daher die Landesregierung:
- Warum wurde der Ghanaer nicht zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet?
- Wie viele Personen in Nordrhein-Westfalen, gegen die ein Abschiebehaftantrag vorliegt, sind auf freiem Fuß?
- Wie viele dieser Personen sind untergetaucht, sodass die zuständigen Behörden ihren Aufenthaltsort nicht kennen?
- Wo sieht die Landeregierung individuelles Versagen, welches zur Freilassung des Tatverdächtigen führte?
- Welche administrativ-strukturellen Probleme begünstigten aus Sicht der Landesregierung die Freilassung des Tatverdächtigen?
Markus Wagner
Dr. Hartmut Beucker
2 Ebenda.
3 Ebenda.
Die Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration hat die Kleine Anfrage 4731 mit Schreiben vom 11. Dezember 2024 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Warum wurde der Ghanaer nicht zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet?
Aus welchem Grund keine Anwendung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nach § 56a Aufenthaltsgesetz gemacht wurde, kann seitens der Landesregierung nicht beantwortet werden. Für ausländerrechtliche Maßnahmen dieser Art ist die Ausländerbehörde Rostock örtlich und sachlich zuständig.
- Wie viele Personen in Nordrhein-Westfalen, gegen die ein Abschiebehaftantrag vorliegt, sind auf freiem Fuß?
- Wie viele dieser Personen sind untergetaucht, sodass die zuständigen Behörden ihren Aufenthaltsort nicht kennen?
Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Landesregierung keine Statistiken im Sinne der Fragestellung vor.
- Wo sieht die Landeregierung individuelles Versagen, welches zur Freilassung des Tatverdächtigen führte?
Ein Versagen im Sinne der Fragestellung ist auf der Grundlage eines Berichts der Leitenden Oberstaatsanwältin in Duisburg vom 11.11.2024 im staatsanwaltschaftlichen Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz nicht feststellbar. Hinsichtlich der gerichtlichen Sachbehandlung gilt Art. 97 GG.
- Welche administrativ-strukturellen Probleme begünstigten aus Sicht der Landesregierung die Freilassung des Tatverdächtigen?
Probleme im Sinne der Fragestellung sind auf der Grundlage des in der Antwort auf die Frage 4 genannten Berichts im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz nicht feststellbar.