Nein zum GEZ-Automatismus! Die demokratische Debatte zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags darf nicht durch Automatismen wie Indexierung oder Korridorvorgaben ausgehöhlt werden.

Antrag
vom 16.01.2024

Antrag

der Fraktion der AfD

Nein zum GEZ-Automatismus! Die demokratische Debatte zur Erhöhung des Rund­funkbeitrags darf nicht durch Automatismen wie Indexierung oder Korridorvorgaben ausgehöhlt werden.

I. Ausgangslage

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat Anfang November eine Steigerung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro vorgeschlagen. Das bedeutet, dass die Verantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen Sender ab 2025 für vier Jahre mit rund einer Milliarde mehr an Beitragseinnahmen rechnen dürfen (Steigerung 2021– 2024: um ca. 1,5 Mrd. Euro). Die Sender gaben im Zuge der Anmeldung ihres Finanzbedarfs an die KEF an, dass „trotz Sparanstrengungen“ die erwartbaren Ausgabensteigerungen für Personal-, Programm- und Sachaufwendungen bis zu 2,7 Prozent betragen werden.

Allen Verantwortlichen war nach der Aufdeckung von skandalösen Vorfällen rund um Ver­schwendungssucht, Vetternwirtschaft und dem Aufsichtsversagen der Kontrollorgane einzel­ner ARD-Anstalten bewusst, dass es womöglich Vorbehalte der Bevölkerung gegen eine wei­tere Beitragssteigerung geben könnte.

In einer repräsentativen Umfrage Ende 2023 waren rund zwei Drittel der Befragten der Mei­nung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Krise stecke.1

Vertreter sämtlicher Altparteien betonten, dass es nach den Skandalen des ÖRR ein „Weiter so“ nicht mehr geben kann. Verschwendungssucht wurde gegeißelt, Besserung gelobt und radikale Reformprogramme wurden laut angedacht, die letztlich in einer vergleichsweise leich­ten Korrektur der Medienstaatsverträge endeten. Dabei machte das Bundesverfassungsge­richt in seinem Urteil zur Enthaltung des Landes Sachsen-Anhalt zur Zustimmung des 1. Me-dienänderungsstaatsvertrages und der letzten Rundfunkbeitragserhöhung deutlich, dass eine fehlende Zustimmung eines Bundeslandes die zustimmenden Voten der anderen 15 Bundes­länder nicht blockieren darf.2 Somit haben mögliche wahlkampfbegründete Alleingänge regie­rungstragender Parteien keine Auswirkungen auf das System des öffentlich-rechtlichen Rund­funks und dessen Finanzierung.

Dessen ungeachtet verabschiedeten am 27. Juni 2023 die Vorsitzenden der Unionsfraktionen der Länder in Rostock eine Resolution zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk3, in der viele Maß­nahmen des kurz vorher gemeinsam unterzeichneten 3. Medienänderungsstaatsvertrags ne­giert wurden. Verdi bezeichnete diese Resolution als „kurzsichtiger, durchschaubarer Versuch des Stimmenfangs im Wahlkampfjahr 2023“.4 Des Weiteren legte eine Kommission der Bun­des-CDU unter Leitung von Reiner Haseloff, dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, am 12. November 2023 ein Positionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, das wei­tere massive Reformen einforderte, sich jedoch einer Erhöhung der Rundfunkbeiträge nicht entgegenstellte. In der Jahresauftaktklausur der CDU soll über dieses Positionspapier abge­stimmt werden.

Den medienpolitischen Verantwortlichen ist ebenfalls bewusst, dass gerade diese Widersprü­che zwischen wahlkampfgetriebenen politischen Forderungen und tatsächlichem politischen Handeln das sind, was in der Bevölkerung immer weniger goutiert wird. Angesichts all dessen ist es wenig überraschend, dass sich immer mehr Bürger konsequente Reformkonzepte, zum Beispiel das des ‚Grundfunks‘ der AfD, als wichtigen und richtigen Schritt für die Wiederher­stellung des Vertrauens in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen.5 Um die Debatte nicht weiter aufflammen zu lassen, erwägen nun Vertreter der Altparteien, die Maßnahmen zu den Beitragserhöhungen ‚politikferner‘ zu gestalten.

Beispielsweise hoben Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine automati­sche, am Bruttoinlandsprodukt orientierte Beitragserhöhung auf die medienpolitische Agenda, wobei dies sowohl von der KEF als auch einigen Fachpolitikern zurückgewiesen wurde. 2018 veröffentlichten sechs Bundesländer einen Plan, nach dem der Rundfunkbeitrag ebenfalls au­tomatisch, jedoch an die jährliche Inflationsrate gekoppelt, angehoben werden soll. So sprach sich der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder für ein solch indexbasiertes Verfahren aus.6 Nathanael Liminski, der damalige Chef der Staatskanzlei und heutige Medienminister des Landes Nordrhein-Westfalens, sprach sich im März 2019 ebenfalls für ein indexbasiertes Verfahren aus.7

Nach oftmals massiver Kritik von verschiedenen Seiten wurde jedoch die Umsetzung der In­dexierung der Rundfunkbeitragserhöhung bis auf Weiteres verworfen. Der Chef der Sächsi­schen Staatskanzlei, Oliver Schenk, sagte dazu der FAZ: „Für die nächste Gebührenperiode ist das Indexmodell zunächst gescheitert […] Auch wenn alle Länder grundsätzlich für Refor­men sind, ist die Zeit für einen Paradigmenwechsel durch das Indexmodell anscheinend noch nicht reif.“8

Allerdings wird im bereits eingesetzten „Zukunftsrat“ der Länder zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Modell der Indexierung der Beiträge weiterhin in Erwägung gezo­gen und womöglich bei der Veröffentlichung der Reformvorschläge Mitte Januar diesen Jahres erneut ins Gespräch gebracht.

Ende 2023 berichtete die FAZ über einen neuen Ansatz für das Lösen des Zustimmungsdi­lemmas: Die KEF gibt den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten einen Korridor vor, innerhalb dessen die Anstalten ihre Beiträge festsetzen können. Damit würde die Zustimmungspflicht der Bundesländer alle vier Jahre entfallen – auf Kosten der politischen Gestaltungsmöglich­keiten der demokratisch legitimierten Landesparlamente.

II. Der Landtag stellt fest:

  • Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist durch seine besondere Funktion keine von Ge­sellschaft und Politik losgelöste monolithische Struktur, sondern muss sich sowohl der gesellschaftlichen Debatte um inhaltliche und finanzielle Fragen stellen als auch mate­rielle Konsequenzen erfahren dürfen.
  • Die Politik ist als Vertretung der Bürger gefordert, deren Mehrheitsstandpunkte zum öf­fentlich-rechtlichen Rundfunk zu repräsentieren und damit auch als Vertreter des Wahl­volkes Einfluss auf die Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rund­funks zu nehmen.
  • Automatismen zur Beitragsfestsetzung würden die Repräsentation des Willens des Wahlvolkes in den politischen Debatten unterminieren und sind daher klar abzulehnen.
  • Der Landtag Nordrhein-Westfalen verwahrt sich gegen jede Bestrebung, seine Mitwir­kungsrechte bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugunsten vermeintlich unpolitischer „Expertengremien“ zu beschneiden.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich gegen jeden Automatismus der Gebührenfestsetzung zu stellen,
  • sich im Zuge der nächsten Medienänderungsstaatsverträge für eine tiefgreifende Re­form des Programmauftrags zu engagieren,
  • sich in Absprache mit den anderen Bundesländern geschlossen gegen eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge zu stellen und
  • die Mitwirkungsrechte des Landtags bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu wahren und zu verteidigen.

Sven W. Tritschler
Martin Vincentz
Andreas Keith

und Fraktion

 

MMD18-7757

 

1 https://civey.com/umfragen/35480/inwiefern-stimmen-sie-der-aussage-zu-der-offentlich-rechtliche-rundfunk-steckt-in-einer-krise

2 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-069.html

3 https://www.cdufraktion.de/2023/resolution-der-16-landtagsfraktionen-von-cdu-und-csu-zur-reform-des-oeffentlich-rechtlichen-rundfunks-vom-27-juni-2023-in-rostock/

4 https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++5a3ca556-159a-11ee-b36f-001a4a16012a

5 Vgl. Umfrage Sachsen-Anhalt: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/sachsen-anhalt-92-pro-zent-gegen-hoeheren-rundfunkbeitrag-19088223.html

6 https://www.welt.de/politik/deutschland/article189665503/Soeder-ueber-Framing-Manual-Schwer-verstaendlich-fuer-so-etwas-Beitragsmittel-zu-verwenden.html

7 https://www.deutschlandfunk.de/finanzierung-der-oeffentlich-rechtlichen-mehr-100.html

8 https://www.sueddeutsche.de/medien/indexmodell-zeit-fuer-den-wechsel-noch-nicht-reif-1.4673525

Beteiligte:
Sven Tritschler