Antrag
der Fraktion der AfD
Nein zum GEZ-Automatismus! Die demokratische Debatte zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags darf nicht durch Automatismen wie Indexierung oder Korridorvorgaben ausgehöhlt werden.
I. Ausgangslage
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat Anfang November eine Steigerung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf 18,94 Euro vorgeschlagen. Das bedeutet, dass die Verantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen Sender ab 2025 für vier Jahre mit rund einer Milliarde mehr an Beitragseinnahmen rechnen dürfen (Steigerung 2021– 2024: um ca. 1,5 Mrd. Euro). Die Sender gaben im Zuge der Anmeldung ihres Finanzbedarfs an die KEF an, dass „trotz Sparanstrengungen“ die erwartbaren Ausgabensteigerungen für Personal-, Programm- und Sachaufwendungen bis zu 2,7 Prozent betragen werden.
Allen Verantwortlichen war nach der Aufdeckung von skandalösen Vorfällen rund um Verschwendungssucht, Vetternwirtschaft und dem Aufsichtsversagen der Kontrollorgane einzelner ARD-Anstalten bewusst, dass es womöglich Vorbehalte der Bevölkerung gegen eine weitere Beitragssteigerung geben könnte.
In einer repräsentativen Umfrage Ende 2023 waren rund zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Krise stecke.1
Vertreter sämtlicher Altparteien betonten, dass es nach den Skandalen des ÖRR ein „Weiter so“ nicht mehr geben kann. Verschwendungssucht wurde gegeißelt, Besserung gelobt und radikale Reformprogramme wurden laut angedacht, die letztlich in einer vergleichsweise leichten Korrektur der Medienstaatsverträge endeten. Dabei machte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Enthaltung des Landes Sachsen-Anhalt zur Zustimmung des 1. Me-dienänderungsstaatsvertrages und der letzten Rundfunkbeitragserhöhung deutlich, dass eine fehlende Zustimmung eines Bundeslandes die zustimmenden Voten der anderen 15 Bundesländer nicht blockieren darf.2 Somit haben mögliche wahlkampfbegründete Alleingänge regierungstragender Parteien keine Auswirkungen auf das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Finanzierung.
Dessen ungeachtet verabschiedeten am 27. Juni 2023 die Vorsitzenden der Unionsfraktionen der Länder in Rostock eine Resolution zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk3, in der viele Maßnahmen des kurz vorher gemeinsam unterzeichneten 3. Medienänderungsstaatsvertrags negiert wurden. Verdi bezeichnete diese Resolution als „kurzsichtiger, durchschaubarer Versuch des Stimmenfangs im Wahlkampfjahr 2023“.4 Des Weiteren legte eine Kommission der Bundes-CDU unter Leitung von Reiner Haseloff, dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, am 12. November 2023 ein Positionspapier zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor, das weitere massive Reformen einforderte, sich jedoch einer Erhöhung der Rundfunkbeiträge nicht entgegenstellte. In der Jahresauftaktklausur der CDU soll über dieses Positionspapier abgestimmt werden.
Den medienpolitischen Verantwortlichen ist ebenfalls bewusst, dass gerade diese Widersprüche zwischen wahlkampfgetriebenen politischen Forderungen und tatsächlichem politischen Handeln das sind, was in der Bevölkerung immer weniger goutiert wird. Angesichts all dessen ist es wenig überraschend, dass sich immer mehr Bürger konsequente Reformkonzepte, zum Beispiel das des ‚Grundfunks‘ der AfD, als wichtigen und richtigen Schritt für die Wiederherstellung des Vertrauens in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen.5 Um die Debatte nicht weiter aufflammen zu lassen, erwägen nun Vertreter der Altparteien, die Maßnahmen zu den Beitragserhöhungen ‚politikferner‘ zu gestalten.
Beispielsweise hoben Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine automatische, am Bruttoinlandsprodukt orientierte Beitragserhöhung auf die medienpolitische Agenda, wobei dies sowohl von der KEF als auch einigen Fachpolitikern zurückgewiesen wurde. 2018 veröffentlichten sechs Bundesländer einen Plan, nach dem der Rundfunkbeitrag ebenfalls automatisch, jedoch an die jährliche Inflationsrate gekoppelt, angehoben werden soll. So sprach sich der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder für ein solch indexbasiertes Verfahren aus.6 Nathanael Liminski, der damalige Chef der Staatskanzlei und heutige Medienminister des Landes Nordrhein-Westfalens, sprach sich im März 2019 ebenfalls für ein indexbasiertes Verfahren aus.7
Nach oftmals massiver Kritik von verschiedenen Seiten wurde jedoch die Umsetzung der Indexierung der Rundfunkbeitragserhöhung bis auf Weiteres verworfen. Der Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Oliver Schenk, sagte dazu der FAZ: „Für die nächste Gebührenperiode ist das Indexmodell zunächst gescheitert […] Auch wenn alle Länder grundsätzlich für Reformen sind, ist die Zeit für einen Paradigmenwechsel durch das Indexmodell anscheinend noch nicht reif.“8
Allerdings wird im bereits eingesetzten „Zukunftsrat“ der Länder zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Modell der Indexierung der Beiträge weiterhin in Erwägung gezogen und womöglich bei der Veröffentlichung der Reformvorschläge Mitte Januar diesen Jahres erneut ins Gespräch gebracht.
Ende 2023 berichtete die FAZ über einen neuen Ansatz für das Lösen des Zustimmungsdilemmas: Die KEF gibt den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten einen Korridor vor, innerhalb dessen die Anstalten ihre Beiträge festsetzen können. Damit würde die Zustimmungspflicht der Bundesländer alle vier Jahre entfallen – auf Kosten der politischen Gestaltungsmöglichkeiten der demokratisch legitimierten Landesparlamente.
II. Der Landtag stellt fest:
- Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist durch seine besondere Funktion keine von Gesellschaft und Politik losgelöste monolithische Struktur, sondern muss sich sowohl der gesellschaftlichen Debatte um inhaltliche und finanzielle Fragen stellen als auch materielle Konsequenzen erfahren dürfen.
- Die Politik ist als Vertretung der Bürger gefordert, deren Mehrheitsstandpunkte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu repräsentieren und damit auch als Vertreter des Wahlvolkes Einfluss auf die Ausgestaltung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu nehmen.
- Automatismen zur Beitragsfestsetzung würden die Repräsentation des Willens des Wahlvolkes in den politischen Debatten unterminieren und sind daher klar abzulehnen.
- Der Landtag Nordrhein-Westfalen verwahrt sich gegen jede Bestrebung, seine Mitwirkungsrechte bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugunsten vermeintlich unpolitischer „Expertengremien“ zu beschneiden.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sich gegen jeden Automatismus der Gebührenfestsetzung zu stellen,
- sich im Zuge der nächsten Medienänderungsstaatsverträge für eine tiefgreifende Reform des Programmauftrags zu engagieren,
- sich in Absprache mit den anderen Bundesländern geschlossen gegen eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge zu stellen und
- die Mitwirkungsrechte des Landtags bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu wahren und zu verteidigen.
Sven W. Tritschler
Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
2 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-069.html
4 https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++5a3ca556-159a-11ee-b36f-001a4a16012a
5 Vgl. Umfrage Sachsen-Anhalt: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/sachsen-anhalt-92-pro-zent-gegen-hoeheren-rundfunkbeitrag-19088223.html
7 https://www.deutschlandfunk.de/finanzierung-der-oeffentlich-rechtlichen-mehr-100.html
8 https://www.sueddeutsche.de/medien/indexmodell-zeit-fuer-den-wechsel-noch-nicht-reif-1.4673525