Kleine Anfrage 3526des Abgeordneten Sven W. Tritschler vom 22.04.2020
Netzstabilität und Netzqualität in der Corona-Krise
Die Corona-Krise stellt für die Telekommunikationsnetze im Land eine besondere Herausforderung dar. Innerhalb kürzester Zeit arbeiten immer mehr Menschen von zuhause aus und sind auf stabile Daten- und Telefonverbindungen angewiesen. Aber nicht nur die Arbeit, sondern auch das Privatleben der Bürger verlagert sich in außerordentlichem Maße in die digitale Welt. Die Kommunikation im weiteren Familien- und Freundeskreis ist aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen auf elektronische Hilfsmittel angewiesen, und in Ermangelung anderer Freizeitangebote verzeichnen die Anbieter von Streamingdiensten (z.B. Netflix) stark erhöhte Zugriffs- und Abonnentenzahlen.1
Der Betreiber des Netzknotens „DE-CIX“ in Frankfurt am Main berichtete bereits am 19. März 2020 von einem Zuwachs des Gesamtdatenverkehrs um zehn Prozent; der Datenverkehr für Videokonferenzen war sogar um 50 Prozent angewachsen.2 Zur gleichen Zeit kündigten Netflix, YouTube und andere Streaminganbieter an, ihre Videos in Europa nur noch mit reduzierter Datenrate und damit in eingeschränkter Qualität anzubieten.3
In ihrer Pressemitteilung4 vom 25. März 2020 erklärte die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen zwar, dass die deutschen Datennetze der erhöhten Belastung gewachsen und dass Störungen im Homeoffice-Betrieb häufig auf die unzureichenden Kapazitäten bei den betroffenen Unternehmen zurückzuführen seien, gleichzeitig häufen sich aber die Meldungen über Störungen bei allen größeren deutschen Netzbetreibern.
Das Fachmagazin „connect“ hat im Rahmen einer bundesweiten Studie5 festgestellt, dass die durchschnittliche Netzqualität während der Corona-Krise überwiegend stabil blieb, räumt aber ein, dass es „aufgrund der stärkeren Nutzung der digitalen Infrastruktur dazu kommen kann, dass punktuell einzelne Dienste, Regionen oder Netzübergänge überlastet sind“.
Ich frage daher die Landesregierung:
1. Welche Störungen und Engpässe in Telekommunikationsnetzen in Nordrhein-Westfalen sind der Landesregierung seit März 2020 bekannt geworden? (Bitte aufschlüsseln nach betroffenen Orten und Diensten, Netzbetreiber und Zeit.)
2. Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von Maßnahmen nach der Netzneutralitätsverordnung durch die Netzbetreiber, um Überlastungen zu mindern? (Gegebenenfalls bitte aufschlüsseln.)
3. Inwieweit waren im unter Ziffer 1 genannten Zeitraum Dienststellen der Landesregierung von Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststelle, Zeit und Dauer des Vorfalls, Netzbetreiber und Ort.)
4. Inwiefern waren im unter Ziffer 1 genannten Zeitraum Telekommunikationseinrichtungen von sicherheitsrelevanten Behörden und Dienststellen (z.B. Polizeinotruf) von Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststelle, Zeit und Dauer des Vorfalls, Netzbetreiber und Ort.)
5. Inwieweit hat die Landesregierung Kenntnis von Unternehmen in NRW, die von Netzengpässen und -störungen im o.g. Zeitraum betroffen waren? (Gegebenenfalls bitte aufschlüsseln.)
Sven W. Tritschler
1 https://meedia.de/2020/04/21/q1-bilanz-der-corona-shutdown-beschert-netflix-abonnenten-explosion/ – abgerufen am 22. April 2020
2 https://www.de-cix.net/en/news-events/news/big-upswing-in-internet-usage-due-to-covid-19-measures – abgerufen am 20. April 2020
3 https://www.bild.de/digital/internet/internet/netflix-reagiert-auf-corona-das-bedeutet-die-daten-bremse-fuer-kunden-69506630.bild.html – abgerufen am 20. April 2020
4 https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/20200325_Leitfaden.ht ml?nn=265778 – abgerufen am 20. April 2020
5 https://www.connect.de/ratgeber/corona-krise-festnetz-deutschland-analyse-coronavirus-3200640.html – abgerufen am 22. April 2020
Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 29.05.2020
Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 3526 mit Schreiben vom 29. Mai 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet.
1. Welche Störungen und Engpässe in Telekommunikationsnetzen in Nordrhein-Westfalen sind der Landesregierung seit März 2020 bekannt geworden? (Bitte aufschlüsseln nach betroffenen Orten und Diensten, Netzbetreiber und Zeit.)
2. Inwiefern hat die Landesregierung Kenntnis von Maßnahmen nach der Netzneutralitätsverordnung durch die Netzbetreiber, um Überlastungen zu mindern? (Gegebenenfalls bitte aufschlüsseln.)
Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet.
Die Bundesnetzagentur erhält sogenannte „Netzlast Reports“ großer Telekommunikationsnetzbetreiber. Diese werden zumindest auszugsweise den Ländern unter Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als vertrauliche Informationen zum internen Gebrauch zur Verfügung gestellt.
Es sind vereinzelt kurzzeitige Verfügbarkeitseinschränkungen im genannten Zeitraum zu erkennen gewesen, die jedoch aufgrund anderer Faktoren wie z.B. Hardware- oder Softwareproblemen in der Netzinfrastruktur entstanden sind.
Der Landesregierung liegen insofern keine Kenntnisse über Störungen, Engpässe sowie Überlastungen der Telekommunikationsnetze im angegebenen Zeitraum vor, die durch eine, während der sog. Corona-Krise, erhöhte Netzlast bedingt sind.
3. Inwieweit waren im unter Ziffer 1 genannten Zeitraum Dienststellen der Landesregierung von Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststelle, Zeit und Dauer des Vorfalls, Netzbetreiber und Ort.)
4. Inwiefern waren im unter Ziffer 1 genannten Zeitraum Telekommunikationseinrichtungen von sicherheitsrelevanten Behörden und Dienststellen (z.B. Polizeinotruf) von Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen? (Bitte aufschlüsseln nach Dienststelle, Zeit und Dauer des Vorfalls, Netzbetreiber und Ort.)
Eine Abfrage aller Dienststellen der Landesregierung bezüglich kurzzeitiger Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen der Landesregierung kann in der zur Beantwortung von Kleinen Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden.
Vor diesem Hintergrund liegen der Landesregierung keine dezidierten Kenntnisse über Dienststellen vor, die von nachhaltigen Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen waren, welche ursächlich durch eine erhöhte Netzlast im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie innerhalb des genannten Zeitraums sind.
Bezogen auf den von IT.NRW betriebenen Internetzugang sind innerhalb des genannten Zeitraums keine Störungen oder Qualitätseinbußen bekannt.
Für den Zeitraum ab März 2020 waren folgende sicherheitsrelevante Dienststellen im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern NRW von Störungen oder Qualitätseinbußen in Telekommunikationsnetzen betroffen:
Dienststelle | Zeit/Dauer | Netz-betreiber | Betroffene Orte | Beschreibung/ Hinweise |
KPB Essen,
KPB Gelsenkirchen, KPB Hamm, KPB Köln, KPB Rhein-Kreis-Neuss |
28.03.2020:
16:30 Uhr bis 30.03.2020, 10:00 Uhr |
Telefonica O2 | mindestens dortige Zuständig- keitsbereiche | Sprachverständigung über Notruf 110 beidseitig nicht möglich. Ursache war ein defekter Router beim Netzbetreiber. |
KPB Aachen | 24.04.2020:
12:44 Uhr bis ca. 15:50 Uhr |
NET- Cologne und NET- Aachen | Städteregion Aachen | Störung der Zustellung von Notrufen 110 (und 112) aus dem Netz des vorgenannten Netzbetreibers in dessen Verantwortungsbereich, Ursache unbekannt. |
KPB Köln | 24.04.2020:
unbekannt bis ca. 14:00 Uhr |
NET- Cologne | Köln | Störung der Zustellung von Notrufen 110 (und 112) aus dem Netz des vorgenannten Netzbetreibers in dessen Verantwortungsbereich, Ursache unbekannt. |
KPB Gelsenkirchen | 01.05.2020:
13:12 Uhr bis 24:00 Uhr |
Deutsche Telekom AG | Gelsenkirchen | Störung der Zustellung von Notrufen 110 (und 112) aus dem Netz des vorgenannten Netzbetreibers in dessen Verantwortungsbereich, Ursache unbekannt. |
Feuerwehr Minden- Lübbecke | 15.04.2020:
13:58 Uhr bis 14:02 Uhr |
Deutsche Telekom AG | Kreis Minden-Lübbecke | Ausfall der Digitalfunkanbindung der Kreisleitstelle (Rückfallebene vorhanden). |
Feuerwehr Hamm | 18.04.2020:
10:29 Uhr bis 11:28 Uhr |
Deutsche Telekom AG | Hamm | Ausfall der Digitalfunkanbindung der Kreisleitstelle (Rückfallebene vorhanden). |
5. Inwieweit hat die Landesregierung Kenntnis von Unternehmen in NRW, die von Netzengpässen und -störungen im o.g. Zeitraum betroffen waren? (Gegebenenfalls bitte aufschlüsseln.)
Es liegen keine weiteren Erkenntnisse beim Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie sowie dem Ministerium des Innern vor, dass Unternehmen in Nordrhein-Westfalen ab März 2020 von Netzengpässen und -störungen betroffen waren.