Neuer Sabotageangriff auf Steuersysteme der Deutschen Bahn

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 920
der Abgeordneten Markus Wagner und Klaus Esser vom 21.12.2022

Neuer Sabotageangriff auf Steuersysteme der Deutschen Bahn

Nur wenige Wochen nach dem Anschlag auf das Verkehrsnetz der Deutschen Bahn, bei dem es zu massiven Zugausfällen in Norddeutschland, aber auch in Nordrhein-Westfalen, gekommen ist, ist die Deutsche Bahn erneut Opfer eines Sabotageangriffs geworden. Nach Informationen des Spiegel haben Unbekannte am Sonntag, den 11. Dezember 2022, mehrere Kabelverbindungen in Essen-Dellwig durchtrennt und somit für Ausfälle im Steuerungssystem gesorgt. Die Täter brachen gleich in zwei Stellwerkgebäude ein und durchtrennten in mehreren Schaltkästen ganz gezielt wichtige Kabel.1

Die Strecke, die von der Sabotage betroffen war und ausschließlich von Güterzügen befahren wird, musste gesperrt werden, da mehrere Bahnübergänge ohne Strom waren. Nur einen Tag zuvor wurde diese Strecke nach einjähriger Bauzeit wiedereröffnet. Obwohl eine Reparatur nicht direkt möglich war, wurde der Güterverkehr wieder aufgenommen, da die betroffenen Bahnübergänge mit Batterien betrieben wurden.2

Wir fragen daher die Landesregierung:

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu der oben beschriebenen Sabotage in Essen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstrafen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdächtigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen nennen.)
  2. Welcher PMK (rechts, links sowie religiöse Identität oder ausländische Ideologie) konnten bisherige Tatverdächtige von Anschlägen auf die Bahn-/Verkehrsinfrastruktur in NRW zugeordnet werden? (Bitte nach einzelnen Fällen von 2015 bis heute samt PMK-Einordnung aufschlüsseln.)
  3. Welche volkswirtschaftlichen Kosten sind durch die oben beschriebene Sabotage in Essen entstanden?
  4. Wie hoch sind die Kosten, die durch den notwendig gewordenen Einsatz der Batterien an den einzelnen Bahnübergängen entstanden sind?

Markus Wagner
Klaus Esser

 

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1 Vgl. htt p s: / /www. S p i e g e l.de/politik/deutschland/d e u t s c h e-bahn-neuer-s a b o t a g e – angriff-auf-s t e u e r systeme-staatsschutz-ermittelt-a- 708 bd 082 -e104- 4 9 1 c-b6b9-3a73f849bd34.

2 Ebenda.


Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 920 mit Schreiben vom 18. Januar 2023 na­mens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz sowie dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheit­lich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“.

Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie

  • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Ent­scheidungen richten.
  • sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerk­male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsor­gane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben.
  • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen aus­wärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
  • gegen eine Person wegen ihrer/ihre zugeschriebene oder tatsächliche politische Hal­tung, Einstellung und/oder Engagements gerichtet sind bzw. aufgrund von Vorurteilen des Täters bezogen auf Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszu­gehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physische und/oder psychische Behin­derung oder Beeinträchtigung, Geschlecht/geschlechtliche Identität, sexuelle Orientie­rung oder äußeres Erscheinungsbild begangen werden. Diese Straftaten können sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Ob-jekt/eine Sache richten, welche(s) seitens des Täters einer der o. g. gesellschaftlichen Gruppen zugerechnet wird (tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeit) oder sich im Zusammenhang mit den vorgenannten Vorurteilen des Täters gegen ein beliebiges Ziel richten.

Darüber hinaus werden Tatbestände gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102, 104, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 130, 192a, 234a oder 241a Strafgesetzbuch (StGB) sowie Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann.

Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.

Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK).

Der Fallzahlenabgleich mit dem Bundeskriminalamt für das Jahr 2022 ist noch nicht abge­schlossen und die in diesem Bericht zu Frage 2 angegebenen Fallzahlen mit Stand 2. Januar 2023 sind als vorläufige Zahlen zu betrachten.

  1. Wie ist der Sachstand der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen zu der oben beschriebenen Sabotage in Essen? (Bitte alle Tatverdächtigen, Vorstra­fen der Tatverdächtigen, Straftatbestände, Staatsbürgerschaften der Tatverdäch­tigen, seit wann die Tatverdächtigen im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind, Vornamen der deutschen Tatverdächtigen und sonstige polizeiliche Erkennt­nisse über die Tatverdächtigen nennen.)

Die Leitende Oberstaatsanwältin in Essen hat dem Ministerium der Justiz des Landes Nord­rhein-Westfalen unter dem 03.01.2023 dazu unter anderem wie folgt berichtet:

„Die Staatsanwaltschaft Essen ist mit dem in der vorbezeichneten Kleinen Anfrage mitgeteilten Sachverhalt bislang nicht befasst. Nach telefonischer Auskunft des polizeilichen Staatsschut­zes des Polizeipräsidiums Essen dauern die dortigen Ermittlungen wegen Störung öffentlicher Betriebe gemäß § 316b des StGB an. Ein Verdächtiger habe bislang nicht ermittelt werden können.“

  1. Welcher PMK (rechts, links sowie religiöse Identität oder ausländische Ideologie) konnten bisherige Tatverdächtige von Anschlägen auf die Bahn-/Verkehrsinfra­struktur in NRW zugeordnet werden? (Bitte nach einzelnen Fällen von 2015 bis heute samt PMK-Einordnung aufschlüsseln.)

Für die Jahre 2015 bis 2018 wurden unter Beachtung von auswerterelevanten Parametern im Sachzusammenhang insgesamt 193 Vorgänge festgestellt, von denen im Rahmen einer Ein­zelfallsichtung fünf Tatkomplexe identifiziert wurden, die eine Relevanz zur Fragestellung auf­weisen. Die fünf Tatkomplexe wurden alle der PMK -links- zugeordnet.

Zum 1. Januar 2019 wurde im KPMD-PMK ein spezifischer Angriffszielkatalog eingeführt.

Unter Berücksichtigung der Angriffsziele „Datennetz/IT-Systeme“, „Verkehrsbetrieb“ und „Ver­kehrseinrichtung“ wurden seit dem 1. Januar 2019 bis zum 2. Januar 2023 insgesamt 30 Vor­gänge erfasst. Eine Einzelfallauswertung führte zu zwei Vorgängen, die eine Relevanz im Zu­sammenhang der Fragestellung aufweisen. Der erste Sachverhalt wurde der PMK -links- so­wie der zweite Sachverhalt der PMK -nicht zuzuordnen- zugeordnet.

  1. Welche volkswirtschaftlichen Kosten sind durch die oben beschriebene Sabotage in Essen entstanden?
  2. Wie hoch sind die Kosten, die durch den notwendig gewordenen Einsatz der Bat­terien an den einzelnen Bahnübergängen entstanden sind?

Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs auf der Grundlage eines bei der Deutsche Bahn AG (DB AG) eingeholten Berichtes gemeinsam beantwortet.

Die DB AG teilt zu den volkswirtschaftlichen Kosten zu der oben beschriebenen Sabotage mit, dass hierzu keine Aussage getroffen werden kann.

Neben den Schäden an der Infrastruktur des Eisenbahninfrastrukturunternehmens (EIU) DB Netz AG und deren Aufwänden für Instandsetzung und erschwerte Betriebsführung, sind durch die Eingriffe auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) temporär in ihrer Geschäftstä­tigkeit eingeschränkt worden. Hierbei handelt es sich nicht nur um EVU des DB Konzerns (wie bspw. die DB Cargo AG), sondern auch um zahlreiche externe EVU im Schienengüterverkehr. Die Aufwände, die insgesamt durch den Ausfall, die Umleitung oder die Verspätung von Ver­kehren entstanden sind, lassen sich somit durch die DB AG nicht beziffern.

Auch zu den Kosten für die DB Konzern-EIU und -EVU kann mit Stand 30. Dezember 2022 noch keine valide Aussage zur tatsächlichen Schadenshöhe getroffen werden, da sich hier noch zahlreiche Kulanz- bzw. mögliche Schadensersatzansprüche derer Kunden in Prüfung und Abwicklung befinden.

Zu dem Einsatz der Batterien ergänzt die DB AG, dass technische Bahnübergangssicherungs-anlagen zur temporären Überbrückung bei Ausfall der externen Stromversorgung in der Regel mit Batteriespeichern ausgerüstet sind. Durch die Nutzung der Batterien in den von der Stö­rung betroffenen Bahnübergangssicherungsanlagen sind somit keine Kosten entstanden, die beziffert werden könnten.

Erst nachdem die in den Bahnübergängen vorhandenen Batteriepuffer erschöpft sind, müssen weitere Maßnahmen zur Sicherung der Bahnübergänge getroffen werden. Dies kann bei­spielsweise der Einsatz von Bahnübergangsposten sein, durch den dann Personalkosten ent­stehen. Zu entsprechenden Kosten kann – wie oben bereits dargestellt – auch noch keine valide Aussage getroffen werden.

 

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