Neutralitätsgebot von Schulen und Universitäten bei Podiumsdiskussionen zur Kommunalwahl in NRW

Kleine Anfrage
vom 20.04.2020

Kleine Anfrage 3489der Abgeordneten Herbert Strotebeck, Helmut Seifen und Andreas Keith vom 20.04.2020

 

Neutralitätsgebot von Schulen und Universitäten bei Podiumsdiskussionen zur Kommunalwahl in NRW

Die Kommunalwahl in NRW findet am 13. September 2020 statt. Es ist davon auszugehen, dass es in Schulen und Universitäten/Fachhochschulen zu Podiumsdiskussionen kommen wird. Diese werden für gewöhnlich von den Institutionen selbst, von der Verwaltung und/oder von den Lehrern, den Schülern und Studenten organisiert oder aber von klar zuzuordnenden Institutionen wie der Elternschaft, von Fördervereinen, Alumnivereinigungen und ähnlichen Gruppierungen. Es kämen aber durchaus auch externe Organisationen ohne Bezug zur Schule wie etwa Gewerkschaften jeglicher Art, Arbeitgeberverbände, Sozialverbände und sonstige Organisationen als Organisatoren in Frage. Diese könnten die Schülerschaft z.B. durch Werbung auf dem Schulgelände einladen.

Bedauerlicherweise haben Vertreter bestimmter Parteien in Köln1 und Düsseldorf2 bereits angekündigt, dass sie nicht an Podiumsdiskussionen mit Vertretern einer anderen Partei teilnehmen würden. Es spielt in diesem Zusammenhang offenbar keine Rolle, dass diese Partei im Deutschen Bundestag, in allen 16 Landtagen und auch im Europaparlament vertreten ist und demnach eine bedeutende politische Größe in der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

Podiumsdiskussionen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich potentielle Wähler ein Bild von den Kandidaten und ihren unterschiedlichen Positionen machen können. Eine bedeutende politische Kraft mit demokratischer Legitimation von Podiumsdiskussionen in öffentlichen Bildungseinrichtungen auszuschließen, stellt einen erheblichen Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess dar. Zudem steht ein solches Handeln dem Gebot der gleichen Möglichkeit bei demokratischen Wahlen entgegen.

Öffentliche Einrichtungen sind zur Neutralität verpflichtet. Ein Schule kann eine Partei nicht einfach deshalb ausschließen, weil die dort Verantwortlichen befürchten, Dritte könnten diese Veranstaltung boykottieren und so möglicherweise verhindern. Eine Podiumsdiskussion, die eine bedeutende politische Partei von vornherein ausschließt, würde diese erheblich benachteiligen, weil ihr diese Bühne zur Vermittlung ihrer politischen Anliegen nicht zur Verfügung steht.

Gleichzeitig wird auch das Informationsrecht der Wähler in vollkommen unzulässiger Weise eingeschränkt.

Wir fragen daher die Landesregierung:

1. Welche Anweisungen oder Erlasse der Landesregierung zur Durchführung von Podiumsdiskussionen in staatliche Bildungseinrichtungen zur NRW Kommunalwahl 2020 gibt es bzw. werden geplant?

2. Welche Maßgaben haben staatliche Bildungseinrichtungen aus Sicht der Landesregierung bei Podiumsdiskussionen zu erfüllen, um dem Neutralitätsgebot gerecht zu werden? (Bitte nach den unterschiedlichen Veranstaltern z.B. die Einrichtung selbst (Schüler/Studenten, die Verwaltung, Lehrer etc.), mit der Einrichtung eng verbundene Organisation z.B. Förderverein und dritten Organisationen z.B. Gewerkschaften, Sozialverbänden, Arbeitgeberverbänden aufschlüsseln)

3. Wie beurteilt die Landesregierung die mögliche Nichteinladung/Ausladung einer bedeutenden politischen Partei im Hinblick auf das Neutralitätsgebot an staatlichen Bildungseinrichtungen?

4. Welche Anweisungen hat die Landesregierung den staatlichen Bildungseinrichtungen zur Durchführung von Podiumsdiskussionen zur Landtagswahl 2017, der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl 2019 erteilt, im besonderen mit Blick auf die Moderation und hinsichtlich der Einladung von Teilnehmern?

5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Vorgaben in anderen Bundesländern und des Bundes zur Durchführung von Podiumsdiskussionen in staatlichen Bildungseinrichtungen?

Herbert Strotebeck
Helmut Seifen
Andreas Keith

 

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1 https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/keine-wahlveranstaltung-mit-der-afd-100.html

2 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/auch-gruener-oberbuergermeister-kandidat-nimmt-an-keinem-podium-m it-der-afd-in-duesseldorf-teil_aid-49102017


Nachfolgend die Antwort der Landesregierung, verfasst am 15.05.2020

 

Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3489 mit Schreiben vom 15. Mai 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet.

1. Welche Anweisungen oder Erlasse der Landesregierung zur Durchführung von Podiumsdiskussionen in staatliche Bildungseinrichtungen zur NRW Kommunalwahl 2020 gibt es bzw. werden geplant?

Es sind keine Anweisungen oder Erlasse der Landesregierung zur Durchführung von Podiumsdiskussionen in Schulen oder an staatlich getragenen Hochschulen zur Kommunalwahl 2020 ergangen und geplant.

2. Welche Maßgaben haben staatliche Bildungseinrichtungen aus Sicht der Landesregierung bei Podiumsdiskussionen zu erfüllen, um dem Neutralitätsgebot gerecht zu werden? (Bitte nach den unterschiedlichen Veranstaltern z.B. die Einrichtung selbst (Schüler/Studenten, die Verwaltung, Lehrer etc.), mit der Einrichtung eng verbundene Organisation z.B. Förderverein und dritten Organisationen z.B. Gewerkschaften, Sozialverbänden, Arbeitgeberverbänden aufschlüsseln)

Als Grundsatz gilt für die Beschäftigten der öffentlichen Schulen und der staatlich getragenen Hochschulen wie für alle Landesbeschäftigten die beamtenrechtliche Neutralitäts-, Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht.

Gemäß § 2 Absatz 7 Schulgesetz NRW (SchulG) ist die Schule ein Raum religiöser wie weltanschaulicher Freiheit. Sie wahrt Offenheit und Toleranz gegenüber den unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und politischen Überzeugungen und Wertvorstellungen. Die Schule ermöglicht und respektiert im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterschiedliche Auffassungen. Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß § 58 nehmen ihre Aufgaben unparteilich wahr. Sie dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnlichen Bekundungen abgeben, die die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden gefährden oder stören (§ 2 Absatz 8 SchulG).

Die Schule darf daher nicht einseitig Partei nehmen zu Gunsten oder zu Ungunsten gesellschaftlicher oder politischer Gruppen oder Interessensverbände. Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulleitung sind aufgrund des Gebots der Unparteilichkeit nach § 2 Absatz 7 SchulG zu ausgewogener Darstellung und Zurückhaltung verpflichtet. Dies gilt für alle Unterrichtsfächer und die gesamte schulische Arbeit. Die vorstehenden gesetzlichen Grundsätze gelten unabhängig von der Organisationsform und der Person des Veranstalters. Dem Grundsatz schulischer Neutralität und Unparteilichkeit kommt aus Sicht der Landesregierung ein hohes Gewicht zu, weshalb den Schulen hinsichtlich des Besuchs oder der Organisation von politischen Veranstaltungen, insbesondere im Vorfeld von Wahlen, Zurückhaltung empfohlen wird.

Für die Durchführung von Lehrveranstaltungen an den Hochschulen gilt gemäß Art. 5 Absatz 3 Grundgesetz die Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrfreiheit. Die Studierendenschaften können Veranstaltungen zu hochschulpolitischen Themen und Veranstaltungen, die der politischen Bildung dienen, im Rahmen der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, die kein allgemeinpolitisches Mandat beinhalten, durchführen (§ 53 Hochschulgesetz). Für Veranstaltungen von Externen in Räumlichkeiten der Hochschulen gelten die jeweiligen Richtlinien für die Vergabe von Räumen der Hochschulen, da die Raumvergabe und Raumvermietung von den staatlich getragenen Hochschulen eigenverantwortlich organisiert wird.

3. Wie beurteilt die Landesregierung die mögliche Nichteinladung/Ausladung einer bedeutenden politischen Partei im Hinblick auf das Neutralitätsgebot an staatlichen Bildungseinrichtungen?

4. Welche Anweisungen hat die Landesregierung den staatlichen Bildungseinrichtungen zur Durchführung von Podiumsdiskussionen zur Landtagswahl 2017, der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl 2019 erteilt, im besonderen mit Blick auf die Moderation und hinsichtlich der Einladung von Teilnehmern?

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet.

Es werden keine Hinweise zu Podiumsdiskussionen an staatlich getragene Hochschulen erteilt. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 2. verwiesen.

Das Ministerium für Schule und Bildung hält seit 2010 unverändert Hinweise im Bildungsportal zur Unparteilichkeit der Schulen und zum Besuch von Politikerinnen und Politikern in Schulen vor, die unter der nachfolgenden Adresse eingesehen werden können:

https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Aktuelle-rechtliche-Themen/Schulen-Politik.pdf

Im Hinblick auf die Durchführung von Podiumsdiskussionen enthalten die Hinweise folgende Ausführungen:

„Schulen können auch zu Podiumsdiskussionen einladen, um einer interessierten Schülerschaft die Argumente verschiedener Parteienvertreter zu bestimmten politischen Themen vorzustellen. Es dürfen allerdings nicht nur Vertreter einzelner Parteien eingeladen werden (es besteht aber andererseits auch kein Anspruch jeder politischen Gruppierung auf Einladung). Die Veranstaltung sollte einen gewissen zeitlichen Abstand vor der Wahl einhalten (etwa sechs Wochen) und sich thematisch auf Politikbereiche beziehen, die einen sachlichen Bezug zur Schülerschaft haben.“

Entscheidend ist insoweit die Herstellung von Pluralität und Ausgewogenheit. Ob eine konkrete Veranstaltung diese Anforderungen erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls.

5. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Vorgaben in anderen Bundesländern und des Bundes zur Durchführung von Podiumsdiskussionen in staatlichen Bildungseinrichtungen?

Die Landesregierung verfügt über keine Erkenntnisse über Vorgaben in anderen Bundesländern und des Bundes zur Durchführung von Podiumsdiskussionen an Schulen und staatlich getragenen Hochschulen.

 

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