Antragder AfD-Fraktion vom 04.12.2019
NRW bekennt sich zum Bildungsföderalismus und lehnt Zentralisierung im Bildungsbereich ab!
I. Ausgangslage
Im Grundgesetz ist bislang festgelegt, dass der Bundesgesetzgeber in Deutschland nicht in die föderale Bildungspolitik eingreifen darf, denn die inhaltliche wie organisatorische Gestaltung des Bildungssystems liegt in der Kompetenz der Bundesländer. Die im Jahre 2006 mit Einführung des Art. 91 b GG angestoßene Föderalismusreform ermöglicht dem Bund gemeinsam mit den Ländern „in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenzuwirken“. Darüber hinaus ist eine Zusammenarbeit gem. Art. 91 b Abs. 2 GG hinsichtlich der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich gestattet. Die finanziellen Anforderungen, welche mit der fortschreitenden Digitalisierung auf die Länder zukommen, haben zu einer intensiven Diskussion um einen sogenannten Digitalpakt zwischen Bund und Ländern geführt. Während also andere Staaten ihre Schulen und das Lernen bereits wieder in analoge Verfahren zurückführen und die Anwendung digitaler Medien reduzieren, verbreitet sich zurzeit in Deutschland überwiegend eine unreflektierte Digitalisierungseuphorie im Bildungsbereich, die sogar so weit geht, dass das bisherig föderal organisierte Bildungswesen umbruchartigen Veränderungen ausgesetzt wird.
Damit die Umsetzung des sogenannten Digitalpaktes ermöglicht wird, wurde am 29. November 2018 eine Grundgesetzänderung mit Zustimmung aller Fraktionen außer der AfD-Bundestagsfraktion vollzogen. Stimmt der Bundesrat der Grundgesetzänderung zu, bietet die Bundesregierung den Ländern ein Danaergeschenk in Höhe von fünf Milliarden Euro an. Schulen erhielten dann bis zu 25.000 € an finanziellen Hilfen.1 Prof. Lankau führte im Rahmen einer Anhörung im Jahr 2016 in seiner Stellungnahme für den nordrhein-westfälischen Landtag in Bezug auf die Kosten der Digitalisierung von Schulen folgendes aus: „Andreas Breiter (Uni Bremen) hat die Kosten der Ausstattung von Schulen mit IT im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung als Studie zusammengetragen. Sein Ergebnis: Es sind sogar mehrere Milliarden Euro pro Jahr nur für Hardware [erforderlich, d. Verf.]. Dazu kommen mehrere hundert Millionen Euro/ Jahr für ein flächendeckendes W-LAN-Netz in Deutschland plus Kosten für Techniker, Update, IT-Sicherheit, Reparaturen. Interessant ist, wer diese Kosten (laut Dräger/Müller-Eiselt 2015) übernehmen soll: Es sei Aufgabe der öffentlichen Hand, das flächendeckende W-LAN-Netz deutschlandweit aufzubauen und zu unterhalten.“2
Ungeachtet der langfristigen Kosten, die für Schulen und Kommunen entstehen, hebelt man das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot aus, ohne zu bedenken, welche historische Bedeutung gerade dieses Kooperationsverbot hat. Es waren die Erfahrungen der totalitären Systeme in Deutschland (des Nationalsozialismus und des Kommunismus), in denen die Bildungspolitik der ideologischen Beeinflussung und Konditionierung junger Menschen diente, um sie zu willfährigen Untertanen der herrschenden Klasse zu erziehen.
Darüber hinaus waren sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes einig, dass die kulturelle Vielfalt Deutschlands gewahrt bleiben müsse und besonders im Bereich der Erziehung und Bildung tradiert werden solle. Denn besonders der Bildungsbereich kann an die regionalen und lokal unterschiedlichen Bedingungen angepasst werden, was in Bildungsstudien immer wieder als funktional und sinnvoll erachtet wird. „Falch und Fischer bewiesen 2012, dass Länder in internationalen Bildungsvergleichen mit zunehmender Dezentralisierung besser abschneiden. Auch in einer OECD-Studie konnte dieser Zusammenhang durch Fredriksen (2013) nachgewiesen werden.“3
Des Weiteren zeigt sich, dass die Zuversicht über den Erfolg des Einsatzes digitaler Medien auf die Leistung und Motivation der Schüler den Ergebnissen der wissenschaftlichen, pädagogischen, lernpsychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschung nicht standhalten. Der Hochschulprofessor und Psychiater Manfred Spitzer fasst in seiner Stellungnahme für die Anhörung durch die Enquetekommission „Kein Kind zurücklassen – Rahmenbedingungen, Chancen und Zukunft schulischer Bildung in Hessen“ zum Thema „Digitalisierung“ die Ergebnisse großer empirischer Studien zu den Auswirkungen digitaler Informationstechnik auf das Lernen von Schülern zusammen.4 Keine einzige Studie hat einen signifikanten Lernerfolg nachweisen können.
Die große Koalition verfügt weder im Bundestag noch im Bundesrat über die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittel-Mehrheit und ist somit auf die Unterstützung der Opposition angewiesen. Nach der am 29. November 2018 vollzogenen Verabschiedung im Bundestag könnte der Bundesrat das Gesetz am 14. Dezember abschließend beraten.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), die auch die unionsgeführten Länder koordiniert, zeigte schon zuvor wenig Verständnis für den Vorstoß einer Grundgesetzänderung, denn „auch wenn ihr Land noch keine abschließende Haltung zur geplanten Grundgesetzänderung gefunden habe, sei gut möglich, dass die grün-schwarze Landesregierung in Stuttgart, die für einen „gelebten Föderalismus“ kämpfe, den Vorschlag im Bundesrat ablehne oder eine eigene Initiative zur Grundgesetzänderung einbringe.“5 Diese Haltung wird vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (B90/ Die Grünen) unterstützt, der bereits für Baden-Württemberg angekündigt hat, im Bundesrat gegen den Plan der Bundesregierung zu stimmen.6 Auch in Bayern stößt dieses Vorhaben nicht auf uneingeschränkte Akzeptanz.7 Ministerpräsident Armin Laschet hatte sich zuvor vorsichtiger geäußert: „Die Landesregierung bewertet derzeit den konkreten Vorschlag der Bundestagsfraktion auch verfassungsrechtlich.“8 – wohingegen Schulministerin Yvonne Gebauer bereits ihre Zustimmung signalisiert hatte. Mittlerweile hat sich Ministerpräsident Laschet gemeinsam mit den Regierungschefs der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen gegen die Grundgesetzänderung ausgesprochen.9 Die Uneinigkeit der NRW-Koalition zeigt sich sehr deutlich, zumal die Schulministerin Gebauer vor dem Scheitern des Digitalpakts warnte. Nordrhein-Westfalen „wäre gut beraten, besonnen und zielgerichtet an einer entsprechenden Lösung zu arbeiten“, so die Ministerin.10
Der Bildungsföderalismus stellt in der heutigen Zeit nach wie vor ein hohes demokratisches und partizipatives Gut dar und wirkt somit als ein Schutzschild vor den Interessen von Großkonzernen. Bildung fungiert eben nicht als Polytrop und ist daher in der Landeshoheit der jeweiligen Bundesländer mit verschiedenen Bildungsstandards sehr gut aufgehoben. Die Bildungshoheit der Länder gewährleistet demokratische Prozesse, kulturelle Vielfalt und einen leistungsförderlichen Wettbewerb.
II. Der Landtag stellt fest:
1. Für Deutschland als Hochtechnologieland ist erstklassige Bildung die wichtigste Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes und den internationalen wirtschaftlichen Erfolg.
2. Eine weitere Öffnung der föderalen Bildungsstrukturen durch eine Änderung des Art. 104 c GG ist in keinem Fall erstrebenswert.
3. Die gegenwärtige Einflussnahme durch den Bund auf Länder und Kommunen sollte durch weitere Gesetzesänderungen nicht unverhältnismäßig verstärkt werden.
4. Notwendige und erforderliche Unterstützungen durch den Bund in Bezug auf Sachinvestitionen können wie in den vergangenen Jahren erfolgreich in bilateralen Verträgen verankert werden.
5. Um den großen Herausforderungen der digitalen Transformation zu begegnen, muss in die personelle und konzeptionelle Ausstattung unserer Schulen investiert werden und nicht nur in die technische Infrastruktur.
6. „Digitalisierung muss als Thema der Bildung stärker gewichtet werden, eine Digitalisierung von Schule, Lernen und Bildung ist dazu nicht erforderlich, ja sogar kontraproduktiv.“11
7. Die Bundesländer dürfen aufgrund ihrer Unterschiede in kultureller, struktureller und regionaler Hinsicht in der Bildungshoheit nicht beschnitten werden.
8. Der Bildungsföderalismus stellt in der heutigen Zeit nach wie vor ein hohes demokratisches und partizipatives Gut wie eine machtpolitische Utilität dar und wirkt somit als ein Schutzschild vor den Interessen von Großkonzernen.
III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
im Deutschen Bundesrat hinsichtlich der zur abschließenden Beratung am 14. Dezember 2018 anstehenden Grundgesetzänderung das Vorhaben der Bundesregierung abzulehnen.
Helmut Seifen
Andreas Keith
und Fraktion
1http://www.fr.de/politik/digitalisierung-an-schulen-kooperationsverbot-soll-aufgehoben-werden-a-1626500 (26.11.2018).
2Prof. Lankau, Stellungnahme 16/3764, S. 7: (http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST16-3764.pdf).
3https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/grundgesetzaenderung-zur-bildung-bundesrat-muss-noch-zustimmen-a2717446.html# (26.11.2018).
4Prof. Manfred Spitzer, Stellungnahme „Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik“, Hessischer Landtag, 14,10.2016, S. 3.
5http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hoch-schule/digitalpakt-ringen-um-die-kultushoheit-15644830.html (abgerufen am 30.08.2018).
6https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.grundgesetzaenderung-zur-bildungsfinanzierung-kretschmanns-schwieriger-kampf-gegen-die-fesseln-aus-gold.b9453174-cb38-416c-a269-bb32f59701e8.html (28.11.2018). 7https://www.wz.de/meinung/die-digitale-welt-knackt-das-kooperationsverbot-im-bildungssystem_aid-34684319 (26.11.2018). 8https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.grundgesetzaenderung-zur-bildungsfinanzierung-kretschmanns-schwieriger-kampf-gegen-die-fesseln-aus-gold.b9453174-cb38-416c-a269-bb32f59701e8.html (28.11.2018).
9 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 02.12.2018, S.1.
10https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/digitalpakt-bundesrat-nrw-100.html (04.12.2018). 11Dr. Matthias Burchardt, Stellungnahme (16/3737) zum Antrag (16/10796) der Fraktion der FDP „Digitale Bildung und Medienkompetenz in den Schulen stärken“, S. 3.