Antrag
der Fraktion der AfD
NRW ist bereit für eine Fusion der Verkehrsverbünde VRS, VRR, AVV und WT
I. Ausgangslage
Mit der Novellierung des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW), das am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, hat das Land die Organisation und Förderung des ÖPNV umfassend neu geordnet. Das Land fördert den öffentlichen Personennahverkehr und dabei insbesondere den Schienenpersonennahverkehr mit bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich. In einem gemeinsamen Appell forderten die vier großen Ver-kehrsverbünde Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), Aachener Verkehrsverbund (AVV) und WestfalenTarif GmbH (WestfalenTarif) schon im August 2022 mehr finanzielle Mittel für den Erhalt und den Ausbau des Verkehrsangebotes. Prognostiziert wurde ein zusätzlicher Bedarf von 500 bis 600 Millionen Euro für den Erhalt und den Ausbau des Verkehrsangebotes bereits für 2023.Da die Finanzierung des ÖPNV durch die Kommunen seit längerer Zeit weitgehend ausgereizt ist, bleibt nur der Rückbau oder eine weitere Subventionierung durch Land bzw. Bund. Mitte März 2023 wurde daher konsequenterweise die Finanzierung des 49-Euro-Tickets für Busse und Bahnen in ganz Deutschland beschlossen. Demnach soll der Bund 1,5 Milliarden bis 2025 bereitstellen. Für die andere Hälfte sollen die Länder aufkommen.1
Nicht nur hinter vorgehaltener Hand wird im Zuge fortschreitender Digitalisierung und bundesweit gültiger Tickets die Sinnhaftigkeit von großen Verkehrsverbünden in Frage gestellt.2 In Baden-Württemberg wurde z. B. Ende 2023 eine Fusion des Verkehrsverbunds Pforzheim-Enzkreis (VPE) mit dem Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) ins Auge gefasst.3
Denn ÖPNV-Nutzern und insbesondere Pendlern ist der Wechsel der Tarifzonen bspw. zwischen Köln und Düsseldorf schon länger ein Dorn im Auge. Verkehrsbünde stehen aber auch aus einem anderen Grund in der Kritik. Allzu oft dienen diese Verwaltungsstrukturen auch als Versorgungsposten für altgediente Politkader sowie politnahe, abhängige Manager. Strukturen wie diese öffnen Tür oder Tor für Vetternwirtschaft und dubiose Beschäftigungsverhältnisse ohne relevante Qualifikationschecks und fördern insgesamt eine Selbstbedienungsmentalität, die die Krise des politischen Systems nur noch zusätzlich befeuert.
Beispielhaft muss hier der VRR angeführt werden, wo ein früherer NRW-Verkehrsminister Vorstandssprecher wurde, der nie als Befürworter für den Nahverkehr in Erscheinung getreten war.4 Ende März 2024 folgten Skandale, die dazu führten, dass Hagens Oberbürgermeister als Verwaltungsratschef im VRR hinschmiss, da er im Fall des VRR-Vorstands Castrillo offenbar Fristen hatte verstreichen lassen.5 Der Spitzenmanager Castrillo verließ den Verkehrsverbund Ende März 2024, und zwar mehrere Jahre vor Vertragsende. Er soll 90 Prozent seines Gehalts weiter bekommen, mehr als 700.000 Euro – was nicht nur den Steuerzahlerbund auf die Barrikaden bringt. Castrillo ist damit ein zweiter VRR-Vorstand, der vorzeitig seinen Schreibtisch räumen musste. Dem im Sommer 2022 gefeuerten VVR-Vorstand L. waren Fehler beim Vertrag mit dem in Insolvenz gegangenen Dienstleister Abel-lio vorgeworfen worden.6
Einfluss auf die Verträge wie auch die Vertragsauflösungen haben immer auch politische Akteure, die ebenfalls im Verwaltungsrat mitwirken. Dies stellt das Hauptproblem der immer wieder verworfenen Reformen bei deutschen Verkehrsverbünden dar: Viele in der Branche Tätige sind politisch abhängige Akteure, die von Reformen persönlich massiv betroffen wären und auch deshalb keine Veränderungen am bestehenden System unterstützen.7
Eine Zusammenlegung der NRW-Verkehrsverbünde zu nur einem „Verkehrsverbund NRW“ wäre aber auch angesichts knapper finanzieller Mittel, massiv steigender Energiepreise sowie einer fortlaufend hohen Subventionierung des ÖPNV dringend anzuraten. Eine Vereinheitlichung samt Fusion der Verkehrsverbünde unter nur einem Dachverbund wäre nicht nur äußerst sinnvoll, damit Fahrgäste nicht mehr durch Waben, Zonen und Ringe der Verkehrsver-bünde irren und ständig an Tarifgrenzen stoßen. Bereits eine solche Reisevorbereitung kostet Nerven. Immerhin gibt es einen NRW-Tarif, der den Kauf von verschiedenen Fahrscheinen – bzw. Übergangsfahrscheinen – überflüssig macht, aber immer noch regionale Tarife der Verbünde obwohl die Verbundgrenzen 2024 eine wesentlich unbedeutendere Rolle als noch vor zehn Jahren spielen. Heute wird mit e-Tarifen wie eezy.nrw ohnehin schon das Reisen über Verbundgrenzen praktiziert. Allerdings wurde auch klar, welche technischen Probleme insbesondere bei der Kontrolle des Tickets über Verbundgrenzen hinweg bestehen können, da die Verkehrsverbünde mitunter sehr unterschiedliche technische Systeme nutzen, die bspw. eine einheitliche Kontrolle erschweren.8 Über die Jahre wurden offenbar staatlich finanzierte Parallelstrukturen geschaffen, die nur unter großen Schwierigkeiten miteinander zu harmonisieren sind.
Dass die Fusion von Verkehrsverbünden nicht nur denkbar und machbar ist, lässt sich an einem Vorhaben der hessischen Landesregierung ablesen, die bereits vor mehr als 10 Jahren die Fusion der beiden Verkehrsverbünde RMV und NVV anvisierte. Aber auch dieses Projekte geriet unter Beschuss linker Oppositionsparteien.9 Diese gaben u. a. an, „dass ein zentraler Verkehrsverbund nicht in der Lage ist die notwendigen Investitionen, sei es im ländlichen Raum oder im Ballungsraum, angemessen zu planen und nachhaltig umzusetzen.“10 Der Zusammenschluss des Rhein-Main-Verkehrsverbunds mit dem Nordhessischen Verkehrsverbund sollte eine effizientere und wirtschaftlichere Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs in Hessen ermöglichen und möglichst viel Geld für den Ausbau des Bus- und Bahnangebots verfügbar machen. Ziel war auch, unnötige Bürokratie und Doppelstrukturen zu beseitigen.11 Dieses Ziel gilt auch heute und natürlich auch für Nordrhein-Westfalen.
II. Der Landtag stellt fest
Für eine effizientere und wirtschaftlichere Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs in Nordrhein-Westfalen müssen mehr Ressourcen für den Ausbau des Bus- und Bahnangebots zur Verfügung zu stehen. Unnötige Bürokratie, Doppel- und Parallelstrukturen sollten vermieden werden.
Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und infrastrukturelle Lage in Nordrhein-Westfalen lässt keinen Spielraum für überkommene Verkehrsverbundstrukturen zu. Diese sind weder finanziell in einem von Strukturwandel gebeutelten Land darstellbar, noch lassen sie sich gegenüber inflationsgeplagten Bürgern und Pendlern vermitteln, denen ohnehin schon ein beträchtlich subventionierter ÖPNV über Steuern und Abgaben auferlegt wird.
Daher ist die Forderung nach einer Zusammenlegung der NRW-Verkehrsverbünde nur naheliegend und angesichts beträchtlicher sowie erwartbar steigender Subventionszahlungen auf lange Sicht absolut zeitgemäß. Denn in den Verkehrsverbünden sind erhebliche personelle Kapazitäten in Doppelstrukturen – nicht nur für Marketing, separate Buchhaltung, etc. – in Zeiten erheblichen Fachkräftemangels gebunden. Um die Größenordnung richtig zu verstehen: Nach eigenen Angaben sind beim VRR rund 200 Mitarbeiter12 beschäftigt, beim VRS 19013, beim AVV rund 3014 und beim WestfalenTarif (NWL) rund 120. In Summe sind mehr als 500 Personen bei den großen NRW-Verkehrsbünden beschäftigt.
III. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich umgehend für die Zusammenlegung der NRW-Verkehrsverbünde VRS, VRR, AVV und WT zu einem einheitlichen Zweckverband Verkehrsverbund NRW einzusetzen, der zum 1.1.2025 wirksam werden sollte, und dafür zu sorgen,
- dass dies im Rahmen einer Strukturreform ermöglicht wird, die das Ziel hat, Kosten einzusparen, Synergieeffekte zu nutzen und Personaldoppelstrukturen zu beseitigen;
- dass für dieses Reformvorhaben eine Strategie- und Managementberatung für den Bereich des straßen- und schienengebundenen öffentlichen Verkehrs in Deutschland in der gebotenen Kürze der Zeit angehört wird;
- dass bei einer Zusammenlegung das gängige Finanzierungsmodell des Nahverkehrs aus Energie-Erträgen und anderen Beteiligungsgewinnen der Städte und die damit verbundenen Steuervergünstigungen überprüft werden;
- dass die Bürger künftig mit nur einem Ticket durch ganz NRW fahren können, ohne sich Sorgen um die Gültigkeit des gekauften Tickets zu machen, wenn nicht zufällig der bestehende NRW-Tarif gewählt wurde;
- dass im Rahmen der Umstrukturierung zum Verkehrsverbund NRW eine gemeinsame Webseite und Apps (diese im engen Austausch mit der DB) entwickelt werden, die für den Nutzer eine optimale Bedienbarkeit auf allen Endgeräten ermöglichen.
Klaus Esser
Dr. Martin Vincentz
Andreas Keith
und Fraktion
1 https://www1.wdr.de/nachrichten/finanzierung-49-euro-ticket-100.html
2 https://www.n-tv.de/wirtschaft/Wissing-will-Verkehrsverbuende-reformieren-article23271828.html
6 https://rp-online.de/wirtschaft/vrr-vorstand-jose-luis-castrillo-geht-vorzeitig_aid-109139029
9 https://www.hna.de/hessen/fusion-rmv-ministerium-nennt-bericht-spekulativ-2575085.html
10 https://www.gruene-hessen.de/landtag/pressemitteilungen/moegliche-fusion-von/
11 https://www.faz.net/aktuell/politik/land-plant-fusion-hessischer-verkehrsverbuende-11938725.html
12 https://www.vrr.de/de/karriere-jobs/.