Kleine Anfrage 2339
des Abgeordneten Zacharias Schalley AfD
Nützt die geplante Landgesellschaft für NRW der Landesregierung oder den Bauern?
In Nordrhein-Westfalen ist seit Jahren ein Trend zu beobachten: Immer mehr Bauernland geht in Investorenhand. Allein 2022 gingen 51% der veräußerten Flächen an Unternehmen, Investoren und Kommunen, die verstärkt auf den Flächenmarkt drängen.1 Schlupflöcher wie „Share Deals“ begünstigen diese Entwicklung ebenso wie der Ausbau regenerativer Energien und Kompensationsflächen für den Naturschutz.
Flächen sind knapp und inzwischen zum Spekulationsobjekt avanciert.2 Der Flächenverbrauch durch Siedlungs- und Verkehrsflächen lag 2020 bei 2.080 ha, 2021 mit 1.971 ha geringfügig darunter. Allein durch den überambitionierten Ausbau der Windenergie, für den schon ab 2024 1,8% der Landesfläche verbraucht werden sollen, werden mehr als 1.200 ha allein für die Fundamente von Windkraftanlagen verloren gehen.3
Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung wird die Gründung einer Landgesellschaft angestrebt, um „dem wachsenden Druck auf landwirtschaftliche Flächen zu begegnen.“4 Die Landesregierung räumt landwirtschaftlichen Nutzflächen, insbesondere wertvollem Ackerboden, keinen Vorrang gegenüber dem Ausbau der erneuerbaren Energien ein. Für Wald- und Naturschutzflächen ist dies allerdings vorgesehen (siehe LEP-Erlass Erneuerbare Energien vom 28.12.2022).5
Die Gründung der Landgesellschaft ist laut Landes-CDU beschlossen („Das haben wir erreicht“). Demnach soll ein Vorkaufsrecht der Landgesellschaft „die Position […] der Landwirte auf dem Bodenmarkt stärken“, um „Nutzungskonflikte im ländlichen Raum [zu] entschärfen“.6
Allerdings existiert mit der zu 100 % in Landesbesitz befindlichen „NRW.Urban GmbH & Co. KG“ längst ein Siedlungsunternehmen, das wie eine Landgesellschaft ein Vorkaufsrecht im Sinne des Grundstücksverkehrs wahrnimmt. Dazu gehört auch der „Grundstücksfond NRW“.7 Neben der Kritik an der Schaffung zusätzlicher Behördenbürokratien steht die Befürchtung im Raum, dass über eine Landgesellschaft ein leichterer Zugriff für politische Maßnahmen ohne originär landwirtschaftlichen Bezug erfolgen könnte, um den wegen der Energiewende angetriebenen Flächenhunger zu stillen sowie Kompensationsflächen für den Naturschutz oder Bauland bereitzuhalten.
Dazu äußerte sich bereits 2010 ein Landwirt aus dem Kreis Cuxhaven eindeutig: „Die Niedersächsische Landgesellschaft soll die Agrarstruktur im Land entwickeln und nicht nach Kompensationsflächen suchen.“8 2017 wiederholten die Junglandwirte in Niedersachsen diese Kritik, als dort mit einer Gesetzesnovelle das Vorkaufsrecht der dortigen Landgesellschaft NLG gestärkt werden sollte.9
Daher frage ich die Landesregierung:
- Wieso soll eine neue Landgesellschaft gegründet werden, anstatt die bestehende NRW.Urban entsprechend umzubauen?
- Wann wird die Abschaffung der doppelten Grundsteuer in Kraft treten?
- Inwieweit spielt für die Landesregierung in der Landgesellschaft auch das Instrument des „Vorbehaltsgebietes Landwirtschaft“ eine Rolle, um dem Hauptanliegen der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelerzeugung, gerecht zu werden?
- Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung angesichts einer verringerten Bodenmobilität bei der Flächenüberplanung, die die Landwirtschaft benachteiligt, auf die Bauern zuzugehen?
- Inwiefern soll eine Landgesellschaft auch dem Ausbau regenerativer Energien und dem Ankauf von Kompensationsflächen für den Naturschutz dienen?
Zacharias Schalley
1 Vgl. https:// www1 .wdr.de/nachrichten/landespolitik/landwirtschaft-flaechen-verkauf-100.html#:~:text=Zahlen%20der%20Landwirtschaftskammer%20NRW%20%2C%20die,regenerativen %20Energien%20oder%20den%20Naturschutz. Abgerufen am 07.08.2023.
2 Vgl. https:// www .agrarheute.com/politik/konkurrenz-investoren-landwirte-bleiben-machtlos-beim-flaechenkauf-602884. Abgerufen am 21.06.2023.
3 Vgl. https:// www .klimareporter.de/technik/eine-million-fussballfelder-fuer-die-windkraft, worin die Versiegelungsfläche einer Windkraftanlage mit 0,4 ha im unteren Schwankungsbereich avisiert wird. Abgerufen am 23.06.2023.
4 https:// www .cdu-nrw.de/sites/www.neu.cdu-nrw.de/files/zukunftsvertrag_cdu-grune.pdf, S. 27, Z. 1280. Abgerufen am 23.06.2023.
5 Vgl. https:// www .wirtschaft.nrw/system/files/media/document/file/lep-erlass-erneuerbare-energien_0.pdf. Abgerufen am 26.07.2023.
6 Https:// www .cdu-nrw.de/landwirtschaft. Abgerufen am 26.07.2023.
7 Vgl. https:// www .topagrar.com/management-und-politik/news/land-nrw-will-flaechen-sammeln-13395054.html. Abgerufen am 20.06.2023.
8 https:// www .cnv-medien.de/news/kreislandwirt-uebt-scharfe-kritik-an-nlg.html. Abgerufen am 23.06.2023.
9 Vgl. https:// landvolk .net/agrarpolitikartikel/12763/. Abgerufen am 23.06.2023.
Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2339 mit Schreiben vom 15. September 2023 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie, dem Minister der Finanzen, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr beantwortet.
Vorbemerkung der Landesregierung
Starke ländliche Räume sind eine zentrale Säule für Nordrhein-Westfalen, da sie ein reichhaltiges gesellschaftliches Leben und einen hohen sozialen Zusammenhalt bieten. Dörfer, Orte und kreisangehörige Gemeinden bieten mit ihren typisch ländlichen Strukturen mehr als einem Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes Nordrhein-Westfalen einen wertvollen Lebens- und Arbeitsraum.
In den ländlichen Regionen wird Gemeinschaft aktiv gelebt, hier besteht ein hohes bürger-schaftliches Engagement. Die Landesregierung ist sich dieses Umstandes bewusst, setzt sich für lebendige Dörfer und Kommunen sowie dortige Einrichtungen ein und stellt daher Mittel für Förderprojekte zur Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Infrastruktur in den Dörfern bereit.
Auch die Unterstützung der Regionalentwicklung im ländlichen Raum ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Element. In der neuen Förderperiode 2023 bis 2027 wurden insgesamt 45 Regionen in Nordrhein-Westfalen für die LEADER-Förderung zugelassen, wodurch die Regionalentwicklung des ländlichen Raums auf breitere Füße gestellt wird.
Die Entwicklung der ländlichen Räume ist insofern auch ein wesentlicher Bestandteil der europäischen, nationalen und regionalen Agrarpolitik, die im Hinblick auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands erheblich an Bedeutung gewinnt.
Das Gesicht unserer ländlichen Räume wird nicht nur durch die Dörfer, sondern auch durch den Freiraum als Kulturlandschaft geprägt. Die landwirtschaftliche Flächennutzung spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Der Schutz und der Erhalt der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, da landwirtschaftliche Fläche nicht vermehrbar ist. Zum Schutz der landwirtschaftlichen Flächen beabsichtigt die Landesregierung bei der zweiten Änderung des Landesentwicklungsplanes (LEP) zum Ausbau der Erneuerbaren Energien hochwertige Ackerböden besonders zu schützen. Des Weiteren sehen die Eckpunkte der Landesregierung für eine dritte LEP-Änderung eine nachhaltigere Flächenentwicklung vor. Unter anderem soll ein 5-ha-Grundsatz im Einklang mit einer effizienteren Flächennutzung in den LEP aufgenommen werden, wodurch auch die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Fläche reduziert werden soll.
- Wieso soll eine neue Landgesellschaft gegründet werden, anstatt die bestehende NRW.Urban entsprechend umzubauen?
Die inhaltlichen, rechtlichen und organisatorischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Gründung einer Landgesellschaft werden in einem strukturierten Prozess aufgearbeitet. NRW.URBAN wird mit Blick auf das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht in diesen Prozess einbezogen.
- Wann wird die Abschaffung der doppelten Grundsteuer in Kraft treten? Der Landesregierung ist kein Sachverhalt einer „doppelten Grundsteuer“ bekannt.
- Inwieweit spielt für die Landesregierung in der Landgesellschaft auch das Instrument des „Vorbehaltsgebietes Landwirtschaft“ eine Rolle, um dem Hauptanliegen der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelerzeugung, gerecht zu werden?
Das genannte Instrument spielt im Zusammenhang mit der Landgesellschaft keine Rolle.
- Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung angesichts einer verringerten Bodenmobilität bei der Flächenüberplanung, die die Landwirtschaft benachteiligt, auf die Bauern zugehen?
Hochwertige Ackerböden sollen mit Blick auf die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln vor allem der Landwirtschaft vorbehalten bleiben. Eine „Benachteiligung“ der Landwirtinnen und Landwirte verhindert die Landesregierung wirksam mit den bereits aufgezeigten Maßnahmen. Die Landesregierung beabsichtigt ergänzend die Verankerung des Planzeichens „Landwirtschaftliche Kernräume“ im Landesentwicklungsplan, um für die Landwirtschaft besonders bedeutende Flächen zu kennzeichnen und zu schützen. Im Weiteren sollen die Initiativen aus dem „Maßnahmenpaket intelligente Flächennutzung“ weitergeführt werden.
- Inwiefern soll eine Landgesellschaft auch dem Ausbau regenerativer Energien und dem Ankauf von Kompensationsflächen für den Naturschutz dienen?
Inhaltliche Fragestellungen im Zusammenhang mit einer Landgesellschaft sollen, wie in der Antwort zu Frage 1 dargelegt, in einem strukturierten Prozess aufgearbeitet und dann entschieden werden.