Nutzt die Landesregierung die Coronakrise, um die Entscheidung über die neue Betriebsgenehmigung am Flughafen Düsseldorf zu verschleppen?

Kleine Anfrage
vom 28.07.2021

Kleine Anfrage 5775des Abgeordneten Nic Peter Vogel vom 28.07.2021

 

Nutzt die Landesregierung die Coronakrise, um die Entscheidung über die neue Betriebsgenehmigung am Flughafen Düsseldorf zu verschleppen?

Bedingt durch die seinerzeit dynamische Entwicklung des Flugverkehrs hatte die Flughafen Düsseldorf Gesellschaft (FDG) am 16. Februar 2015 einen Antrag auf Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses gestellt. Dieser umfasste sowohl bauliche als auch betriebliche Maßnahmen.

Zu den von der FDG beantragten baulichen Maßnahmen auf dem vorhandenen Flughafengelände gehören weitere Abstellpositionen – auch unter Berücksichtigung einer in einem gesonderten baurechtlichen Verfahren anvisierten Verlängerung des Flugsteigs C.

Bezüglich der Betriebsregelung wurden folgende Änderungen (bzw. Regelungen) beantragt:

  • In Zeiten der Zweibahnnutzung über Tage, das sind 56 Stunden pro Woche, sollen statt der aktuell 45 möglichen Flugbewegungen pro Stunde zukünftig bis zu 60 koordiniert werden können.
  • Die kurzfristige Nutzung beider Bahnen soll – wenn erforderlich – flexibler ermöglicht werden.
  • In weiteren 56 Tagesstunden pro Kalenderwoche soll von 06 bis 22 Uhr die Zahl der im voraus planbaren Zeitnischen 45 Slots – bei ausschließlicher Nutzung der Südbahn – nicht übersteigen.
  • Die Regelung für den Zeitraum von 22 bis 23 Uhr mit 33 Slots für Landungen soll unverändert bleiben.1

Am 20. Februar 2017 wurde die Erörterung des Antrags abgeschlossen. Die Entscheidung obliegt seitdem und abschließend der Planfeststellungsbehörde, dem Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (MBWSV). Seit Ende des Erörterungstermins hat sich das Verkehrsministerium in diesem Zusammenhang nicht abschließend positioniert.

Bedingt durch die Reiseeinschränkungen im Zusammenhang mit der Coronakrise sind die Verkehrszahlen am Standort Düsseldorf dramatisch eingebrochen. So reduzierte sich die Anzahl der Passagiere im Jahre 2020 auf nur noch 6.577.392 Personen, also um 74,2 Prozent zum Vorjahr. Die Anzahl der Flugbewegungen reduzierte sich um 65,1 Prozent auf 78.804.2

Von Januar bis Mai 2021 wurden bei 15.346 Flugbewegungen 1.022.903 Passagiere abgefertigt.3 Im Vergleichszeitraum des Jahres 2019 waren es noch 9.578.504 Passagiere und 90.153 Flugbewegungen.4

Diese dramatische Entwicklung wird durch verkehrs- und „klima“politische Entscheidungen auf Bundes- und europäischer Ebene – selbst in dieser Krisensituation – noch verschärft.

Hieß es im Luftverkehrskonzept 2017 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur noch:

„Aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sollte daher geprüft werden, ob die Luftverkehrsteuer in der nächsten Legislaturperiode zumindest abgesenkt und/oder die Haushaltseinnahmen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Luftverkehrsbereich investiert werden könnte(n).“5,

erfüllte sich diese Ankündigung in der Folgezeit nicht. Im Gegenteil, die Luftverkehrsteuer wurde seit dem Jahre 2017 dramatisch erhöht. Zwei Initiativen der AfD-Fraktion zur ersatzlosen Abschaffung der Luftverkehrsteuer wurden in der Folgezeit auch von den regierungstragenden Fraktionen in NRW abgelehnt.6,7

Zusätzlicher Druck auf die Luftverkehrsbranche kommt seit geraumer Zeit von der EU. Hierbei geht es insbesondere um CO2-Bepreisungen zusätzlich zum System CORSIA, um Kerosinsteuern, Beschränkungen bei Kurzstrecken(Zubringer)flügen oder auch um verbindlichen Quoten für nachhaltige Kraftstoffe.

Die Lufthansa erklärte zu aktuellen Plänen der EU-Kommission gegenüber der ZEIT:

„Mehr Ambition beim Klimaschutz sowie eine CO2-Bepreisung sind richtig. Aber der global agierende Luftverkehr braucht Regulierungen, die gleichzeitig fairen Wettbewerb sichern […] Dem tragen die EU-Pläne zu wenig Rechnung. Alle vorgeschlagenen Maßnahmen – die Weiterentwicklung des ETS, eine verbindliche Quote für nachhaltige Kraftstoffe und eine Kerosinsteuer – führen ohne Ausgleichsinstrumente zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für europäische Fluggesellschaften.“

Im weiteren Prozess komme es nun darauf an, Lösungen zu finden, die ein „Level-Playing-Field sichern und Carbon Leakage verhindern“.8

Die wichtigste deutsche Fluglinie beklagte zudem:

„Vor allem für Zubringerflüge müssen Regelungen erarbeitet werden, die nicht einseitig zu Lasten der europäischen Netzwerk-Airlines gehen. Eine verbindliche Quote für nachhaltige Kraftstoffe braucht einen Finanzierungsmechanismus, der alle Fluggesellschaften gleichermaßen einbezieht. Nur dann ist sie wettbewerbsneutral.“9

Zusammenfassend gerät der Flughafen Düsseldorf von mehreren Seiten unter Druck. Die aktuelle Landesregierung hat seit ihrem Amtsantritt – abgesehen von Coronahilfen – nichts für den Luftverkehrsstandort Düsseldorf unternommen. In eigener Entscheidungsbefugnis liegt insbesondere die beantragte neue Betriebsgenehmigung, die zu einer gewissen Planungssicherheit auch nach der Krise führen würde. Auch wenn mit einer Nutzung der beantragten Kapazität in den nächsten Jahren nicht zu rechnen ist, würde ein erneuter Antrag der Flughafens Düsseldorf in der Zukunft den dann stattfindenden Wachstumsprozess zusätzlich um mehrere Jahre ausbremsen.

Auch im Zusammenhang mit der Luftverkehrsteuer hat es die Landesregierung verpasst, bundespolitische Akzente zu setzen.

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Kann der Flughafen Düsseldorf noch vor Ende der Legislaturperiode mit einer Entscheidung über die beantragte Betriebsgenehmigung rechnen?
  2. Inwiefern hat die aktuelle Lage, durch die sich das Wachstum des Luftverkehrs am Standort Düsseldorf gewaltig verlangsamt hat (was auch zu einer um mehrere Jahre verzögerten Ausschöpfung der beantragten zusätzlichen Kapazitäten führt), einen Einfluss auf die Entscheidung?
  3. Inwiefern gibt bzw. gab es von Seiten der Landesregierung Anstrengungen, den Flugverkehr am Standort Düsseldorf zeitnah wieder anzukurbeln?
  4. Warum hat es die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode unterlassen, sich für eine Abschaffung oder mindestens eine Reduzierung der Luftverkehrsteuer einzusetzen?
  5. Mit welchen mittel- und langfristigen Auswirkungen auf den Flugverkehr am Standort Düsseldorf rechnet die Landesregierung durch die aktuelle „Klimapolitik“ auf Bundes-bzw. EU-Ebene?

Nic Peter Vogel

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/7363; Antrag der AfD-Fraktion „Zukunft des Flughafens Düsseldorf und Lärmschutz für die Anwohner in Einklang bringen – Mobilitätsbedürfnisse der Bürger dauerhaft sichern – Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ermöglichen“

2 Vgl. https://www.adv.aero/wp-content/uploads/2015/11/12.2020-ADV-Monatsstatistik-1.pdf

3 Vgl. https://www.adv.aero/wp-content/uploads/2015/11/05.2021-ADV-Monatsstatistik.pdf

4 Vgl. https://www.adv.aero/wp-content/uploads/2015/11/05.2019-ADV-Monatsstatistik.pdf

5 Vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/LF/luftverkehrskonzept.pdf?__blob=publicationFile

6 Vgl. Lt.-Drucksache 17/2762; Antrag der AfD-Fraktion „Arbeitsplatzmotor für NRW – Stärkung der deutschen Verkehrsflughäfen und Fluggesellschaften – Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Luftverkehrsteuer“

7 Vgl. Lt.-Drucksache 17/9042; Antrag der AfD-Fraktion „Stärkungspakt Luftverkehr: Arbeitsplätze an Flughäfen und bei Fluggesellschaften während und nach der Coronakrise sichern – Sofortmaßnahmen ermöglichen und Luftverkehrsteuer abschaffen“

8 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-energie-und-umwelt/eu-kommission-schlaegt-kerosinsteuer-fuer-innereuropaeische-fluege-vor-17437228.html?utm_content=buffer2eefe&utm_medium=social&utm_source=facebook.com&utm_campaign=  GEPC%253Ds6&fbclid=IwAR0avgAvrFgbONS_jEB0JRzwTV3yzGXeaD9WxfUeyx6x_YZ1fO13jUhPvV4

9 Ebenda


Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 5775 mit Schreiben vom 23. August 2021 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet.

  1. Kann der Flughafen Düsseldorf noch vor Ende der Legislaturperiode mit einer Ent­scheidung über die beantragte Betriebsgenehmigung rechnen?
  2. Inwiefern hat die aktuelle Lage, durch die sich das Wachstum des Luftverkehrs am Standort Düsseldorf gewaltig verlangsamt hat (was auch zu einer um mehrere Jahre verzögerten Ausschöpfung der beantragten zusätzlichen Kapazitäten führt), einen Einfluss auf die Entscheidung?

Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:

Die Flughafen Düsseldorf GmbH hält an ihren Plänen zur Kapazitätserweiterung fest. Sie hat einen gesetzlichen Anspruch auf die ordnungsgemäße Durchführung und Beendigung des an­hängigen Planfeststellungsverfahrens.

Die Planfeststellungsbehörde ist gegenwärtig mit der Sachentscheidung befasst. In diesem Zusammenhang sind u.a. die Folgen der COVID-19-Pandemie für die mittel- und langfristige Entwicklung der Luftverkehrsmärkte wie auch für das entsprechende Verkehrsaufkommen am Standort Düsseldorf einzuschätzen und zu berücksichtigen.

Bis zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens ist es dem zur Sachentscheidung berufe­nen Ministerium für Verkehr aus rechtlichen Gründen sowie im Interesse der gebotenen ob­jektiven und neutralen Verfahrensführung verwehrt, das Vorhaben der Flughafen Düsseldorf GmbH und seine Erfolgsaussichten inhaltlich zu bewerten.

  1. Inwiefern gibt bzw. gab es von Seiten der Landesregierung Anstrengungen, den Flugverkehr am Standort Düsseldorf zeitnah wieder anzukurbeln?

Die COVID-19-Pandemie hat sich durch die weltweit erforderlichen staatlichen Maßnahmen zum Infektionsschutz, z.B. Reisewarnungen und Quarantänebestimmungen, massiv auf die Luftverkehrsmärkte ausgewirkt. Der Einbruch der Nachfrage wie auch ihre zeitnahe Erholung hängen – global wie regional – maßgeblich und unmittelbar von den Infektionsverläufen sowie ihrer Bewältigung ab.

  1. Warum hat es die Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode unterlas­sen, sich für eine Abschaffung oder mindestens eine Reduzierung der Luftver-kehrsteuer einzusetzen?

Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hat die Landesregierung Initiativen mit dem Ziel der Ab­schaffung der Luftverkehrssteuer ergriffen.

Im Oktober 2019 wurden auf Initiative Nordrhein-Westfalens gleichlautende Anträge in den Bundesratsausschüssen Verkehr und Wirtschaft und Finanzen für eine faire, sachgerechte und verhältnismäßige Verteilung der Mehr- und Mindereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eingebracht.

Aufgrund der anhaltenden Klimadebatte des Bundeskabinetts war die Initiative zur Abschaf­fung der Luftverkehrssteuer zu diesem Zeitpunkt nicht mehrheitsfähig.

  1. Mit welchen mittel- und langfristigen Auswirkungen auf den Flugverkehr am Standort Düsseldorf rechnet die Landesregierung durch die aktuelle „Klimapoli­tik“ auf Bundes- bzw. EU-Ebene?

Durch die auf Bundes- und EU-Ebene beschlossen Maßnahmen werden in Deutschland alle Flughäfen gleichermaßen betroffen sein. Wettbewerbsbedingte Nachteile des Standortes Düs­seldorf gegenüber anderen Standorten in benachbarten Ländern können daher ausgeschlos­sen werden.

Auf EU-Ebene ist eine harmonisierte Vorgehensweise erforderlich. Nur über EU-weite Rege­lungen können einseitige Wettbewerbsnachteile des deutschen Luftverkehrssystems gegen­über anderen europäischen Marktteilnehmern ausgeschlossen werden.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Nic Vogel