Pläne von Verkehrsminister Krischer zu einer Folgelösung des 9-Euro-Tickets für NRW

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 230
des Abgeordneten Klaus Esser vom 28.07.2022

 

Pläne von Verkehrsminister Krischer zu einer Folgelösung des 9-Euro-Tickets für NRW

Umwelt- und Verkehrsminister Krischer hat sich in einem WDR-Interview für ein Folgeangebot des 9-Euro-Tickets für den ÖPNV in NRW ausgesprochen.1 Nur wenige Tage danach weist der WDR auf gravierende Probleme der Bahn hin, die infolge der Überlastung durch starke Nutzung des 9-Euro-Tickets offenbart wurden.2 Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, spricht dabei von einem Chaos in diesem Sommer, wie er es noch nie erlebt habe.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie sehen die Pläne für eine etwaige Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets auf Landes­ebene aus?
  2. Inwiefern werden vorhandene ÖPNV-Kapazitäten in den NRW-Kommunen und die jeweiligen Auslastungen als Grundlage weiterer Planungen abgefragt?
  3. Vor dem Hintergrund der Aussagen von Oliver Krischer im WDR-Interview ab Minute 9: Auf Grundlage welcher Datenlage hat die Landesregierung Kenntnisse zu einer verstärkten Nutzung des Personennahverkehrs durch Autofahrer?
  4. Warum sollte aus Sicht der Landesregierung ein subventioniertes Angebot verlängert werden, wenn Missstände bei Personal und Ausstattung sowie eine Überlastung der bestehenden Infrastruktur beim 9-Euro-Ticket sichtbar werden?
  5. Welche Kosten erwartet die Landesregierung für die kommenden NRW-Landes­haushalte im Rahmen der Subventionierung des 9-Euro-Tickets?

Klaus Esser

 

Anfrage als PDF

 

1 https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/nrw-umwelt-und-verkehrs-minister-krischer-neun-euro-ticket-nachfolge-100.html

2 https://www1.wdr.de/nachrichten/zustand-der-deutschen-bahn-neun-euro-ticket-100.html


Der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Kleine Anfrage 230 mit Schrei­ben vom 7. September 2022 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet.

  1. Wie sehen die Pläne für eine etwaige Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets auf Lan­desebene aus?

Nach der Gesetzgebung des Bundes und der darin verankerten Tarifhoheit liegt die unmittel­bare Zuständigkeit und Verantwortung für die inhaltliche sowie preisliche Ausgestaltung des (Ticket-)Angebots im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bei den Verkehrsunterneh­men bzw. den diese vertretenden Verkehrsverbünden und Tarifgemeinschaften (Tarifverant­wortliche). Das Land Nordrhein-Westfalen hat aufgrund der geltenden Rechtslage somit keine Möglichkeit, unmittelbar tätig zu werden.

Die Landesregierung plant, Tarifangebote für Schülerinnen und Schüler, Azubis, Freiwilligen-dienstleistende, Berufspendlerinnen und -pendler sowie Seniorinnen und Senioren im Rah­men des elektronischen Tarifs eezy.nrw zu testen. Der seit dem 1. Dezember 2021 verfügbare elektronische Tarif eezy.nrw bietet insbesondere für Gelegen­heitsreisende einen Tarif, der mit seiner Einfachheit und seiner landesweiten, verbundübergreifenden Gültigkeit Erfolgsfaktoren des 9-Euro-Tickets aufgreift. Zudem ist ge­plant, die Mittel für das Sozialticket zu verstetigen.

  1. Inwiefern werden vorhandene ÖPNV-Kapazitäten in den NRW-Kommunen und die jeweiligen Auslastungen als Grundlage weiterer Planungen abgefragt?

Nach dem Gesetz über den ÖPNV in Nordrhein-Westfalen obliegen die Planung, Organisation und Ausgestaltung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) den kommunalen SPNV-Auf-gabenträgern, d. h. dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR (VRR), dem Zweckverband Nah­verkehr Rheinland (NVR) sowie dem Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL). Dazu schließen die Aufgabenträger mit den Verkehrsunternehmen des SPNV Verkehrsver­träge ab; die konkrete Bestellung der Verkehrsleistungen sowie deren Begleitung unterliegt nicht der Fach- und Rechtsaufsicht des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Der ÖPNV im Weiteren – Busse und Straßenbahn – ist ebenfalls kommunal verantwortet.

Auch die Erhebung von Fahrgastzahlen liegt daher im Bereich der kom-munalen Aufgaben­trägerschaft. Dem Land liegen diese für den kommu-nalen ÖPNV in der Regel nicht vor. Im Rahmen der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit, konnten diese auch nicht landesweit erhoben werden. Für den SPNV werden Fahrgastzahlen von den SPNV-Aufgabenträgern erhoben. Für landesweite Fragestellungen werden die verfügbaren Daten dem Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan NRW (KC ITF NRW) zur Verfügung ge­stellt, das im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nord­rhein-Westfalen landesweite Auswertungen vornimmt.

Ergänzend ist mit Blick auf künftige Kapazitäten von Bedeutung, dass sich die Landesregie­rung zum Ziel gesetzt hat, das Angebot bis 2030 um mindestens 60 Prozent zu erhöhen.

  1. Vor dem Hintergrund der Aussagen von Oliver Krischer im WDR-Interview ab Mi­nute 9: Auf Grundlage welcher Datenlage hat die Landesregierung Kenntnisse ei­ner verstärkten Nutzung des Personennahverkehrs durch Autofahrer?

Die flankierende Marktforschung durch den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn im Auftrag von Bund und Ländern zum 9-Euro-Ticket hat in der ersten Auswertung für den Monat Juni 2022 ergeben, dass bundesweit sechs Prozent der mit dem 9-Euro-Ticket durchgeführten Fahrten ansonsten mit anderen Verkehrs­mitteln durchgeführt worden wären. Hiervon wiederum 54 Prozent mit dem Auto oder Motor­rad.

  1. Warum sollte aus Sicht der Landesregierung ein subventioniertes Angebot verlän­gert werden, wenn Missstände bei Personal und Ausstattung sowie eine Überlas­tung der bestehenden Infrastruktur beim 9-Euro-Ticket sichtbar werden?

Zur Erreichung der Klimaziele muss der ÖPNV eine echte Alternative zum Individualverkehr werden. Daher ist es der Landesregierung ein Anliegen, den ÖPNV möglichst attraktiv zu ge­stalten. Zu einem attraktiven Angebot im ÖPNV gehört neben einer guten Qualität auch ein günstiger Ticketpreis.

Zur Zeit wird bereits massiv in die Schieneninfrastruktur investiert. Dies führt vorübergehend zu einem erhöhten Aufkommen an Baustellen und erfordert entsprechend Geduld bei den Fahrgästen. „Fokus Bahn“ ist ein von der Landesregierung ins Leben gerufenes Programm zur Verbesserung der Personalsituation im SPNV Nordrhein-Westfalens und greift damit die Problematik gemeinsam mit der Leitungsebene von Zweckverbänden und Eisenbahnver­kehrsunternehmen auf, um konkrete Lösungsansätze zu entwickeln.

  1. Welche Kosten erwartet die Landesregierung für die kommenden NRW-Landes­haushalte im Rahmen der Subventionierung des 9-Euro-Tickets?

Nach § 8 Absatz 3 Regionalisierungsgesetz stellt der Bund den Ländern im Jahr 2022 Regio-nalisierungsmittel in Höhe von bundesweit 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung, die insbeson­dere zur Finanzierung des 9-Euro-Tickets vorgesehen sind. Die Landesregierung geht davon aus, dass der Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen an diesen Mitteln auch nach einer später vorzunehmenden Umverteilung zwischen den Ländern ausreichen wird, um die finanziellen Folgen der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen aus dem 9-Euro-Ticket auszugleichen. Daher ist davon auszugehen, dass das 9-Euro-Ticket zu einer Belastung des Landeshaushalts weder im Jahr 2022 noch in den Folgejahren führen wird.

 

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Beteiligte:
Klaus Esser