Kleine Anfrage 3881des Abgeordneten Markus Wagner vom 19.06.2020
Polizeibeamte werden nach Einsatz öffentlich an den Pranger gestellt. Wie schützt die Landesregierung unsere Polizisten?
Am späten Abend des 6. Juni 2020 haben Polizeivollzugsbeamte auf dem auch für Drogengeschäfte bekannten Kesselbrink in Bielefeld insgesamt sechs Personen kontrolliert, von denen mutmaßlich zwei Personen bereits im Zusammenhang mit Rauschgiftkriminalität aufgefallen sind. Die angetroffenen Personen hielten sich vor einem geschlossenen Kiosk auf und grölten herum. Auf der Erde lag zudem Müll. Ein 23-Jähriger Asylbewerber aus Burkina-Faso reagierte aggressiv auf die polizeilichen Maßnahmen und warf den Beamten sogleich Rassismus vor. Der Mann beleidigte die Beamten, schlug und trat um sich. Aus der Gruppe heraus wurden die Polizisten sodann mit Stühlen attackiert. Rasch versammelte sich zudem eine etwa 50-köpfige Gruppe, aus der heraus auch Flaschen auf die Beamten geworfen wurden, um das Einsatzgeschehen herum. Überdies wurde am Rande dieser Tumultlage ein bereits vorbestrafter Drogenhändler und Räuber festgenommen, der eine Schusswaffe mit sich führte.1
Am Freitag, dem 12. Juni 2020, haben Unbekannte nun zahlreiche Plakate in der Stadt aufgehängt, auf denen Fotos derjenigen Polizisten abgebildet sind, die an polizeilichen Maßnahmen gegen den aggressiven Burkinaben beteiligt gewesen waren.2
Ich frage daher die Landesregierung:
- Wie stellt sich die Entwicklung der Sicherheitslage rund um den Bielefelder Kesselbrink im Jahr 2020 dar?
- Was ist der aktuelle Sachstand der Ermittlungen zu dem Einsatz am 6. Juni 2020? (Tatverdächtige, Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsstatus und Vorstrafen der Tatverdächtigen, Einsatzverlauf, etc.)
- Was ist der aktuelle Sachstand der Staatsschutzermittlungen zu den Vorfällen am 12. Juni 2020?
- Wie versuchen linke, linksradikale und linksextreme Gruppen und kriminelle Migranten Rassismusdiskurse zur Diskreditierung legalen und legitimen staatlichen Handelns zu instrumentalisieren?
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Polizeivollzugsbeamte vor Diskreditierungsversuchen durch Rassismusvorwürfe und öffentliche Bloßstellungen, wie sie in Bielefeld nun geschehen sind, zu schützen?
Markus Wagner
1 Vgl. Westfalen-Blatt (2020): Bielefelder Polizisten an den Pranger gestellt; online im Internet: https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Bielefeld/Bielefeld/4215970-Polizeipraesidentin-rote-Linie-ueberschritten-GdP-kein-Rassismus-Bielefelder-Polizisten-an-den-Pranger-gestellt; vgl. Bild (2020): Polizisten mit Stühlen und Flaschen attackiert; online im Internet: https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/festnahme-szenen-erinnern-an-den-fall-george-floyd-rassism us-vorwurf-gegen-biele-71121714.bild.html.
2 Vgl. Westfalen-Blatt (2020): Bielefelder Polizisten an den Pranger gestellt; online im Internet: https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Bielefeld/Bielefeld/4215970-Polizeipraesidentin-rote-Linie-ueberschritten-GdP-kein-Rassismus-Bielefelder-Polizisten-an-den-Pranger-gestellt.
Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 3881 mit Schreiben vom 20. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet.
- Wie stellt sich die Entwicklung der Sicherheitslage rund um den Bielefelder Kesselbrink im Jahr 2020 dar?
Bei der Örtlichkeit Kesselbrink handelt es sich um einen innerstädtischen Platz mit mehreren Straßen und einem Aufenthaltsbereich, der Fußgängern vorbehalten ist.
Zur Bewertung der Kriminalitätsentwicklung wurden alle Straftaten im öffentlichen Raum mit Bezug zum Kesselbrink, deren Tatzeit zwischen dem 01.01.2020 und dem 23.06.2020 lag, betrachtet. Als Datengrundlage für die Beantwortung der Frage dient das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem. Insbesondere die jüngeren Daten sind statistisch nur bedingt valide, denn sie können sich aufgrund von Qualitätssicherung und je nach Ermittlungsfortschritt noch verändern.
Der gesamte innerstädtische Platz trägt die Bezeichnung Kesselbrink. Rein postalisch existiert lediglich eine Straße Kesselbrink, so dass für die Datenerhebung vier weitere Abschnitte angrenzender Straßen in die Betrachtung einbezogen wurden.
Straftat |
Anzahl in der Zeit von 01.01-23.06.2020 |
Verstoß Aufenthaltsgesetz |
1 |
Sexueller Übergriff |
1 |
Sachbeschädigung |
5 |
Raub, Räuberische Erpressung |
12 |
Körperverletzung |
28 |
Eigentums-/ Vermögensdelikte |
10 |
Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz |
49 |
Bedrohung |
5 |
Beleidigung |
8 |
Beleidigung ohne sexuelle Grundlage |
7 |
Falsche Verdächtigung |
1 |
Kennzeichenmissbrauch |
1 |
Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln |
1 |
Pflichtversicherungsgesetz |
3 |
Sonstige Nötigung |
1 |
Straftat nach dem Versammlungsgesetz |
2 |
Straftaten gegen das Waffengesetz |
1 |
Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen |
1 |
Verletzung des vertraulichen Wortes |
1 |
Verleumdung |
1 |
Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen |
4 |
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte |
1 |
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen |
4 |
Gesamtergebnis |
148 |
Insgesamt ereigneten sich in diesem Zeitraum 148 Straftaten. Den größten Anteil nehmen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ein (49). Darüber hinaus wurden 28 Körperverletzungs-, 12 Raub-, 10 Eigentums- und Vermögensdelikte sowie 5 Sachbeschädigungen angezeigt.
Die monatliche Entwicklung war seit Jahresbeginn relativ konstant. Die einzelnen Deliktszahlen bewegten sich in der ersten Jahreshälfte auf nahezu gleichbleibendem Niveau.
Seit mehreren Jahren reagiert das Polizeipräsidium Bielefeld auf die Situation an erkannten Brennpunkten der Straßenkriminalität durch entsprechende Schwerpunktsetzungen, die sich auch als „Behördenstrategisches Ziel“ (Behördenschwerpunkt) im Sicherheitsprogramm wiederfinden.
Aktuell werden die Maßnahmen im Bereich Kesselbrink insbesondere im Rahmen des Behördenschwerpunkts „Sicherheit in der Bielefelder Innenstadt“ (Präsenzkonzeption zur Bekämpfung von Straftaten im öffentlichen Raum in der Bielefelder Innenstadt) getroffen. Dabei sollen gezielt öffentlich wahrnehmbare Delikte im Bereich der Straßenkriminalität und Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung bekämpft werden.
Im ersten Halbjahr 2020 konnten im Rahmen einer Recherche für die Örtlichkeit „Kesselbrink“ insgesamt 234 Einsätze mit verschiedenen Anlassarten ermittelt werden. Im vergleichbaren Zeitraum im Jahr 2019 wurden 215 Einsätze dokumentiert.
- Was ist der aktuelle Sachstand der Ermittlungen zu dem Einsatz am 6. Juni 2020? (Tatverdächtige, Staatsbürgerschaft, Aufenthaltsstatus und Vorstrafen der Tatverdächtigen, Einsatzverlauf, etc.)
- Was ist der aktuelle Sachstand der Staatsschutzermittlungen zu den Vorfällen am 12. Juni 2020?
Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet.
Im Zusammenhang mit den in den Fragen 2 und 3 beschriebenen Sachverhalten werden Ermittlungsverfahren gegen mehrere Beschuldigte geführt. Die diesbezüglichen polizeilichen Ermittlungen dauern an.
Zum aktuellen Sachstand der Ermittlungen hat das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 10.06.2020 folgende Informationen zur Verfügung gestellt:
„Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet:
Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bielefeld hat dem Ministerium der Justiz unter dem 1. Juli 2020 dazu berichtet:
„Zu 2:
Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Einsatz der Polizei anlässlich der „Tumultlage“ am 06.06.2020 auf dem Bielefelder Kesselbrink sind bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld (noch) nicht anhängig.
Soweit in der Kleinen Anfrage ausgeführt worden ist, am Rande der Tumultlage sei ein bereits vorbestrafter Drogenhändler und Räuber festgenommen worden, der eine Schusswaffe mit sich geführt habe, dürfte es sich um den Sachverhalt handeln, der hierzur Einleitung eines Verfahrens gegen einen 25-jährigen deutschen Staatsangehörigen geführt hat. Gegen diesen Beschuldigten ist unter dem 22.06.2020 wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe (CO2 Pistole) und Bedrohung Anklage zum Strafrichter erhoben worden. An Vorstrafen weist der Auszug aus dem Bundeszentralregister eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und Bedrohung zu einer Geldstrafe von 80 Tages-sätzen zu je 10 Euro aus.
Hinsichtlich der bei ihm im Übrigen aufgefundenen geringen Menge Marihuana ist ein gesondertes Verfahren eingeleitet worden, in dem die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Zu 3:
Bezüglich der Vorfälle am 12.06.2020 hat der Staatsschutz der Polizei Bielefeld wegen des Verdachts der Verleumdung, üblen Nachrede und des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz Ermittlungen aufgenommen. Das entsprechende Verfahren ist hier noch nicht eingegangen. …“
Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat dem Ministerium der Justiz in ihrem Randbericht vom 2. Juli 2020 Folgendes mitgeteilt:
„Die Leitende Oberstaatsanwältin in Bielefeld hat mir ergänzend berichtet, dass die Anklage wegen Bedrohung keine Tat zum Nachteil von Polizeibeamten betraf.
Gegen die Sachbehandlung habe ich keine Bedenken. …““
- Wie versuchen linke, linksradikale und linksextreme Gruppen und kriminelle Migranten Rassismusdiskurse zur Diskreditierung legalen und legitimen staatlichen Handelns zu instrumentalisieren?
Linksextremisten diskreditieren das staatliche Gewaltmonopol als Repressionsmechanismus. Eingriffsmaßnahmen, die sich gegen Personen mit Migrationshintergrund richten, werden im Linksextremismus generell als Ausdruck rassistisch motivierter Repression betrachtet. In einem der Hauptthemenfelder der linksextremistischen Szene, der Antirepression, wird polizeiliches Handeln grundsätzlich als Willkür dargestellt. Insbesondere Zwangsmaßnahmen der Polizei gelten als unrechtmäßig und inszeniert. Der Polizei wird durchgängig vorgeworfen, dass gewalttätiges Handeln des polizeilichen Gegenübers von der Polizei provoziert werde. Zudem propagiert die linksextremistische Szene seit Jahren, dass es insbesondere im Bereich der Polizei institutionellen Rassismus gebe.
Durch die aktuellen Vorfälle in den USA tritt dieses Thema wieder verstärkt in den Fokus der linksextremistischen Szene, stellt aber kein neues Phänomen dar. Festzustellen ist derzeit, dass insbesondere polizeiliche Maßnahmen gegenüber Personen mit dunkler Hautfarbe vielfach zu Unmutsäußerungen bis hin zu Widerstandshandlungen Unbeteiligter führen können.
Darüber hinaus wird die Polizei aus dem linksextremistischen Spektrum regelmäßig mit dem Vorwurf des „Racial Profiling“ konfrontiert.
- Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um Polizeivollzugsbeamte vor Diskreditierungsversuchen durch Rassismusvorwürfe und öffentliche Bloßstellungen, wie sie in Bielefeld nun geschehen sind, zu schützen?
Bei Feststellung von Straftaten, insbesondere auch im Internet und sozialen Medien, erfolgt eine konsequente Strafverfolgung und die enge Zusammenarbeit mit allen dafür in Frage kommenden staatlichen und privaten Einrichtungen. Durch zeitnahe Strafverfolgung kann der Öffentlichkeit verdeutlicht werden, dass auch niederschwellige Straftaten (zum Beispiel Beleidigungen) gegen Polizeivollzugsbeamte geahndet werden.
Gemäß dem Erlass „Polizeilicher Opferschutz“ – Runderlass des Ministeriums des Innern – 62.02.01- vom 01.04.2019 sind in den Kreispolizeibehörden sowohl in den Kriminalkommissariaten Kriminalprävention und Opferschutz als auch in den Dienststellen für Verkehrsunfallprävention und Opferschutz, Opferschutzbeauftragte eingesetzt. Sie sind Ansprechpartner nach innen und außen für alle Themen des polizeilichen Opferschutzes und vermitteln sowohl Informationen über Organisationen der Opferhilfe, als auch Opfer an diese Organisationen. Sie stehen Opfern von Straftaten bei der Antragsstellung zur Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zur Seite. Dies gilt auch für Polizeivollzugsbeamte, die Opfer von Straftaten geworden sind.
Die Landesregierung stellt sich schützend vor diejenigen, die täglich mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben für die Sicherheit, die Verfassung und den Zusammenhalt in der Gesellschaft eintreten.
Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen klärt die Öffentlichkeit im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages über extremistische Bestrebungen, deren Hintergründe und Aktionsformen auf. Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 ist dem Themenfeld „Antirepression“ im Linksextremismus ein eigenes Kapitel gewidmet (vgl. S. 171 ff.).