Private Sicherheitsdienste – Wie sieht die Entwicklung aus?

Kleine Anfrage

Kleine Anfrage 911
des Abgeordneten Markus Wagner vom 19.12.2022

Private Sicherheitsdienste Wie sieht die Entwicklung aus?

„Wenn wir von Rechtsstaat reden und hohe Qualität hier in Deutschland gewährleisten wollen, dann bedeutet das, dass Sie qualifizierte Leute haben und es bedeutet letztendlich, dass der Staat seiner Verpflichtung nachkommt. Nämlich, die Kernaufgabe innere Sicherheit auch zu gewährleisten. Es kann ja nicht sein, dass der Staat sich von seiner Kernaufgabe verabschiedet und Bürgerinnen und Bürger, jedenfalls die, die das können, durch private Sicherheitsdienste sich ihre Sicherheit leisten.“1

So äußerte sich der damalige Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow im Jahre 2016. Der Rechtsstaat, bei dem das Gewaltmonopol liegt, hat zur Aufgabe, die Bürger vor Terror und Kriminalität zu schützen. Dabei ist zu beachten, dass er als Einziger in die Grundrechte seiner Bürger eingreifen darf. Gleichzeitig ist aber bereits seit vielen Jahren ein Trend festzustellen, wonach private Sicherheitsdienste im verstärkten Maße zur Sicherheitsstruktur Deutschlands dazugehören. Im Jahre 1990 gab es 56.000 Mitarbeiter, die in der Sicherheitswirtschaft tätig waren. Diese Zahl hatte sich bis 2016 auf rund 265.0002 Beschäftigte erhöht und lag im Jahre 2021 bei knapp 260.000.3 Deutschlandweit existieren etwa 6.500 private Sicherheitsdienstleister, die den Umsatz der Branche zwischen 2008 und 2018 auf fast neun Milliarden Euro verdoppelt haben.4

Somit sind private Sicherheitsdienste immer mehr im öffentlichen sowie halb-öffentlichen Raum tätig sind. Dabei ist schon länger festzustellen, dass auch in zunehmend sensiblen Bereichen, in denen eine Terrorgefahr besteht, wie zum Beispiel Flughäfen, Kernkraftwerken, Häfen oder Großveranstaltungen, private Sicherheitsdienste tätig sind. Der Staat zieht sich sukzessive von seiner Hoheitsaufgabe zurück, was zur unter anderem zur Folge hatte, dass im Juli 2016 der Bundestag eine erste Rechtsgrundlage geschaffen hatte, private Unternehmen mit hoheitlichen Aufgaben zu beleihen.5

Allerdings ist das nicht unproblematisch. Der damalige GdP-Vorsitzende stellte 2016 diesbezüglich fest:

„Wir sind klar für die Trennung zwischen privaten Sicherheitsdiensten und der Polizei. Im privaten Raum sind private Sicherheitsdienste notwendig […]. Aber das ist überhaupt nicht vergleichbar mit qualifizierter Polizeiarbeit im öffentlichen Raum.“6

Jedoch ist nicht immer deutlich definierbar, wo der öffentliche Raum endet und der private beginnt, da die Grenzen verschwimmen. Sicherheitsdienste haben – abgesehen von wenigen Ausnahmen – keine Sonderrechte und bewachen beziehungsweise kontrollieren auf Grundlage des Hausrechts und des sogenannten Jedermannsrecht. Obwohl die EU in der Vergangenheit schon öfters immer wieder Sicherheitsmängel an deutschen Flughäfen festgestellt hat, haben private Anbieter an den meisten Flughäfen die Kontrolle von Passgieren und Gepäck übernommen. Für die Ausübung dieser Arbeiten bekommen die Anbieter Hoheitsreche beliehen, da sie im Auftrag der Bundespolizei hoheitliche Aufgaben ausführen.7

Erst im Sommer dieses Jahres hat die Stadt Köln die Aufgabe, zum Sessionsauftakt am 11.11.2022 sowie für den Straßenkarneval 2023 von Weiberfastnacht bis Veilchendienstag für die Sicherheit in der Stadt zu sorgen, ausgeschrieben. Begründet wurde diese Auftrags­vergabe damit, dass die Stadt die für die Sicherheit notwendigen Maßnahmen nicht mit eigenem Personal gewährleisten könne. Für den Zeitraum von vier Jahren rechnet die Stadt Köln mit Kosten in Höhe von 6,3 Millionen Euro. Selbst der SPD-Fraktionschef im Kölner Stadtrat sprach in diesem Zusammenhang von einem „sicherheitspolitischen Offenbarungseid“.8 Seiner Ansicht nach „sollte die Stadt lieber selbst mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Ordnungsamt einstelle“, anstatt über 6 Millionen Euro für einen privaten Sicherheitsdienst auszugeben.9

Ich frage daher die Landesregierung:

  1. Wie hat sich die Anzahl der privaten Sicherheitsdienstleister in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie hat sich die Personalstärke der privaten Sicherheitsdienstleister in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt?
  3. Wie haben sich die Kosten des Landes für die Beauftragung von privaten Sicherheitsdienstleistern seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr und Höhe der Kosten aufschlüsseln.)
  4. Wie haben sich die Kosten der Städte bzw. der kreisfreien Städte für die Beauftragung von privaten Sicherheitsdienstleistern seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr, [kreisfreien] Städten sowie Höhe der Kosten aufschlüsseln.)
  5. Wie hat sich die Anzahl privater Sicherheitsdienstleister in Lebensmittelmärkten seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)

Markus Wagner

 

Anfrage als PDF

 

1 Vgl. htt p s : / /www. D e u t s c h l a n d f u n k.de/privatisierung-von-p o l i z e i aufgaben-ein-rueckzug-des-staates-100.h t m l .

2 Ebenda.

3 Vgl. htt p s : / / de. S t a t i s t a.com/statistik/daten/studie/2 5 8 5 0 8 /umfrage/b e s c h a e f t i g t e-in-der-sicherheits dienstleistungs wirtschaft-in-deutschland/.

4 Vgl. htt p s : / / www. Z e i t .de/politik/deutschland/ 2019 -0 8/innere-s i c h e r h e i t-bewacher register-p r i v a t e-w a c h d i e n s t e-sicherheitsdienst-transparenz/komplett ansicht.

5 Htt p s: / / www. D e u t s c h l a n d f u n k.de/privatisierung-von-polizei aufgaben-ein-r u e c k z u g-des-staates-100.h t m l .

6 Ebenda.

7 Ebenda.

8 Vgl. htt p s: / / www. K s t a .de/koeln/koelner-k a r n e v a l-stadt-k o e l n-sucht-sicherheits firmen-22 61 24 .

9 Ebenda.


Die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie hat die Kleine An­frage 911 mit Schreiben vom 17. Januar 2023 namens der Landesregierung 911 im Einver­nehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung be­antwortet.

Vorbemerkung der Landesregierung

Innerhalb der Landesregierung erfolgt der Einsatz von externen Sicherheitsdienstleistern ins­besondere im Pfortendienst, in den Parkhäusern und bei besonderen Ereignissen. Externe Sicherheitsdienste nehmen dabei keine polizeilichen Aufgaben wahr, sondern setzen lediglich die Hausordnung durch.

Zur Beantwortung der Fragen 1 und 2 wurde mangels eigener Quellen auf Zahlenmaterial des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) zurückgegriffen, welches unter anderem Datenmaterial vom Statistischen Bundesamt und der Arbeitsagentur enthält.

  1. Wie hat sich die Anzahl der privaten Sicherheitsdienstleister in Nordrhein-Westfa­len seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)
  2. Wie hat sich die Personalstärke der privaten Sicherheitsdienstleister in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt?

Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung liegt kein eigenes Datenmaterial vor. Statistiken zur Entwicklung der Sicher­heitsbranche veröffentlicht der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) auf seiner Internetseite h t t p s : / / ww w . b ds w . de / d i e- b r a nc h e / z a h len– d a t e n – f ak t e n in eigener Verantwortung. Eine Prüfung durch die Landesregierung erfolgt nicht. Die Seite ist öffentlich einsehbar.

  1. Wie haben sich die Kosten des Landes für die Beauftragung von privaten Sicher-heitsdienstleistern seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr und Höhe der Kosten aufschlüsseln.)
Jahr Gesamt
2018 112.369.957,58 €
2019 114.105.493,51 €
2020 103.975.939,55 €
2021 106.544.645,34 €
2022 107.357.724,04 €

 

Die Zahlen basieren auf den Rückmeldungen im Rahmen einer kurzfristigen Abfrage bei den Ressorts und ihren nachgeordneten Bereichen, soweit sie bis zum 9. Januar 2023 vorlagen. Haushaltsunterlagen werden für 10 Jahre aufbewahrt. Somit ist eine Zulieferung von Daten für die Jahre 2010 und 2011 nicht mehr möglich. Zudem konnten aufgrund der Buchungssystem-Umstellung von HKR-TV auf EPOS und der Kürze der für die Beantwortung der Kleinen An­frage zur Verfügung stehenden Zeit belastbare Daten für die Zeit vor 2018 nicht ermittelt wer­den.

  1. Wie haben sich die Kosten der Städte bzw. der kreisfreien Städte für die Beauftragung von privaten Sicherheitsdienstleistern seit dem Jahre 2010 bis heute entwi­ckelt? (Bitte nach Jahr, [kreisfreien] Städten sowie Höhe der Kosten aufschlüs­seln.)

Da die Kosten, die den Kommunen im Zusammenhang mit der Beauftragung von privaten Sicherheitsdienstleistern entstehen, in der Finanzstatistik nicht separat erfasst werden, liegen der Landesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. Eine Abfrage bei sämtlichen Städten war innerhalb der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zu Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

  1. Wie hat sich die Anzahl privater Sicherheitsdienstleister in Lebensmittelmärkten
    seit dem Jahre 2010 bis heute entwickelt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.)

Darüber liegen der Landesregierung keine Informationen vor.

 

Antwort als PDF

Beteiligte:
Markus Wagner