Privatisierung der Sicherheit an NRW-Flughäfen beenden – Luftsicherheit in staatlich-föderale Hände legen

Antrag
vom 03.07.2018

Antragder AfD-Fraktion vom 03.07.2018

 

Privatisierung der Sicherheit an NRW-Flughäfen beenden – Luftsicherheit in staatlich-föderale Hände legen

I. Ausgangslage

Nordrhein-Westfalen spielt mit seinen sechs Verkehrsflughäfen eine wichtige Rolle im Luftfahrtbereich in Deutschland und Europa. Die Flughäfen und ihr Umfeld leisten einen großen Beitrag zur positiven Entwicklung des Landes. Insbesondere die beiden Großflughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn besitzen eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung für NRW. Der Flughafen der Landeshauptstadt fertigte 2017 über 24 Millionen Fluggäste ab, am Flughafen Köln/Bonn waren es über 12 Millionen. Das Land NRW ist mit rund 30 Prozent am Flughafen Köln/Bonn beteiligt, die Stadt Düsseldorf mit 50 Prozent am Flughafen Düsseldorf. Insgesamt wurden an den sechs NRW-Verkehrsflughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn, Weeze, Dortmund, Münster/Osnabrück und Paderborn im letzten Jahr 43 Millionen Fluggäste abgefertigt. Überschattet wird dieser, trotz der Insolvenz Air Berlins, positive Jahresabschluss durch andauernde Probleme bei den Fluggastkontrollen in Düsseldorf und Köln/Bonn.

Durch das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Luftsicherheitsgesetz1) aus dem Jahre 2005 wurden die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu geregelt. Oberste Aufsichtsbehörde für die Aufgaben der Luftsicherheit ist das Bundesinnenministerium. Für alle übrigen Sicherungsmaßnahmen werden die Luftsicherheitsbehörden durch Ländergesetze bestimmt.2 Für die Fluggast- und Gepäckkontrolle gemäß § 5 Luftsicherheitsgesetz ist die Bezirksregierung Münster (Münster/Osnabrück, Dortmund, Paderborn) und die Bezirksregierung Düsseldorf (Weeze) an vier Verkehrsflughäfen zuständig. Für zwei NRW-Flughäfen ist die Bundespolizei zuständig (Düsseldorf und Köln/Bonn). Die Bundespolizei hat die ihr übertragenen Aufgaben an den beiden Großflughäfen wiederum an private Unternehmen abgegeben.

Jede Person, die den Sicherheitsbereich eines Flughafens dauerhaft und unbegleitet betreten möchte, muss sich gemäß § 7 Luftsicherheitsgesetz einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Diese Zuverlässigkeitsprüfung zur Erteilung eines dauerhaften Flughafenausweises wird in Nordrhein-Westfalen von den Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster durchgeführt.

Für die Personal- und Warenkontrolle gemäß § 8 Luftsicherheitsgesetz sind die NRW-Flughafenbetreiber selbst verantwortlich. Die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgabe wird vom NRW-Verkehrsministerium (Düsseldorf, Köln/Bonn und Münster/Osnabrück), von der Bezirksregierung Münster (Dortmund und Paderborn) und von der Bezirksregierung Düsseldorf (Weeze) überwacht. Die Personal- und Warenkontrolle an den Flughäfen ist, anders als die Personen- und Gepäckkontrolle, keine hoheitliche Aufgabe.

Eklatante Probleme bei den Fluggastkontrollen in Düsseldorf und Köln/Bonn sind seit Jahren bekannt, grundsätzlich verbessert wurde bislang nichts. Fluggäste, Gewerkschaften und die privaten Sicherheitsmitarbeiter (offizielle Bezeichnung: Luftsicherheitsassistenten) klagen über schlechte Bedingungen an den Kontrollstellen.3 Im vergangenen Sommer musste ausländisches Sicherheitspersonal aus Belgien nach Düsseldorf beordert werden, um überhaupt die Sicherheitskontrollen am Flughafen aufrechterhalten zu können. Mehrfach hat das private Sicherheitsunternehmen Verbesserungen in Düsseldorf versprochen, der Flughafenbetreiber hat laut Presse jedoch kein Vertrauen mehr in die Versprechen. Er habe „die vielen leeren Ankündigungen des Dienstleistungsunternehmens in den vergangenen Monaten stets sehr kritisch begleitet“, sagte der Sprecher im Juni 2018.4

Der Vorsitzende der DPolG-Bundespolizeigewerkschaft Ernst G. Walter forderte im April 2018 einen Systemwechsel in der Luftsicherheit. Er bezeichnet es als einen Fehler, die Luftsicherheitskontrollen aus rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise als „Dienstleistung“ einzuordnen: „Solange man hoheitliche Sicherheitskontrollen zur Terrorabwehr mit Dienstleistungen wie dem Reinigen von Gebäuden oder einem Pizzadienst auf eine Stufe stellt und solange die Einstellung von Kontrollkräften bei so manchen Sicherheitsfirmen vom Vorhandensein eines Ausbildungsgutscheins der Arbeitsagentur abhängig gemacht wird, muss man sich nicht über zu wenig oder ungeeignetes Personal in diesem Bereich wundern“.5 Ebenso beklagt die Bundespolizeigewerkschaft den miserablen Ausbildungsstand der privaten Luftsicherheitsassistenten.6 Einem privaten Sicherheitsunternehmen am Köln/Bonner Flughafen wurde 2017 gekündigt, da es zu Unregelmäßigkeiten bei den Fortbildungen kam und die Vorwürfe der Nötigung, Erpressung und Korruption im Raum standen.7

Laut Schätzungen von Gewerkschaften werden zehn Prozent der Beschäftigungsverhältnisse der privaten Sicherheitsfirmen nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Die privaten Sicherheitsfirmen in NRW würden sogar davon profitieren, da sie Geld dafür bekämen, wenn sie einen Mitarbeiter aus der Arbeitslosigkeit holen. Eine Gefahr des relativ hohen Personalwechsels bei den privaten Dienstleistern besteht möglicherweise auch im Sicherheitsablauf, da mit jedem ehemaligen Mitarbeiter auch Informationen über die Kontrollprozesse den Flughafen verlassen.

Auch international sind die Mängel an deutschen Flughäfen bekannt: Im Jahre 2015 verklagte die Europäische Union die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Problemen bei der Überwachung deutscher Flughäfen.8 Bei einer Überprüfung konnten bei jedem zweiten Versuch Waffen oder als Waffe nutzbare Gegenstände durch die Kontrollen geschmuggelt werden. Als Hauptgrund wurde die schlechte Schulung des Personals der privaten Sicherheitsunternehmen genannt. Am Flughafen Köln/Bonn brachten EU-Kontrolleure „bei einer Reihe von Tests Anfang Februar [2016] in mehreren Fällen Waffen oder Zubehörteile für eine mögliche Bombe unentdeckt durch die Sicherheitsschleuse.“9

Eine Verbesserung des Zustandes ist nicht in Sicht, trotzt unzähliger Versprechen der privaten Unternehmen und der Politik. Das Bundesinnenministerium kündigte 2014 eine grundsätzliche Überprüfung der Kontrollen an.10 Die angekündigte Überprüfung ist jedoch offensichtlich nicht geschehen oder hatte keine Konsequenzen. Die AfD hat in einer Kleinen Anfrage im März 2018 gefragt, was aus Sicht der Landesregierung dagegen spricht, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, die Aufgaben im Flughafen-Sicherheitsbereich wieder vollständig in staatliche Hände zu legen. Die Antwort der NRW-Regierung: „Nach Auffassung der Landesregierung sollten zunächst die angekündigten Vorschläge abgewartet werden.“ Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wird erneut vage wie vor vier Jahren eine Überprüfung angekündigt: „Wir werden gleichzeitig die bestehende Organisation und Aufgabenwahrnehmung und -verteilung für die Luftsicherheit begutachten und konzeptionelle Vorschläge erarbeiten lassen, um diese in Deutschland einheitlicher und effizienter zu gestalten.“

Das Protokoll des Verkehrsausschusses vom 18. Oktober 2017 zitiert NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst mit der Ankündigung, „man“ wolle über das Luftsicherheitssystem nachdenken: „Für die angesprochenen Probleme zeichne das Bundesministerium des Innern verantwortlich, durch das eine Beauftragung erfolge. Der oft gescholtene Flughafen habe auf die Vertragsgestaltung keinen Einfluss. Man könne gerne darüber nachdenken, dieses Vorgehen zu verändern, um denjenigen, der geschlagen werde, auch in die Lage zu versetzen, Einfluss zu nehmen.“11

Um die Landes- und Bundeshaushalte von Personal- und Versorgungskosten zu entlasten, wurden ab Mitte der 90er Jahre die Sicherheitskontrollen an vielen deutschen Flughäfen privatisiert. Die rot-grüne NRW-Landesregierung befürwortete im Jahre 2000 die Übertragung der Personenkontrollen an NRW-Flughäfen an Privatunternehmen.12 Der Düsseldorfer Flughafen setzt seit April 1996 private Firmen an den Kontrollstellen ein, dies sollte eigentlich nur vorübergehend bis Ende 1997 geschehen, um „den Mehrbedarf zu decken, der durch den Brand am Flughafen Düsseldorf entstanden ist.“13 Bis 1996 waren Angestellte des Polizeipräsidiums Düsseldorf im Auftrag des Wirtschaftsministeriums mit der Fluggastkontrolle beauftragt.

Ein von Experten häufig vorgetragener Lösungsansatz für die Probleme mit den offensichtlich zwielichtigen privaten Sicherheitsunternehmen: Die Fluggast- und Gepäckkontrollen an den Flughäfen müssen vollständig in staatliche Hände zurück. Am Ende kann die Sicherheit der Menschen weltweit davon profitieren, wenn an den Großflughäfen in NRW wieder durch vernünftig ausgebildetes, vernünftig bezahltes und zahlenmäßig vernünftig vertretendes Personal diese hoheitliche Aufgabe ausgeführt wird.

NRW-Verkehrsminister Wüst wies in einer Antwort am 17. April 2018 auf die AfD-Anfrage „Probleme bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen Düsseldorf“ auf folgenden Sachverhalt hin: „Die Bundesrepublik Deutschland hat hierzu am 25./28. März 2000 mit dem Land Nordrhein-Westfalen ein Verwaltungsabkommen zur Übertragung der Aufgaben der Luftsicherheit in bundeseigene Verwaltung für die Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf geschlossen; dieses Abkommen kann nicht einseitig aufgelöst werden.“14

Eine einvernehmliche Neuausrichtung der Aufgaben der Luftsicherheit auf Landesebene und in öffentlicher Hand könnte nicht nur der Sicherheit, sondern auch der Effizienz förderlich sein: Fluggast-, Gepäck-, Personal-, Waren- und Zuverlässigkeitsprüfung würden einheitlich gesteuert und überwacht durch die als Luftsicherheitsbehörden funktionierenden Bezirksregierungen Düsseldorf und Münster. Der derzeitige Flickenteppich an Zuständigkeiten und Auslagerungen hätte dann in NRW ein Ende. Die Luftsicherheit wäre dann keine einfache Dienstleistung mehr, für die sich offensichtlich seit Jahren niemand vollumfänglich verantwortlich fühlt.

Als Vorbild kann das System in Bayern dienen: „Eine löbliche Ausnahme, […], ist Bayern. Die Kontrollen am Flughafen München werden von einer Tochtergesellschaft des Freistaates durchgeführt. Von Schlangen an den Sicherheitskontrollen ist dort nichts bekannt.“15

Der Freistaat hat die Sicherheitskontrollen an seinem Großflughafen „Franz Josef Strauß“ (über 44 Millionen Fluggäste 2017 und damit ungefähr so viele wie die sechs NRW-Verkehrsflughäfen zusammen) in die Hände einer staatlichen Gesellschaft gelegt, die Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München – SGM mbH. Diese Gesellschaft arbeitet unter der Fachaufsicht der Regierung von Oberbayern und übernimmt Aufgaben der Personen-, Handgepäck- und Reisegepäckkontrolle. Die Flugsicherheitsbeauftragten in Bayern erhalten eine Grundvergütung nach TVöD-VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) in Entgeltgruppe 6 / Stufe 3 (Einstiegsvergütung derzeit 2.788 Euro brutto bei durchschnittlich 160 Stunden/Monat), diverse Sozialleistungen des öffentlichen Dienstes, betriebliche Zulagen sowie eine Altersversorgung. Die Gehaltshöhe der privaten NRW-Luftsicherheitsassistenten ist hingegen eine interne Angelegenheit der jeweiligen Sicherheitsfirma, die Bundespolizei hat darauf nur indirekt durch das Ausschreibeverfahren Einfluss. Über gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Lohnzahlung beschwerten sich Kölner Sicherheitsmitarbeiter bereits 2015.16

Aus Bayern gibt es hingegen keine „Chaos-Berichte“, im Gegenteil: Der Münchener Flughafen ist der einzige Flughafen Deutschlands, welcher mit einer 5-Sterne-Bewertung ausgezeichnet ist und im weltweiten Vergleich (bei dem auch die Qualität der Sicherheitskontrollen beurteilt wird) auf Platz 4 liegt.17 In Düsseldorf hingegen gab es für das private Sicherheitsunternehmen Ende Juni 2018 eine mehrseitige Abmahnung. Die FAZ schreibt: „Offen sagt es niemand, aber einige Flugmanager befürchten einen Chaos-Sommer. Einen Vorgeschmack gab es 2017 in Düsseldorf, wo es in Warteschlangen zu Tumulten kam.“18 Dieser AfD-Antrag soll mittelfristig dafür sorgen, dass das Chaos an NRW-Großflughäfen der Vergangenheit angehört.

II. Der Landtag stellt fest:

1. Die beiden Großflughäfen in NRW besitzen für das Land eine herausragende Bedeutung.

2. Professionelle, umfassende und zugleich effizienten Kontrollen der Fluggäste und ihres Gepäcks sind in der heutigen Zeit von hoher Bedeutung.

3. Das derzeitige private System an den beiden NRW-Großflughäfen stellt eine fortwährende Gefahr für die Sicherheit im Luftverkehr dar und wird seiner Verantwortung nicht gerecht.

4. Das derzeitige private System an den beiden NRW-Großflughäfen stellt für Fluggäste, Luftsicherheitsassistenten, Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften eine Belastung dar.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, die hoheitlichen Aufgaben im Sicherheitsbereich an Flughäfen wieder ausschließlich in staatliche Hände zu legen;

2. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, das Verwaltungsabkommen zur Übertragung der Aufgaben der Luftsicherheit in bundeseigene Verwaltung für die Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn einvernehmlich zu beenden;

3. nach Ablauf der bestehenden Verträge ein staatliches Unternehmen in NRW unter Aufsicht der entsprechenden Bezirksregierung mit der Aufgabe der Fluggast- und Gepäckkontrolle zu beauftragen (nach Maßgabe nationaler und internationaler Rechtsvorschriften). Vorbild kann das bayerische System sein. Die bisherigen Luftsicherheitsassistenten der privaten Unternehmen können nach Prüfung der fachlichen und persönlichen Eignung übernommen werden.

Herbert Strotebeck
Andreas Keith
und Fraktion

 

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1 http://www.gesetze-im-internet.de/luftsig/

2 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD15-2437.pdf

3 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus170729858/Frustrierte-Fummeltruppe.html

4 https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/flughafen-duesseldorf-es-drohen-wieder-lange-warteschlangenaid-23568539

5 http://dpolg-bpolg.de/wp/?p=14842

6 http://dpolg-bpolg.de/wp/?p=11336

7 https://www.securityszene.de/flughafen-koeln-bonn-sicherheitsdienst-kuendigung/

8 https://rp-online.de/politik/eu/eu-bruessel-verklagt-deutschland-wegen-kontrollen-an-flughaefenaid-21791849

9 https://www.welt.de/politik/article154428053/Mit-Waffen-unbemerkt-durch-die-Sicherheitsschleuse.html

10 http://www.spiegel.de/reise/aktuell/sicherheitskontrollen-am-duesseldorfer-flughafen-schlampig-a-1009990.html

11 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA17-62.pdf

12 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD13-529.pdf

13 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD12-1305.pdf

14 https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMD17/2382&quelle=alle

15 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus170729858/Frustrierte-Fummeltruppe.html?wtrid=onsite.onsitesearch

16 http://wasi-nrw.de/neuer-skandal-bei-koetter-betriebsrat-in-koeln-schlaegt-alarm/

17 https://skytraxratings.com/airports/munich-airport-rating

18 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/deutsche-flughaefen-sicherheitskontrollen-sind-streitthema-geworden-15622755.html?printPagedArticle=true#void